Der launige Onkel aus Brüssel: Kanzlerschreck Martin Schulz

Donald Tusk (l.) und Martin Schulz, Foto: Stefan Groß

Vor 4 Wochen verfasste ich einen Artikel, polemisch wie so häufig, wonach sich die SPD den Kanzlerkandidaten auch sparen könne. Ja, so irrte ich. Martin Schulz hat innerhalb kürzester Zeit dafür gesorgt, dass die Union in Panik geriet.

Natürlich ist Schulz in der Lage, gleichzeitig so zu tun, als habe er weder etwas mit der Agenda 2010 noch mit der Flüchtlingspolitik zu tun. Ein genialer Schachzug.

Der Onkel aus Brüssel

Er ist wie der launige Onkel in einem Millowitsch-Stück, der in einem Moment trüber Stimmung auf die Bühne tritt und sagt: „Kinder, was ist denn mit Euch los?! Guckt doch nicht so, das Leben ist doch herrlich. Trinken wir ein Kölsch und alles wird gut.“ Zugegeben, er verbreitet beste Laune, obwohl er die Verhältnisse im Lande schlechter redet, als sie sind. Das kann Schulz wie kaum ein Zweiter. Als Rheinländer kommt er mit fast allem durch.

Wer so etwas vermag, dem muss man mit einer besonders fiesen Kampagne kommen, denkt sich offenbar Peter Tauber, der seit ein paar Jahren den Generalsekretär der CDU geben darf.

Fehlbesetzung Tauber

Der Chef-Verkäufer der Bundeskanzlerin ist vom ersten Tag an überfordert gewesen. Er hat zu keinem Zeitpunkt Souveränität ausgestrahlt oder Sympathien gewonnen. Wer Kritikern der Kanzlerin in der eigenen Partei entgegenhält, sie seien „Arschlöcher“ und könnten gehen, ist klar überfordert.

Ausgerechnet Tauber zitiert den 33. Präsidenten der USA Harry Truman in dem Sinne, dass jemand, der Hitze nicht vertrage, besser die Küche verlassen sollte. Bei ihm muss ich immer an Stoibers Wort vom Leichtmatrosen denken. Oder frei nach Freddy Quinn und Hans Albers „Leichtmatrosen zur See, einmal muss es vorbei sein…“.

Gemeint hatte Tauber die SPD mit seinem Spruch über die Küche, der man fernbleiben solle, da man sich dort über die plumpe Kampagne gegen Schulz geärgert hatte.

Eines vorweg: das, was Schulz für sich als Kanzler-Agenda benennt, halte ich für verhängnisvoll. Er hat auch eine wesentliche Mitschuld am Zustand der EU.

Aber in der CDU soll niemand allen Ernstes meinen, mit einer „rote Socken“-Kampagne oder einer „Schulz ist Populist und Millionär“-Rede könne man die Umfragewerte der Gabriel-Ära wiederherstellen.

Was sich da in den Umfragen entlädt, ist fast schon ein Orgasmus. Dass Schulz und Katarina Barley sowie fast alle in der SPD schlicht happy sind, kann ich keinem Sozi verdenken.

Was kann die CDU tun?

Da Europapolitiker offensichtlich so beliebt zu sein scheinen, könnte die Union ja statt Angela Merkel Elmar Brok als Kandidaten aufbieten. Nein, kleiner Scherz. Brok wäre der Gabriel der Union.

Die Union erstickt zurzeit an ihrer eigenen Sedierung.

Seit 2005 hat das Konzept der asymmetrischen De-Mobilisierung in der Merkel-Partei blendend funktioniert. Jetzt, da der Partner SPD so frech war, innerlich vorher zu kündigen, reagiert man unwirsch in der CDU.

Schulz ist der erste Kandidat seit Gerhard Schröder, der auch wirklich gewinnen will. Dem hat die Kanzlerin nichts zu entgegnen. Seehofer lässt sie im Wahlkampf nur ungern plakatieren, was er ja bereits 2016 bekräftigt hatte.

Wenn man die 2 Minus-Gesichter ansieht, die Merkel und ihr bayrischer Parteifreund bei der Pressekonferenz anlässlich ihrer Nominierung zur Kanzlerkandidatin 2017 zeigten, weiß man, wie Verlierer aussehen.

Eigentlich wäre es nur klug, wenn sich Merkel rechtzeitig möglichst schnell einen Grund überlegte, warum sie nicht antreten wird. So nach dem Motto „Der Hund hat meine Hausaufgaben gefressen und ich habe danach den Bus verpasst“. Aber auch dazu ist es zu spät.

Da hätte die Union vorher von sich aus die Reißleine ziehen müssen, besonders die Hinterbänkler, aber dort fehlte wohl der Mut.

Das Kernproblem

Die Union hat über mehr als 10 Jahre viele intellektuell ansprechende Politiker leichtfertig aussortiert, weil die Partei zu einem Maßanzug Merkels werden sollte. Merz und Koch gingen lautlos, waren entnervt.

Wer aufrücken durfte, waren Politiker vom Typus Altmaier, Röttgen, Pofalla und eben Tauber. Das reicht nicht für ein gutes Wahlergebnis.

Bis zum September 2015 war Merkel die strategische Meisterin, die in einer Koalition den jeweiligen Partner verschliss. Vor der Nominierung von Martin Schulz hatte man sich mental bereits auf Schwarz-Grün eingestellt, eventuell garniert mit der FDP.

Es ging so weit, dass Cicero in der aktuellen Februar-Ausgabe titelte, dass – egal, was auch passieren möge – am Ende 2017 Merkel Kanzlerin bleibe. Neben der CDU ist also auch die komplette Journaille mit dem Schulz-Orgasmus auf dem falschen Fuß erwischt worden.

Das Eruptive wird durch Katarina Barley verkörpert, die verzückt ist wie ein Teenager. So geht Generalsekretär – vollkommene Überzeugung vom eigenen Kandidaten plus sympathisches Auftreten, taktische Finesse und Siegesgewissheit. Keine opportunistisch-durchschaubare Speichelleckerei.

Doch wer könnte das in der Union verkörpern? Mir fällt dort niemand ein. Vielleicht ist es ja doch an der Zeit, in die Opposition zu gehen, wo man sich wieder neu strukturieren kann.

Die Kehrseite der SPD-Euphorie ist eben der Katzenjammer der Union. Man hat dem nicht das Geringste entgegenzusetzen. Intellektuell ist die Union ausgedörrt, außerdem auf Linie getrimmt und viele ihrer Exponenten rückgratlos.

Als Annegret Kramp-Karrenbauer vor vielen Wochen gefragt wurde, ob der Parteitagsapplaus für die Kanzlerin echt gewesen sei, sah sie sich bemüßigt, zu sagen, dass alle ihr glaubhaft und überzeugt aus tiefster Überzeugung versicherten, wie sehr man mit Merkel zufrieden sei. Ihr sei nichts Anderes bekannt. Ja und alle Kreter sind Lügner.

Es hatte etwas Honecker-haftes: man konnte sehen, dass Merkel ganze Arbeit vollbracht hat in beinahe 17 Jahren CDU-Vorsitz. Honeckers Regierungsstil hat sie ja auch aus der Nähe kennengelernt.

Finanzen

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.