Flugwagen und Wunderschiffe – High-Tech im antiken China

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Die gewaltigen Pyramiden in der zentralchinesichen Provinz Xian, die mysteriösen „Steinteller“ von Baian Kara Ula  und die Terakottaarmee aus dem Grab des Kaisers Tjin Schiwangdi sind bei Experten und interessierten Amateurforschern im Westen seit geraumer Zeit bekannt. Doch auch auf anderen Gebieten hat die Archäologie in China schon für manche Überraschung gesorgt.

Als im Jahre 1962 bei Baggerarbeiten im Hafen von Schanghai ein 10 Meter langer und mehr als 50 Zentimeter starker Ruderbaum gefunden wurde, gab es bei Experten so manch langes Gesicht. Zwar war bekannt, daß sich im antiken China eine ausgedehnte Seeschiffahrt entwickelt hatte, doch solch ein gewaltiges Schiff hatte man nicht vermutet. (Für alle Landratten: Als Ruderbaum wird jenes Teil des Schiffes bezeichnet, an dem das Ruder – der nicht seemännisch Vorgebildete nennt dieses Teil Steuer – befestigt ist.)

Betrachtet man die Marinehistorie genauer, so ergeben sich Parallelen zwischen altägyptischem und antiken chinesischem Schiffbau. In beiden Kulturen wurden sogenannte Kastenbretterschiffe gebaut. Der altägyptische Schiffbau wurde jedoch vom kretischen und dieser vom phönizischen Schiffbau abgelöst. In China hingegen entwickelte sich die Schiffahrt bis ins 15. Jahrhundert v.u.Z., basierend auf der Bretterschiffbauweise, zu einer recht außergewöhnlichen Blüte. Das Schiff , zu dem der eingangs erwähnte Ruderbaum gehörte, muß immerhin (bei Übernahme der bekannten Proportionsverhältnisse) eine Länge von 160 m bis 180 m aufgewiesen haben.

Diese Angaben werden von den Ming – Annalen, einer chinesichen Chronik, bestätigt. Um 1430 sollen demzufolge Segler mit bis zu neun Masten, drei Decks, bis 150 m Länge und 60 m Breite existiert haben. Die damalige chinesiche Regierungsflotte bestand aus 3 800 Schiffen, darunter 1 350 Patrouillenbooten, 400 großen und 1 350 kleineren Kriegsschiffen, 400 Getreidetransportern und 260 Fernseglern. Unter letzteren befanden sich 62 Neunmaster.

Die chinesischen Kriegsschiffe unterschieden sich jedoch stark von anderen antiken Kriegsflotten. Bereits im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung waren sie mit Schaufelrädern ausgerüstet, die vom Schiffsinneren aus mit einer Art Tretmühle angetrieben wurden. Die Ming – Annalen berichten von Schiffen mit 23 Schaufelrädern und mehr als 1 000 Mann Besatzung.

Außer den auch im Mittelmeer üblichen „Widdern“ (Rammspornen), die fest am Bug installiert waren, führten die chinesischen Schlachtschiffe Rauch- und Brandbombern, aber auch Teerflammenwerfer und eine Art Torpedo mit sich. Schon im Altertum war es in China Brauch, im Kriegsfall wichtige Wasserstraßen regelrecht zu vermienen – die Seemine ist ebenfalls eine chinesische Erfindung

Manche Forscher sind überdies zu der Überzeugung gelangt, daß die Chinesen bereits im 3. Jahrhundert vor unserer Zeit Unterseeboote konstruiert hätten. Ein wissenschaftlicher Nachweis dieser Behauptung steht allerdings bislang noch aus. Unbestritten ist hingegen, daß bereits in der Antike versucht wurde, die Schiffahrt auch unter Wasser zu entwickeln.

So erwähnt bereits Aristoteles Taucherglocken aus Erz, die sein Schüler, Alexander der Große, im Jahr 352 v.u.Z. bei der Einnahme von Tyros eingesetzt haben soll. Die byzantinische Flotte verwendete ebenfalls Taucherglocken bei ihrem Angriff auf das Galeerengeschwader des weströmischen Kaisers Lucius Septimus Severus, als dieses im 3. Jahrhundert u.Z. den Hafen von Byzanz blockierte.

Doch selbst wenn im antiken China noch kein Unterseeboot konstruiert worden sein sollte, so gehörte doch die Flotte des Landes zu den imposantesten ihrer Zeit. Untrennbar mit der Entwicklung der chinesischen Seemacht ist der Name des Admirals Dscheng Ho verbunden. Dscheng war Mohammedamer und stammte bezeichnenderweise aus Westchina. Dennoch interessierte er sich von fühester Jugend an intensiv für die Hochseeschiffahrt und erlangte mit seinen visionären Ideen großen Einfluß am Hof des Kaisers Tscheng-dsu. Seine Machtfülle nutze Dscheng Ho , um seine strategische Flottenpolitik in die Wege zu leiten, die China zu seiner Zeit zur unangefochtenen Seemacht in fernöstlichen Gewässern aufsteigen ließ. Dscheng selbst unternahm zwischen 1405 und 1433 weite Reisen bis nach Südostrafrika.

Doch nach seinem Tod wendete sich das Blatt. Am kaiserlichen Hof setzte sich die Agrararistokratie durch, die alle Schiffe mit mehr als zwei Masten verbrennen und die großen Werften schließen ließ. Bereits um 1450 war Chinas Seemacht zu Ende. Als ein halbes Jahrhundert später die Portugiesen in Ostasien auftauchten, erinnerte nichts mehr an die einstige Größe chinesischer Segler und Radschiffe, neben denen sich die Portugiesischen Karavellen ziemlich winzig ausgenommen haben würden, wenn die chinesischen Neunmaster noch existiert hätten.

Doch nicht nur in der Seefahrt vollbrachte das antike China erstaunliche Leistungen. Wie so oft war es auch in diesem Fall das Heeres- und Kriegswesen, das neuartigen Techniken den Weg ebnete. sofern diese nur brauchbar genug waren, einen Gegner möglichst effektiv zu vernichten.

So gingen die Chinesen als Erfinder des Schießpulvers in die Geschichte ein und das Chinesische Heer verfügte bereits gegen Ende des 1. Jahrtausends unserer Zeitrechnung über eine Art von Handgranaten, die aus mit Sprengladungen versehenen Bambusrohren bestanden.

Die Verwendung von Geschützen wird erstmals im 13. Jahrhundert während der Mongolenherrschaft erwähnt. Viel früher setzte man jedoch Flammenwerfer ein – aus Kolbenpumpen wurde der Feind mit brennendem Erdöl oder Teer bespritzt – oft mit verheerender Wirkung. Im 4. Jahrhundert v.u.Z. verwendete das chinesische Heer betäubendes Stickgas, das mittels großer Blasebälge und günstigem Wind gegen den Feind geblasen wurde.

Der Heerführer Dschugo Ljang konstruierte etwa zur selben Zeit ein Katapult nach dem Armbrustprinzip, mit dem 20 Pfeile auf einmal verschossen werden konnten. Kurz nach der Zeitenwende setzte sich dann auch die Repetierarmbrust durch, bei der die Pfeile in rascher Folge aus einem Magazin verschossen werden konnten.

Weniger bekannt ist, daß die Heere des antiken China bereits auch über eine Art Luftwaffe verfügten. Im 4. Jahrhundert v.u.Z. entwickelte der pazifistische(!) Philosoph und Konstrukteur Modi einen sogenannten Kampfdrachen, dessen Konstruktion im wesentlichen aus einem mit robusten Papier bespannten Bambusrahmen bestand. Diese lenkbaren Drachen wurden mit heißer Luft gefüllt und konnten mit ein bis zwei Personen an Bord aufsteigen. Von der Höhe aus konnten die Beobachter feindliche Truppenbewegungen aufklären. Ansonsten wurden die Drachen vorwiegend zur Nachrichtenübermittlung, selten hingegen zum direkten Angriff auf den Feind verwendet.

In diesem Zusammenhang sind die Forschungen des deutschen Arztes Prof. Dr. Fuchs beachtenswert, die er in den Jahren des Zeiten Weltkrieges in China durchführte. Prof. Dr. Fuchs stellte fest, daß altchinesische Werke von antiken Fluggeräten berichteten:

„Vor etwa 3 700 Jahren fuhren in China Windwagen. Vom Tschi – Kung – Volk, dem Volk der Einarmigen, scheint diese Erfindung zu kommen. Wie die Wagen aussehen, hört man allerdings nicht. Ein Schriftsteller aus dem ersten Jahrhundert nach der Zeitenwende erwähnt in einer Bemerkung über den ersten Kaiser der Schang – Dynastie: Unter den Beherrschern der achtzehnhundert Völker, die sich mit ihren Dolmetschern versammelten, um die Thronfolge Tángs des Vervollständigers zu ehren, kam das Tschi -Kung – Volk in fliegenden Wagen.“

Dies geschah im Jahre 1766 v.u.Z.

In einem chinesischen Werk aus dem 3. Jahrhundert unserer Zeit wird bestätigt, daß die Tschi -Kung in der Lage waren, fliegende Wagen herzustellen, die bei gutem Wind große Entfernungen zurücklegen konnten.

„In der Zeit Tángs brachte Westwind einen solchen Wagen bis Jütschau, worauf ihn Táng zerbrach, weil er nicht wünschte, daß sein Volk ihn sähe. Zehn(!) Jahre später war Ostwind, dann ließ Táng einen anderen Wagen anfertigen und sandte die Besucher in ihr eigenes Land zurück, das 40 0000 Li (enspricht 21.921 km), vom Jümen Paß entfernt liegt.“

Diese Geschichte ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Zum einen betont sie in auffälliger Weise die Windabhängigkeit der „Luftwagen“. Bei diesen Konstruktionen kann es sich mithin keinesfalls um Fluggeräte im modernen Sinn oder gar um solche außerirdischen Ursprungs gehandelt haben, wie einige Forscher vermuten. Vielmehr drängt sich der Gedanke, bei den „Windwagen“ könnte es sich um eine Kombination aus Gleitflugzeug und Heißluftschiff handeln, geradezu auf. Der Vergleich mit den vorstehend beschriebenen Kampfdrachen liegt daher nahe. Möglicherweise übernahmen die antiken Chinesen von den Tschi -Kung die Kunst des Luftschiffbaus. Darauf deutet der Hinweis, Kaiser Táng habe nach zehnjährigem Aufenthalt der Tschi-Kung für seine Gäste (oder Geiseln?) einen neuen Wagen anfertigen lassen, um sie in ihr Heimatland zurückzubefördern.

Eine weitere Besonderheit dieses Berichtes liegt in der Tatsache, daß die Heimat der Tschi-Kung von den Chinesen im Westen, also in Europa lokalisiert wird. Dies bestätigt auch das chinesische Werk „ Po-wü-tschi“ aus dem 3. Jahrhundert unserer Zeit. Dort heißt es:

„Zur Zeit Tángs (1760 v.u.Z.) brachte der Westwind einen solchen Wagen bis Jütschau (Honan), worauf T´ang ihn zerbrach, da er nicht wünschte, daß sein Volk ihn sähe“.

Interessanterweise finden sich auch im europäischen Raum, speziell in der legendenumwobenen Gebirgswelt der Dolomiten  Sagen und Berichte über ein „fliegendes Volk der Einarmigen“, das den Tschi-Kung verblüffend ähnelt. Der Südtiroler Volkstumsforscher und Heimatdichter Karl Staudacher hat die Einarmigen in seinem „Faneslied“ besungen, Karl Felix Wolff in seinen berühmten Dolomitensagen über sie geschrieben.

So heißt es, daß das Geschlecht der Fanis über ein mächtiges Reich hoch droben im Gebirge gebot. Die Sagen berichten, daß ihr Schloß in der öden Wildnis der Fanesalpe gestanden habe, gerade gegenüber der Berglücke von St. Kassian. Die Fanis hätten jedoch Krieg geführt gegen andere Bervölker und darüber sei alles zugrunde gegangen.

Im Jahr 1953 fand der Bozner Archäologe und Ingenieur Dr. Georg Innerebner tatsächlich in den Steinwüsten der Fanesalpe in mehr als 2.600 m Höhe die Überreste prähistorischer Kultur:

„Gleich dem Geleise einer Grottenbahn hebt sich aus dem infernalisch wirkenden Steintrümmerfeld ein kreisbogenförmiger Steinwall von rund 50 m Länge, einigen Metern Höhe und im Mittel vier Metern Kronenbreite heraus. Unschwer läßt er sich in seinem unter den Steintrümmern verborgenen Teil zu einem Kreiszug von rund 60 m Durchmesser beziehungsweise  200m Umfang ergänzen, der insgesamt eine Fläche von 3000qm einschließt und in seiner Mitte , wie es scheint, einen heute zu einer Kuppe zusammengestürzten Zentralbau getragen hat. Oberflächliche Schürfungen auf der Wallkrone, im Sattel und auf der Kuppenhöhe des Burgstalls ergaben typische Brandherde und Scherbenstücke grober Ausführung, deren Zeitbestimmung mangels charakteristischer Merkmale nicht möglich ist, aber späte Bronze- oder frühe Hallstattzeit (1000 bis 800 v.u.Z.) vermuten läßt.“

Möglicherweise hat das sagenhafte Fanis-Reich tatsächlich existiert. In den Legenden wird berichtet. daß die Fanis bei ihren Kämpfen gegen die Übermacht der benachbarten Bergvölker auf mächtige Verbündete zählen konnten: auf das Volk der fliegenden Einarmigen. Als dann der Kampf um die Heimat der Fanis um den Berggipfel „Futya dai Fers“ ausgetragen wurde und die Fanis der gegnerischen Übermacht zu unterliegen drohten, griffen die fliegenden Verbündeten tatsächlich in das Kampfgeschehen ein.

„Bei Sonnenuntergang erschienen dann plötzlich die Einarmigen; in Adlerkleidern kamen sie aus den Lüften herab – jeder ein Schwert in der Hand – und stürzten sich auf die Feinde der Fanis“.

Wer die fliegenden Einarmigen wirklich waren und woher sie kamen, wird sich mit letzter Sicherheit erst dann klären lassen, wenn neue Befunde, insbesondere ärchäologischer oder philologischer Natur, auftauchen sollten.

Bislang läßt sich noch nicht einmal die Frage eindeutig beantworten, ob es sich bei den Tschi – Kung und den fliegenden Einarmigen der Fanes-Sage um ein und dasselbe Volk handelt, obwohl zahlreiche Indizien für eine solche Interpretation sprechen. Sollte dem in der Tat so sein, dann gäbe es zumindest die historisch interessante Tatsache eines antiken Kultur- und Technologietransfers von Europa nach Asien.

Natürlich ist damit die Identität und Herkunft der fliegenden Einarmigen noch längst nicht geklärt. Momentan erscheint es als eine bloße Frage der Interpretation, ob man ihre Heimat im mediterranen Raum, in Südwesteuropa oder gar jenseits des Atlantiks ansiedelt. Hier eröffnet der sich zur Lösung dieses Rätsels ein weites und durchaus spannendes Forschungsfeld für Archäologen und Historiker ebenso wie für interessierte Amateurforscher, zu denen sich auch der Autor zählt, der im nächsten Jahr während einer Expedition nach West- und Zentralchina versuchen wird, den Schleier des Geheimnisses zu lüften, der über der Geschichte des Volkes der Tschi –Kung liegt.

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Über Thomas Ritter 110 Artikel
Thomas Ritter, 1968 in Freital geboren, ist Autor und freier Mitarbeiter verschiedener grenzwissenschaftlicher und historischer Magazine. Thomas Ritter hat zahlreiche Bücher und Anthologien veröffentlicht. Außerdem veranstaltet er seit mehr als zwanzig Jahren Reisen auf den Spuren unserer Vorfahren zu rätselhaften Orten sowie zu den Mysterien unserer Zeit. Mit seiner Firma „Thomas Ritter Reiseservice“ hat er sich auf Kleingruppenreisen in Asien, dem Orient, Europa und Mittelamerika spezialisiert. Mehr Informationen auf: https://www.thomas-ritter-reisen.de Nach einer Ausbildung zum Stahlwerker im Edelstahlwerk Freital, der Erlangung der Hochschulreife und abgeleistetem Wehrdienst, studierte er Rechtswissenschaften und Geschichte an der TU Dresden von 1991 bis 1998. Seit 1990 unternimmt Thomas Ritter Studienreisen auf den Spuren früher Kulturen durch Europa und Asien.