Die Brexit-Befürworter sollen eingeschüchtert werden

Englische Fahne vor Luxusjacht in Monaco, Foto: Stefan Groß

Nahrungsmittelengpässe, endlose Staus an den Häfen und wirtschaftlicher Kollaps – seit der Brexit-Abstimmung werden apokalyptischen Szenarien über die Zeit nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU in den Medien verbreitet. Doch wie schlimm wird der Brexit wirklich? International renommierte Ökonomen widerlegen die politisch motivierte Hysterie und Panikmache mit Fakten.

Die „Remainer“ waren sehr kreativ im Ersinnen von Negativmeldungen. Die Bank of England meinte, ein „No deal Brexit wird die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg auslösen“ – die BBC, die Zeitung Independent und eine Reihe anderer Medien übernahmen diese Wortwahl. Doch der Zweite Weltkrieg reichte wohl nicht als Drohkulisse.  Da dieser für viele Briten zu weit zurück liegt, wurde ein Schreckensszenario aus der früheren Vergangenheit bemüht – die weltweite Finanzkrise 2008. Ein No-Deal-Brexit werde „schlimmer als die Krise 2008“, hieß es auf vielen Titelseiten. Das Bruttoinlandsprodukt werde um 8 Prozent sinken, die Arbeitslosigkeit von etwas über 4 auf 7,5 Prozent sprunghaft ansteigen, so die Prognosen.

Die Brexit-Befürworter sollen eingeschüchtert werden

Durch wissenschaftlich nicht fundierte Prognosen solle das Lager um Nigel Farage, Jacob Rees-Mogg und Boris Johnson eingeschüchtert und der Brexit doch noch verhindert werden.

Die Taktik der Einschüchterung trägt den Titel „Project Fear“ (Projekt Angst). Hierbei werden besonders Ängste vor „finanziellen Instabilität“ geschürt. An vorderster Front dabei, George Osborne, Schatzkanzler des früheren Premiers David Cameron. Osborne sah vor dem Referendum die ökonomische Apokalypse herannahen: „Das Brexit-Referendum wird eine jahrelange Rezession auslösen. Es wird Steuererhöhungen geben und Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben.“ Nichts davon stimmte. Die britische Wirtschaft wuchs auch nach dem Referendum weiter, die Arbeitslosigkeit sank, die Löhne stiegen – und die leichte Abwertung des britischen Pfund ist beim besten Willen kein Vorbote einer Krise.

Hätte sich nur die Hälfte der Katastrophenszenarien aus dem Brexit-Wahlkampf erfüllt, hätte bereits am Tag nach dem Referendum Mitte 2016 das Chaos ausbrechen müssen. Doch die Katastrophe blieb bis heute aus. Im Gegenteil: Die Beschäftigungsrate im Vereinigten Königreich ist tatsächlich auf dem höchsten Stand seit 1975, die Lohnentwicklung stabil positiv, das Wirtschaftswachstum des zweitgrößten Nettozahlers der EU (5,3 Mrd €/Jahr!) nach wie vor ansehnlich.  Der Guardian stellte trocken fest: „Das Brexit-Armageddon war eine furchteinflößende Vision – doch es ist nicht eingetreten“. Im Gegenteil: Einen Monat nach der Abstimmung zeigten sich die Konjunkturdaten völlig unbeeindruckt. Offenbar ließen sich die Konsumenten „stärker vom Wetter beeinflussen als von ihrer Angst vor dem, was nach dem 23. Juni passieren würde“.

Obwohl man diese Fakten nicht leugnen kann, betreiben die Kreise der Remainer weitere Panikmache – diesmal für die Zeit nach dem Brexit. Die politisch motivierte Desinformation trägt Früchte: Anfang Dezember konnte eine Reihe von Publikationen endlich triumphierend titeln, „neue Umfragen“ würden belegen: „Die Mehrheit der britischen Wähler glaubt, Brexit war die falsche Entscheidung“.

Prof. Sinn: „Die EU ist wie ein Gefängnis“

Der ehemalige Präsident des ifo Instituts und einer der einflussreichsten Ökonomen weltweit, Hans-Werner Sinn – selbst ein ausgesprochener Gegner des Brexit! – äußerte im Rahmen eines Vortrags der Münchner Seminare Mitte Dezember 2017 vor großem Publikum einen Verdacht hinsichtlich der kompromisslosen Haltung auf Seiten Brüssels und Berlins:

„Ein Argument dafür, warum man vom „Rosinenpicken“ redet, das man verbieten müsse, ist natürlich, dass man Leute bestrafen will. Wer rausgeht aus der EU soll bestraft werden – es könnte ja Nachahmer geben. Aber was ist das für ein schreckliches Argument? Normalerweise bestraft man nur die, die ein Gefängnis verlassen, Ja, ist denn die EU vergleichbar mit einem Gefängnis?“

Zum berühmten Argument gegen die Brexiteers, man dürfe ihnen keine „Rosinenpickerei“ zugestehen – ein Argument, das vor allem Außenminister Maas, Kanzlerin Merkel und der CDU-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl Manfred Weber aus dem fernen Berlin immer wieder vorgebracht haben – erklärte Sinn übrigens wörtlich:

„Wenn es nun bedauerlicherweise so ist, dass die Briten keine freie Migration wollen, (…) dann sollte man ihnen wenigstens noch den Freihandel bei Gütern erlauben. Und die Position der EU, dass man entweder alles oder nichts hat, ist ökonomisch nicht nachvollziehbar.“ Rosinenpickere? „Diese Aussage ist ökonomischer Unsinn, um es in aller Deutlichkeit zu sagen“, so Sinn weiter.

Man darf also vermuten, dass die Angstmacherei eben nicht primär auf wissenschaftlichen Daten und Erkenntnissen beruht, sondern auf dem politischen Willen, die noch laufenden Brexit-Verhandlungen zugunsten der EU (und zum Schaden der Briten) zu verschieben. So sieht das auch der weltberühmte US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugmann. Der erklärte Ende November 2017 via Twitter sein Unverständnis für die katastrophalen Warnungen der Brexit-Gegner:  “Ich begreife nicht wie man auf solche Kosten [des Brexit] kommt, ohne einige riesige Ad-Hoc-Annahmen über Produktivität und anderes zu machen.“  Auch hier muss man im Hinterkopf behalten: Krugmann ist – genau wie Sinn – ein überzeugter Gegner des Brexit. Um den Befürwortern nicht auch noch Argumente zu liefern, hätte er schweigen können. Doch offenbar sind die Pseudo-Argumente der Remainer so Haare sträubend, dass sich auch Krugmann nicht zurück halten konnte.

Die Schwarzmaler haben den Bogen überspannt

Womöglich haben die Schwarzmaler den Bogen zu sehr überspannt, denn selbst die Bild-Zeitung titelte am 16. Januar entnervt: „Gebt den Briten ihren Brexit, ihr EU-Paragraphenreiter!“ Und die Welt Online veröffentlichte am gleichen Tag ein Interview mit dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher. Dieser erklärt darin: „Die rein wirtschaftlichen Kosten eines ungeordneten Brexit für Deutschland werden überschätzt. Tatsächlich weiß niemand, wie der Brexit sich wirtschaftlich auswirken würde. Diese Unsicherheit macht den Menschen Angst und verleitet sie dazu, großen Pessimismus an den Tag zu legen.“

Die Briten haben berechtigte Interessen formuliert. Diese wurden von Heiko Maas und Angela Merkel als ‚Rosinenpickerei’ diffamiert. Dadurch wurde von vornherein verhindert, dass ein freundschaftlicher, fairer Deal zustande kommt. Was wollen die Briten? Sie wollen freien Handel, freien Warenverkehr – sie wollen keine Freizügigkeit. Das hätten wir ihnen ermöglichen können. Die EU verhält sich wie der Warschauer Pakt im Endstadium. Man will die Briten dafür bestrafen, dass sie der EU den Rücken kehren und an ihnen ein abschreckendes Exempel statuieren. Die vertrackte Verhandlungslage, die wir derzeit erleben und die das Vereinigte Königreich in eine veritable Regierungskrise gestürzt hat, ist das Ergebnis dieser kompromisslosen Haltung Brüssels und Berlins. Doch Grund zur Freude oder gar Schadenfreude besteht nicht. Ein Club, der seine Mitglieder nur mit Gewalt zusammenhalten kann, ist dem Tode geweiht. So war es beim Warschauer Pakt und so ist es nun mit der EU.