Als Japan noch idyllisch war

Heines Mitarbeiter Mühlig schuf diese Skizze vom „Theegarten in Omori“ Mitte 19. Jh. nach Fotografien. Foto: Hans Gärtner

In München dürfte der vor knapp 200 Jahren in Dresden geborene Kunstmaler und Reiseschriftsteller Bernhard Peter Wilhelm Heine kein Unbekannter sein. Sein zwischen 1873 und 1875 veröffentlichter Folioband „Japan. Beiträge zur Kenntnis des Landes und seiner Bewohner“ hielt das traditionelle Japan vor 1868 in Skizzen und Impressionen fest. Sie wurden nach Gemälden von Heine und vier seiner Mitarbeiter geschaffen – in Grisaille-Technik mit wunderschön changierenden Grautönen. Jeweils zehn Abbildungen gehören den Bereichen Religion, Geschichte, Ethnologie, Naturgeschichte und „Ansichten“ an.

Von Juli bis Oktober 1883 konnten die Münchner die drei angeblich von Heine selbst gefertigten Japan-Gemälde bei der 3. Kunst-Ausstellung im Kgl. Glaspalast bewundern. Heines Tochter Katherine lernte den Junior-Chef der Münchner Galerie Hanfstaengl kennen, den sie heiratete. Unter den zahlreichen Abonnenten des gewichtigen Heine-Folio-Bandes war König  Ludwig II. Sein Exemplar ist verschollen. Heine war drei Jahre tot – da schenkte Heines Schwiegersohn, inzwischen Hoffotograf, den Folioband der Kgl. Ethnographischen Sammlung in München. Vielleicht war es Wilhelm Heines Privatexemplar.

Mit „Sehnsucht Japan“ war die bereits 2021/2022 als Sonderausstellung gelaufene Heine-Bilder-Schau bezeichnet – und unter diesem Titel behält man sie nun im Museum Fünf Kontinente in der Dauerausstellung bei. Sie schließt sich im 1. Obergeschoss dem natürlich entschieden bunteren und daher auffälligeren Thema „Myanmar“ an, wo von Pagoden, Longyis und Nat-Geistern erzählt wird. Dass die meisten erwachsenen Museumsbesucher, den Schulklassen ähnlich, hier begeistert sind, ist nicht von der Hand zu weisen. „Sehnsucht Japan“ ist etwas für Feinschmecker. Sie werden nicht enttäuscht; lernen sie doch das schöne alte Japan auf schönen alten Bildern kennen. Sie idealisieren den fernöstlichen Inselstaat auf zauberhafte Weise. Bewohner, Landschaft, Festivitäten, Aufstände, Brauchtum, Architektur, die Fauna und Flora des alten Japan werden lebendig.

Aus dem Bereich „Ethnologesches“ schauen wir den „Theegarten in Omori“, geschaffen vom Genre- und Landschaftsmaler Bernhard Mühlig (1829 – 1910) genau an. Ihn zog Wilhelm Heine als Mitarbeiter wegen seiner nach einem Schlaganfall beeinträchtigten Situation ebenso zu wie Bruder Meno, Guido Hammer und Ludwig Albrecht Schuster. Das Teehaus zum Pflaumengarten des Dorfes Omori nahe Edo, dem heutigen Tokio, mit seinen weitläufigen Hallen für Reisende niederer und höherer Stände, aber auch den sich hier scharenweise aufhaltenden Wasservögeln am See liebte Heine besonders. Hier, so schreib er, „genoss ich … die Delicatessen japanischer Kochkunst, bedient von einer Anzahl jugendlicher Aufwärterinnen, welche nicht selten einen besonderen Leckerbissen von Fisch mit ihren kleinen Holzstäbchen dem Gast zwischen die Lippen schoben“. Heute erinnert nur mehr ein kleiner Park an dieses längst vergangene Idyll. Mehr über dieses und alle anderen 28 Exponate liest der Besucher in einer ausliegenden Broschüre, die im Museumsshop zu erwerben ist.

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.