Schattendebatte: Israel misshandelt Palästinenser

Es ist offenbar ein Zeichen unserer Zeit, dass immer wieder Debatten am Thema vorbei gestartet werden. Dieser Tage ist es eine unbedarfte israelische Soldatin, die ihre „Facebook“-Seite mit sprechenden Bildern gedemütigter Palästinenser „verzierte“.
Eden Abergil hatte die Schnappschüsse mit den Worten kommentiert: „Israels Armee, die beste Zeit in meinem Leben.“ Das kann man glauben: Denn die israelische Armee, wörtlich: „Israelische Verteidigungsarmee“ (englisch abgekürzt: Israeli Defence Force = IDF) teilt aus – und Palästina leidet. Die Süddeutsche Zeitung hat über die Fotostory fein berichtet. Und Autor Münch, der gern entlang der US-Interessen schreibt, goss noch wohldosiert moralische Entrüstung nach – in einem Kommentar. Im Beitrag wurde sogar angedeutet, dass es noch schlimmere Bilder gebe: Israels Soldaten posieren vor getöteten Palästinensern – so beschrieb es demnach Menschenrechtler Yehuda Schaul. Und im Kommentar sagt Münch, die israelischen Bilder seien keineswegs so schlimm wie die aus dem US-Foltergefängnis Abu Ghraib nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad (wo 2004 die USA ihr Gesicht verloren, als die Wahrheit über die viehische Behandlung herauskam, die sie ihren irakischen Gefangenen hatten angedeihen lassen.)
Die Erleichterung ist dem ehrenwerten Kommentator anzuspüren. Da geht es also den Palästinensern doch noch ganz gut – oder?
Dazu einige Bemerkungen.
In Abu Ghraib war gefoltert worden wie an mehreren anderen Stellen im Irak (und US-General Stanley McChrystal war mittendrin. Ein angeblicher Übersetzer mit dem ominösen Namen „John Israel“ spielte in Abu Ghraib eine herausgehobene Rolle – offenbar ein Mossad-Mann. Nur in Israel geht man so mit Gefangenen um wie die USA im Irak, in Guantànamo, Bagram und Kandahar (Afghanistan) dies getan haben – und möglicherweise noch heute tun – oder tun lassen. Und dieser „John Israel“, der kurz nach seiner Vernehmung spurlos verschwand, hatte so oft, wie ich es noch nie gelesen habe in einer Vernehmung, das Wort „ehrlich“ benutzt – während er offenbar log.
Israel ist ein Folterstaat, darum geht es. Wer da gut foltert, kann sogar Karriere machen. „Hügel der Schreie“ heißt im palästinensischen Volksmund ein Gefängnis des Inlands-Geheimdienstes Shin Beit, der an der Ermordung des eigenen Regierungschefs Itzhak Rabin beteiligt war. Wer das Zeugnis eines Palästinensers liest, der zum Krüppel gefoltert wurde, versteht das: die übelste Geschichte, die ich je gelesen habe.
Jetzt haben wir die Palästinenser erfolgreich gezwungen, mit Israel erneut erfolglos zu verhandeln, obwohl Israel das internationale Recht schlimmer mit Füßen tritt denn je, die Weltgemeinschaft offen verhöhnt und ebenso noch offen weitersiedelt, wo es das nicht darf – und Palästinenser vertreibt. Wenn wir nicht einen einsamen Hungerstreikenden in Berlin vor Israels Botschaft hätten, müssten wir das gar nicht richtig bemerken. Das Verhältnis Israel-USA gilt als gespannt. Sogar Israels Opposition hatte Palästinenser“chef“ Mahmud Abbas geraten, nicht in Verhandlungen einzutreten.
Und wir holen Israel in die EU und in die Nato, weil Israel als „einzige Demokratie“ der Region unsere Werte teile. Ja, ich fürchte, dass das Letztere stimmt. Der Volksmund kennt sich da aus: „Gleich und gleich gesellt sich gern.“ Gerade kam heraus, dass die Sondertruppe KSK gewohnheitsmäßig Afghanen abknallt. Wir haben Namenslisten von Afghanen an unsere amerikanischen Verbündeten abgegeben. Seit Jahren kämpfen wir an der Seite von Verbündeten, die foltern, morden, stehlen und lügen. Wir sind ein Volk von Komplizen geworden, dass stillschweigend akzeptiert, von Regierung und Medien darüber belogen zu werden. (Das Wort „Beschönigung“ in diesem Zusammenhang wäre eine solche.)
Wir haben Israel verdient.
Das macht mir erhebliche zusätzliche Sorgen um Israels gesamte Bevölkerung. Wir müssen den Menschen jüdischen Glaubens in aller Welt unsere Türen öffnen, mit ihnen Kontakt aufnehmen. Wir können nicht die Menschen verdammen wegen der korrupten und verbrecherischen Politik Israels, wie auch wir nicht beurteilt werden wollen nach dem Massaker von Kundus im letzten Jahr und vielen anderen schrecklichen Morden.
Aber das können wir nur dann glaubwürdig tun, wenn wir Unrecht auch so benennen: wann immer und wo immer es durch wen auch immer geschieht.
Also: Auch Palästinenser begehen Verbrechen. Raketen auf die israelische Siedlung Sderot, Selbstmordattentate an Bushaltestellen etc. bleiben ein Verbrechen. Der Unterschied liegt in der Dimension. Der Gazastreifen als zynisch und chronisch unterversorgtes Freiluft-Gefängnis, die Totenzahlen im Verhältnis 100:1, hunderte palästinensische Kinder in Gefängnissen, offenbar gezielte Misshandlungen und auch Morde an Kindern – dies nicht klar zu benennen macht unsere Schuld aus – und könnte sich eines Tages schrecklich rächen. Nicht durch Terror, das behaupten die Nato-Innenminister (4.8., 29.7.), die selbst daran mitwirken.
Ich befürchte weit Schlimmeres.
Quelle: http://www.hoerstel.ch/hoerstel/News/Eintrage/2010/8/18_Flutkatastrophe_in_Pakistan_-_direkt_spenden.html

Über Hörstel Christoph R. 9 Artikel
Christoph R. Hörstel, geboren 1956, war nach Wehrdienst und Studium ab 1985 Sonderkorrespondent der ARD, Nachrichtenmoderator und leitender Redakteur; 2001 Gründung der Regierungs- und Unternehmensberatung Hörstel Networks. Er verfügt über 23 Jahre Erfahrung aus erster Hand in Afghanistan, Pakistan, Kaschmir, Iran und Irak. Publizistische Tätigkeit und Lehrauftrag als Experte für Islamische Bewegung und Terror.

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