Chiemsee und Chiemgau – Ein oberbayerischer Urlaubsklassiker mit viel Kunst und Kultur

Bildquelle: Marc Peschke

Urlaub am Chiemsee und im Chiemgau – in einem der beliebtesten Erholungsgebiete Bayerns. Die oberbayerische Region mit ihren traditionellen Wintersportorten ist von opulentem landschaftlichem Reiz: Urlauber kommen wegen des großartigen Nebeneinanders von Wasser-, Rad- und Wandersport, von Kultur und Kulinarik.  Der Chiemgau ist ein Klassiker, seit Dekaden schon: Jedes Jahr übernachten mehr als vier Millionen Gäste in den Hotels, Pensionen, Campingplätzen und Bauernhöfen der Region.

Einer von ihnen war Thomas Mann, wie Dirk Heißerer in seinem Buch „Im Zaubergarten“ beschreibt. Hier stellt er die Liebe Manns zu Reisezielen und Orten in Bayern ausführlich dar: eine literarischen Topographie, die den Leser unter anderem auch an den Chiemsee führt. Thomas Mann war ein klassischer Sommerfrischler – darin ganz ein Mensch seiner Zeit, denn seit etwa 1900 war die Sommerfrische im Alpenvorland in der Münchner Kulturszene en vogue geworden. In Bad Tölz ließ sich Mann 1908 ein Landhaus errichten, wo er an seinem „Tod in Venedig“ arbeitet. Am Starnberger See entstehen Teile des „Zauberberg“. 1919 verbrachte Thomas Mann glückliche Tage in Stock am Chiemsee, fuhr mit dem Ruderboot zur Herreninsel, lobte das „Ruder- und Badeleben“ und fand auf der Fraueninsel „südliche Eindrücke“.

Die Anreise an den Chiemsee ist bequem mit der Bahn möglich. Über einen historischen Bahnhof an der Bahnstrecke Rosenheim-Salzburg verfügt Prien.  Von hier aus fährt auch eine Schmalspurbahn in den Ortsteil Stock, von wo man direkt auf die Chiemsee-Schifffahrt wechseln kann. Diese Strecke wird in der Hauptsaison zeitweise auch mit Dampflokomotiven betrieben.

Viel Kunst und Kultur gibt es in der ganzen Gegend zu entdecken: die Fraueninsel mit der Abtei Frauenwörth und die Herreninsel mit dem weltberühmten Landschaftspark, dem Alten Schloss und dem Neuen Schloss Herrenchiemsee. Ein weiterer kultureller Höhepunkt einer Chiemgau-Reise ist etwa das wunderbar an einem kleinen See gelegene, 994 gegründete Kloster Seeon mit seinen kulturellen Veranstaltungen. Bis 20. März ist eine Ausstellung über die Ordensschwester Berta Hummel zu sehen, deren Kinderbilder als Postkartenmotive und Porzellanfiguren Weltruhm erlangten. Danach wird hier das zarte, eindrückliche Werk der jungen Chiemgauer Illustratorin Magdalena Wolf präsentiert (https://www.kloster-seeon.de/kultur-erleben/ausstellungen). In Seeon speist man zudem sehr gut: Im historischen Gasthaus, dem „Alten Wirt“ probiert man den ofenfrischen Schweinebraten (www.zum-alten-wirt-seeon.de) und im Waltenbergstüberl unbedingt die Tiroler Kaspressknödel (www.waltenbergstueberl-seeon.de).

Weiterhin einen Ausflug wert sind Burg und Altstadt Tittmoning oder auch die kleine St. Jakobus-Kirche in Urschalling bei Prien mit ihren bedeutenden Fresken aus der romanischen und gotischen Zeit – darunter das weltberühmte Dreifaltigkeitsfresko, dessen theologische Deutung immer bis heute diskutiert wird (www.tourismus.prien.de/erlebnisse/kirchenfuehrungen-chiemsee).

Oder das Römermuseum Bedaium im geschichtsträchtigen Seebruck direkt am Chiemsee: Hier entstand schon zu keltischer Zeit eine Siedlung. Das Museum zeigt die 4000 Jahre alte römisch-keltische Geschichte des Ortes Bedaium – es gibt auch einen archäologischen Rundweg (www.roemermuseum-bedaium.byseum.de). Direkt neben dem Römermuseum befindet sich die Heinrich Kirchner Galerie (www.seeon-seebruck.de/heinrich-kirchner-galerie), die Plastiken, Portraitbüsten, Kleinmodelle, Zeichnungen und Grafiken des 1984 im nahen Pavolding verstorbenen Künstlers, documenta II-Teilnehmers und Akademieprofessors in München zeigt. Auf dem Weg zwischen Seebruck und Gstadt empfehlen wir am Strandbad von Gollenshausen das Café Seehäusl. Hier sitzt man sonnig, direkt am Wasser – mit einem einzigartigen Blick über den Chiemsee auf die Alpenkette. Perfekt für ein nachmittägliches Helles! (https://www.chiemsee-alpenland.de/entdecken/essen-trinken/gastronomie/cafe-seehaeusl-be34821354)

Bemerkenswert sind auch die mächtigen Burgen in Amerang, Marquartstein und Hohenaschau. Unter der Burg Hohenaschau, an der Festhalle, laden phantastische Räume in einem historischen Gebäude (inklusive ehemaligem Pferdestall) in die Welt des Möbeldesigners Nils Holger Moormann ein, der hier seit 1984 arbeitet. Seine Entwürfe sind in den wichtigsten Designmuseen Europas vertreten. „Unsere Möbel sind Mitbewohner“, so Moormann (www.moormann.de).

Nur wenige Schritte von Moormanns Design-Welt arbeitet die Galerie Kunst und Kultur zu Hohenaschau auf dem Terrain realistischer Kunst der Gegenwart. Seit 1991 wurden hier 125 hochkarätige Ausstellungen, aber auch Lesungen und Konzerte präsentiert. Und das im herrlichen Ambiente des altehrwürdige Amtshauses zu Hohenaschau (www.kuku-hohenaschau.de).

Unbedingt sehenswert sind auch die Salinenstädte Bad Reichenhall und Rosenheim: Die Gewinnung und der Transport von Salz beeinflussten seit dem Mittelalter die Entwicklung der Chiemgauer Kulturlandschaft. Rosenheim mit seinem prächtigen Max-Josefs-Platz, dem historischen Marktplatz mit seinen Bürgerhäusern im in der ganzen Region typischen Inn-Salzach-Stil mit Arkadengängen, Scheinfassaden und Erkern zieht mit seiner Städtischen Galerie auch Kunstliebhaber an. Bis zum 1. Mai wird hier eine große Jugendstil-Sonderausstellung gezeigt, welche die Entwicklung dieser Epoche sowohl im internationalen als auch im regionalen Kontext thematisiert (https://galerie.rosenheim.de/ansicht/news/la-belle-epoque/).

Die Fraueninsel mit dem weithin sichtbaren Kampanile, dem achteckigen Glockenturm, ist weit über die Region bekannt. Die kleine Fischerinsel mit dem 772 durch den Karolinger Tasso gegründeten Benediktinerkloster Frauenwörth entwickelte sich seit dem Bau der Eisenbahn vor rund 150 Jahren zu einem bedeutenden Ziel von Touristen und Pilgern. Sie besuchen das Idyll aus Verehrung für die Äbtissin Irmengard (ca. 833-866), die im Inselmünster begraben liegt.

Einige Fischerfamilien auf der Insel bestreiten ihr Leben seit Generationen von der Fischerei. Sie verkaufen den Fisch in ihren Fischhütten, beliefern die regionale Gastronomie, entwickeln neue Rezepte – etwa Renkenmatjes – und vertreiben geräucherte Renken und Aale auch online. Neben dem Münster und der karolingischen Torhalle zählen auch die tausendjährigen Linden auf dem höchsten Punkt der Insel zu den Sehenswürdigkeiten.

Die Säkularisation im Jahr 1803 bedeutete das vorläufige Ende des Klosters Frauenwörth. Einige Jahre danach entstand hier die Künstlerkolonie Frauenchiemsee, als deren Begründer der Münchner Maler Max Haushofer gilt. Als 17-jähriger Schüler kam er 1828 erstmals auf die Fraueninsel. Nach Jahren der regelmäßigen Besuche heiratete er 1838 die Tochter des Gastwirts, Anna Dumbser – und brachte zahlreiche Künstlerkollegen auf die Insel. Die Gräber der Künstler Haushofer, Rubens und Roubaud im kleinen Klosterfriedhof zeugen noch heute davon, ebenso wie eine Malerpalette über ihrem Stammtisch im wundervollen Gasthof Zur Linde. Seit über 600 Jahren lädt das altehrwürdige Gasthaus mit seinem Charme und seiner schlichten Eleganz zur Einkehr: eines der ältesten Wirtshäuser Bayerns.

Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie München-Salzburg im Jahr 1860 konnten Sommerfrischler erstmals bequem und schnell in den Chiemgau reisen. Der Tourismus kam in Schwung, die Künstler zogen sich jedoch wieder zurück. Seit 1901 ist das Kloster wieder eine Abtei. Es ist neben dem Nonnberg in Salzburg das älteste bestehende deutschsprachige Frauenkloster nördlich der Alpen.

Auf der benachbarten Insel im Chiemsee, erreichbar ebenfalls ganzjährig mit der Chiemsee-Schifffahrt, steht das Schloss Herrenchiemsee (www.herrenchiemsee.de), das der „Märchenkönig“ Ludwig II dort in der Zeit von 1878 bis 1886 als Kopie von Versailles erbauen ließ. Mehr als 400.000 Gäste aus aller Welt besuchen das Prunkschloss und den weitläufigen Schlosspark jährlich. Und das zu recht: Das Schloss vor der Kulisse der verschneiten Chiemgauer Alpen an einem sonnigen Wintertag – das ist einer der schönsten Landschaftseindrücke, die man in Deutschland haben kann.

Eine Visite wert ist auch das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift, das „Alte Schloss“, mit dem Verfassungsmuseum, den restaurierten Barocksälen wie Kaiser- und Gartensaal und dem Bibliothekszimmer. Schon im Jahr 1130 siedelten sich Augustiner-Chorherren auf der Herreninsel an. Der Spiegelsaal im Schloss, das Bibliothekszimmer  und  das  Münster  auf  der  Fraueninsel  dienen im Rahmen von Konzertreihen ganzjährig als Kulisse hochrangiger Kulturveranstaltungen.

Noch bevor um 1870 auf dem Königsschloss Herrenchiemsee reger Fremdenverkehr einsetzte, kamen die ersten Maler aus den Münchner Kunstakademien in den Chiemgau. Unter dem Einfluss der französischen Meister von Barbizon und des Impressionismus rückte die Freilichtmalerei ins Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung. Die Chiemseemaler folgten dem französischen Beispiel, wandten sich vom klassizistisch-erhabenen, heroischen Stil des frühen 19. Jahrhunderts ab und interessierten sich fortan für das vitale Erfassen des atmosphärischen Gesamteindrucks der Landschaft.

Künstler wie Eduard Schleich d.Ä., Karl Raupp, Josef Wopfner, Wilhelm Trübner, Leo Putz, Max Slevogt, Arnold Balwé oder auch Max Beckmann haben bedeutende Werke am Chiemsee und im Chiemgau geschaffen. Julius Exter (1863-1939) war einer der bekanntesten Chiemseemaler und Mitbegründer der „Münchener Secession“. Seine Werke werden im Exterhaus in Übersee präsentiert, einem alten Bauernhaus, das ihm als Atelier diente. Neben figürlichen Kompositionen und Porträts bilden Landschaften und Akte den Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens, das sich vom Symbolismus und Neoimpressionismus zum Expressionismus entwickelt hat.

Im Augustiner-Chorherrenstift auf Herrenchiemsee lädt die Galerie Maler am Chiemsee ein, die Künstler des Chiemsees besser kennenzulernen: In sechs Räumen wird eine Auswahl von Meisterwerken der am Chiemsee tätigen Maler gezeigt, so von Karl Millner, Friedrich August Kessler, Friedrich Wilhelm Pfeiffer, Karl Raupp, Joseph Wopfner, Wilhelm Trübner, Julius Exter, Leo Putz, Walther Püttner, Paul Roloff und Erich Glette. Auch die Gemäldegalerie Julius Exter ist Teil des Museums im Augustiner-Chorherrenstift. Sie befindet sich im sogenannten Prälaturstock. In neun festlichen, barocken Räumen wird das Werk des Künstlers aus allen Schaffensperioden im Überblick gezeigt, beginnend mit den mystisch-dunklen Themen seiner symbolistischen Phase bis hin zu den spontanen, farbenprächtigen Bildern der expressionistischen Zeit.

Doch nun auf in die jüngste Geschichte der Kunst! Auf ins MAXIMUM! (www.dasmaximum.com) Seit Juli 2011 finden wir in der kleinen Stadt Traunreut im Landkreis Traunstein ein Museum mit echten Spitzenwerken der Kunst. Heiner Friedrich, Sohn des Alzmetall-Gründers Harald Friedrich und Kunstmäzen, gründete 2010 die Stiftung mit dem markant-selbstbewussten Namen DASMAXIMUM, die in Traunreut große Werkgruppen von neun deutschen und US-amerikanischen Künstlern in einer Dauerausstellung zeigt.

Sie gehören zu den engsten Weggefährten von Friedrich, der seit seinen Anfängen als Galerist in München, Köln und New York die Durchführung dauerhafter Präsentationen aktueller Kunst initiierte. International als Mittler zwischen Künstlern und Museen und als Mitbegründer so bedeutender Stiftungen wie der Dia Art Foundation aktiv, ermöglicht er auch in Traunreut die intensive Begegnung mit aktueller Kunst.

Als einer der ersten Galeristen zeigte Friedrich Werke von Georg Baselitz, Joseph Beuys, Imi Knoebel, Uwe Lausen, Blinky Palermo, Sigmar Polke und Gerhard Richter. Aufgrund seiner frühen und engen Kontakte zur amerikanischen Avantgarde stellte er Künstler wie John Chamberlain, Dan Flavin, Donald Judd, Walter de Maria, Barnett Newman, Cy Twombly und Andy Warhol teils zum ersten Mal in Europa aus.

Für DASMAXIMUM wurde ein zuvor industriell genutzter Gebäudekomplex in ein Tageslicht-Museum umgewandelt. Besondere Beachtung verdient die hervorragende Museums-Architektur: Historische Produktionshallen der NS-Rüstungsindustrie wurden nach Plänen des Büro Brüderl Architektur umgebaut und ihre Satteldächer mit Oberlichtern versehen.

In den weiträumigen Hallen gewähren bei Georg Baselitz und Uwe Lausen Arbeiten aus verschiedenen Arbeitsphasen einen Überblick über das Gesamtwerk, während bei Imi Knoebel und Maria Zerres großformatige Serien Orte der Konzentration schaffen. Einen besonderen Schwerpunkt setzt der reiche Bestand an Werken amerikanischer Künstler. So gibt es mehr als 20 Bilder von Andy Warhol, jeweils eigene Hallen für die Skulpturen von John Chamberlain und Walter De Maria sowie die Lichtinstallation aller „European Couples“ von Dan Flavin, welche die intensive Verbindung der amerikanischen und deutschen Kunst seit den 60er Jahren vor Augen führt.

Die Kunst wird hier im Chiemgau kompromisslos pur gezeigt. Keine Texttafeln stören den Blick auf die Exponate. Im Fokus steht die vom Tageslicht umflutete Kunst – wer danach noch nicht genug hat, dem sei der Besuch der chiemgau galerie augustin in Trostberg ganz in der Nähe empfohlen (www.chiemgau-galerie-augustin.de). Die Galerie von Marianne Augustin hat sich auf Konkrete Kunst, Informelle Kunst und Minimal Art spezialisiert.

Über Marc Peschke 10 Artikel
Marc Peschke, 1970 geboren, Kunsthistoriker, Texter, Kulturjournalist und Künstler, lebt in Wertheim am Main, Wiesbaden und Hamburg. Er hat in Mainz Kunstgeschichte, Komparatistik und Ethnologie studiert. Seitdem schreibt der gebürtige Offenbacher unter anderem über Bildende Kunst, Fotografie, Fotokunst und Popmusik. Gelegentlich arbeitet er auch als freier Kurator, war Mitinhaber und Mitbegründer der Fotokunst-Galerie KUNSTADAPTER in Wiesbaden und Frankfurt am Main – sowie der Kultur-Bar WAKKER in Wiesbaden. In Wertheim am Main ist er Kurator des exklusiven Kunstraum ATELIER SCHWAB. Seit 2008 zahlreiche eigene Ausstellungen im In- und Ausland. Marc Peschkes künstlerische Arbeiten entstehen zumeist auf seinen zahlreichen Reisen und sind in verschiedenen nationalen und internationalen Sammlungen vertreten. Seit 2020 ist Marc Peschke unter dem Namen MASCHERA auch wieder als Musiker aktiv. Im Jahr 2022 wird er kuratorisch die Wiesbadener Fototage unterstützen. www.marcpeschke.de