Klaus Berger: »Ein Kamel durchs Nadelöhr: Der Humor Jesu«

Jesus am Kreuz, Foto: Stefan Groß

Entgegen der Behauptung, über Jesus von Nazareth sei schon alles geschrieben worden, ergründet der bekannte Heidelberger Bibelexeget Klaus Berger in seinem neuen Buch über den Humor Jesu eine bisher unbeachtete Facette. Unser Autor Andreas T. Sturm verrät, was sich hinter dem neuerschienenen Titel »Ein Kamel durchs Nadelöhr?: Der Humor Jesu« verbirgt.

Klaus Bergers »Ein Kamel durchs Nadelöhr? Der Humor Jesu«

Der emeritierte Heidelberger Neutestamentler Klaus Berger untersucht, wie Jesus Humor gezielt einsetzt, um seine Botschaft auf anschauliche und einprägsame Weise zu akzentuieren. Tatsächlich wurde der Humor Jesu in der Forschungsliteratur bisher kaum bis gar nicht behandelt. Der Leser mag mehrfach über Bergers Begriff des Humors stolpern und womöglich in Frage stellen. Der emeritierte Theologieprofessor führt aber auf virtuose Weise Bibelstellen ins Feld, an denen er aufzeigt, wie Jesus Absurditäten, Provokationen, Kontraste, Übertreibungen, Widersprüche, Unverhältnismäßigkeiten und Spott als »Instrument prophetischer Kritik« verwendet. Es geht ihm dabei in erster Linie nicht um »Lustigkeit«, sondern sehr präzise darum vor Absurditäten und falschen Prioritätensetzungen zu warnen.

Doch Jesus evoziert absurde Bilder, die durchaus in der Vorstellung der Menschen einen humoristischen Gehalt entfalten, gerade deshalb sind sie so bekannt und einprägsam geworden. Mit dem Kamel – welches eher durch ein Nadelöhr gerät, als dass ein Reicher in dem Himmel komme (Mk 10,25) – platziert Jesus eine deutliche Kritik an Reichtum. Die Warnung Perle vor die Säue zu werfen (Mt 7,6), ist eine eindringliche Warnung, das Heilige zu achten. Sowohl das Bild von den Toten, die Tote begraben (Mt 8,22) als auch den Blinden, die Blinde führen (Mt 15,14), ist die Kritik Jesu an falscher Lebensführung. Die Edelhure, die Jesus damit entschuldigt, dass sie viel geliebt habe (Lk 7,47) ist eine mindestens genauso große Provokation wie das Lob für den unehrlichen Verwalter, der klug gehandelt habe (Lk 16,8). Möglicherweise ist die Leserschaft diese Sprichwörter aus der Alltagssprache schon so gewohnt, dass sie die humoristischen Prägung und den tieferen Sinn dahinter übersieht. So ist die Kritik am Splitter im Auge des Bruders und das gleichzeitige Übersehen des Balkens im eigenen Auge, genauso wie die Pharisäer, die ins Glas gefallene Mücken sieben und dann aber Kamele verschlucken (Mt 23,24), eine Kritik an den eigenen Maßstäben. Jesus offenbart dabei innere Widersprüche und Scheinheiligkeit. Kleinigkeiten anderer werden sehr genau genommen, doch eigene, große Fehler scheinen kein Problem zu sein. Ein solcher Zugang führt aber auch dazu, dass Menschen die Probleme ihres Umfelds vernachlässigen und nur noch auf das eigene Ich zentriert sind.

Berger zufolge wird Unwesentliches von Menschen zu Scheinriesen gemacht, während das Kleine und das Übersehene unglaublich groß wird. Dies zeigt sich bei der besonderen Zuwendung Jesu zu Kindern oder in den Gleichnissen des verlorenen Schafes (Lk 15, 4-6) und der wiedergefundenen Drachme (Lk 15,8-9).

Berger widersteht den Harmonisierungsversuchen der gegenwärtigen Theologie, die problematische Aussagen Jesu verwischt (beispielsweise: »Das hat Jesus anders gemeint« oder »Diese Bibelstelle wurde später hinzugefügt«) und damit auch einige wirkungsvolle rhetorische Stilmittel Jesus, wie das der Übertreibung, ignoriert.

Als Beispiel nennt Berger die Pointen Jesu hinter seinen Strafandrohungen, wenn er äußert, dass diejenigen, die zum Glaubensabfall verführen besser mit einem Mühlstein um den Hals versenkt werden sollten (Mk 9,42) und die verheirateten Männer, die Frauen mit begehrenden Blicken nachstellen, sich besser ein Auge ausreißen müssten (Mt 5,27-30). Für den Heidelberger Bibelforscher ist das kein Aufruf zur Selbstverstümmelung, wie es allenfalls Fundamentalisten sehen mögen, sondern ein Hinweis darauf, dass ein scheinbar leichtes Vergehen in Wirklichkeit katastrophale Folgen haben kann. Jesus regt damit an, durch die Vermeidung solcher Situationen präventiv gegen Sünde und ein größeres Übel zu wirken.

Für Berger sei der Humor der »Vater der Weisheit Jesu«. Denn sein Humor aus der Freiheit und Souveränität Gottes befähige, ihn Scheinriesen zu entlarven und auf die Größenverhältnisse von Gottes Reich aufmerksam zu machen.

Fazit: Zugreifen, auf Bergers Humor-Begriff einlassen und neue Facetten Jesu sehen

»Der Humor Jesu« ist ein typisches Berger-Buch. Neben seinen Fachpublikationen mit seinem Forschungsschwerpunkt des Urchristentums, ist Klaus Berger dem breiteren Lesepublikum durch Bestseller wie »Jesus« (2007) oder »Die Bibelfälscher« (2013) bekannt geworden. Berger schreibt pointiert und provokativ, er zeigt sein unglaublich breites Bibelwissen und sein Wissen zum Urchristentum mit einem Streifzug durch die sogenannten Agrapha (frühe, aus dem arabischen tradierte, außerbiblische Zitate Jesu) und den Apokryphen-Evangelien. Dem Theologen Berger gelingt es, auch schwierig verständliche Themen mit einer klaren und präzisen Sprache so zu präsentieren, dass sie verständlich sind, ohne ihre akademische Brillanz zu verlieren.

Bei der Lektüre stellt sich die Frage, wieso Klaus Berger der Erste war, der Jesus einer humoristischen Untersuchung unterzogen hat. Ein Erklärungsversuch könnte die altbekannte Gefahr sein, dass sich das Jesus-Bild durch eine neue Betrachtung verändern könnte. Wenn Sie herausfinden wollen, in welche Richtung dies durch Bergers Untersuchung geschieht, kann ich Ihnen dieses kurzweilige und vergnügliche Buch ans Herz legen. Hierbei ist es aber notwendig, sich auf Bergers Humor-Begriff einzulassen, denn der Theologe hält spannende Einsichten bereit.

Für Berger ist der Humor nicht das Gegenteil von »Ernst-Gemeint«, sondern die Veranschaulichung durch Übertreibung, das Offenlegen eines verborgenen oder ignorierten Umstands. Wie er selbst sagt, dient Humor meist dazu Menschen zu verbinden, während Jesu Humor das Trennende aufzeigt, was den Mensch vom Reich Gottes trennt.

Klaus Berger hat bei einer Buchvorstellung im Januar 2019 in Mannheim einen Rabbi zitiert: »Religion an sich ist nicht gefährlich, Religion ohne Humor ist gefährlich.« Dieser Gedanke gibt spannende Impulse – nicht nur für das Jesus-Bild, sondern auch für den interreligiösen Dialog.

Klaus Berger: »Ein Kamel durchs Nadelöhr: Der Humor Jesu« (Herder-Verlag, 2019), 207 Seiten.

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