Da ich zu denen gehöre, die – von Mariam Lau am Schluss ihres Buches ausgewiesen – ihr Manuskript über Friedrich Merz mit einigen Hinweisen versehen haben, bin ich vielleicht nicht geeignet, es nun auch noch zu rezensieren. Das hält mich allerdings nicht davon ab, es nachdrücklich zu empfehlen.
Denn es ist das Beste, was ich bislang über den neuen Bundeskanzler gelesen habe. Mariam Lau hat keine Biografie geschrieben, sondern ein grosses Porträt, vielleicht auch eine Art Gebrauchsanweisung zum Verständnis dieses Politikers.
Sie analysiert seine Fehler und forscht den Wurzeln seines politischen Weges nach, des Europapolitikers und „begeisterten Modernisten, im technologischen Sinn. Fusionsreaktoren, Kohlenstoff-Verklappung im Boden, Raumfahrt, mRNA-Impfstoffe – der CDU-Chef ist ein enthusiastischer Anhänger der Idee, gerade ein rohstoffarmes Land wie Deutschland müsse viel mehr Wachstum aus seinem Erfindungsreichtum schöpfen. Merz sieht, anders als andere konservative Politiker, die Klimakrise, leugnet den Klimawandel nicht und nimmt ihn ernst. Aber alles, was in Richtung Weltuntergangsdiagnose geht, ist ihm ein Graus“
Mit kritischer Distanz, aber unvoreingenommen, lässt sie ihre Leserinnen und Leser an ihrem eigenen Bemühen teil nehmen, ihn zu verstehen. Eine solche Mischung ist eher rar in der deutschen Publizistik, grundsätzlich sowieso, aber bei Merz erst Recht, denn er polarisiert und trägt selbst dazu bei. Anders als viele Rechte und Linke, die auf ihre vertraute und bequeme Front zwischen einander nicht verzichten mögen, arbeitet Mariam Lau heraus, worin Merzens vielleicht historische Bedeutung besteht: Während europaweit die Mitte schwindet, setzt Friedrich Merz darauf, sie zu erhalten und wieder zum Zentrum politischen Handelns zu machen:
„Merz ist ein Konservativer in einer Ära der Autoritären, der sich den Titel »konservativ« immer wieder neu verdienen muss, weil er ihn gelegentlich verspielt. Ein Konservativer, der mit der gleichen Energie Institutionen schützen und einen Aufbruch bewältigen muss. Die Größe seiner Aufgabe steht ihm dennoch klar vor Augen. Das deutsche Geschäftsmodell mit der billigen Energie aus Russland, dem chinesischen Absatzmarkt und der amerikanischen Sicherheitsgarantie ist vor die Wand gefahren. Die regelbasierte internationale Ordnung liegt in Scherben, Militärexperten nennen die aktuelle Phase »Vorkriegszeit«. »Wir wollen und wir werden den Wandel in der Welt für Deutschland mitgestalten«, hatte Merz zur Vorstellung des Koalitionsvertrags gesagt. »Die politische Mitte ist in der Lage, Probleme zu lösen.“

Merz: Auf der Suche nach der verlorenen Mitte | Ein Konservativer im Zeitalter der Autoritären Gebundene Ausgabe – 23. Mai 2025
von Mariam Lau
