TikTok und mehr – Wo China inzwischen technisch dominiert

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Der amerikanische Kongress hat diese Woche mit großer Mehrheit gegen den Markt votiert. Was 170 Millionen TikTok-Nutzern in den USA Spaß macht, hat den Argwohn der Politik erregt, weil hinter dem erfolgreichen Medienunternehmen TikTok die chinesische Mutterfirma ByteDance steht. Damit könnten Nutzerdaten abgesaugt und zu Spionage- und Manipulationszwecken nach China weitergeleitet werden. Das Datensammeln, womit Facebook, Instagram, Messenger, LinkedIn und andere seit vielen Jahren Milliarden verdienen, darf dem autoritären China nicht erlaubt werden. TikTok ist übrigens auf den steuerfreundlichen Cayman Inseln registriert und wird aus Singapur und Los Angeles verwaltet. ByteDance soll TikTok durch einen Verkauf an amerikanische Investoren neutralisieren, ist aber selbst auch keine typische chinesische Staatsfirma, denn internationale Investoren sind mit 60 Prozent an dem Unternehmen beteiligt. Dass TikTok zu einem Thema der nationalen Sicherheitspolitik der USA werden konnte, liegt weitgehend an den China-kritischen Strömungen der letzten Jahrzehnte und dem unaufhaltsamen Aufstieg der chinesischen Wirtschaft. Die amerikanischen Besorgnisse werden inzwischen auch in Deutschland geteilt. Abkoppeln, die technischen Abhängigkeiten reduzieren und die Handelsbilanz ausgleichen sind die Schlagworte der Politik. Die Wirtschaft reagiert pragmatischer und möchte auf die Gewinne ihrer China-Geschäfte nicht verzichten. Für die Energiewende wird es ohne China ohnehin kaum gehen.     

Windenergie

Der Anfang März vom Bundesrechnungshof veröffentlichte “ Sonderbericht zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit der Stromversorgung“ hat nur relativ kurz Wellen geschlagen. Minister Habeck reagierte unwirsch auf den Vorwurf, dass die Umsetzung der Energiewende zu langsam sei und konterte, dass man doch immer schneller vorankomme. Dabei ist überall nachzulesen, dass oft genug „grüner“ Strom weder aus dem windigen Norden in ausreichenden Mengen in Deutschlands Süden weitergeleitet werden noch zwischengespeichert werden kann. Installiert sind bereits potenzielle 11 Gigawatt, falls es ausreichend Wind gibt, bis 2030 sollen es 30 Gigawatt sein, bis 2045 dann 70 Gigawatt. So ist es im Windenergie-auf-See-Gesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck geplant, aber die Zielerreichung wird neben Kapazitäts- und Finanzgründen auch dadurch erschwert, dass die Lebensdauer der Anlagen nur auf 20 bis 25 Jahre geschätzt wird und deshalb ständig alte Anlagen ersetzt werden müssen. Zusammen mit den Anlagen im weniger windigen Binnenland sind in Deutschland bereits 66 Gigawatt Windenergieanlagen installiert und tragen bis zu 27 Prozent zur Bruttostromerzeugung bei.

Die Technik und die Mechanismen der Strommärkte sind zu komplex, um für jeden Verbraucher nachvollziehbar zu sein. Deshalb gehen die Debatten, auch in den Medien, leicht in Richtung Ideologie oder den Glauben an die Energiewende. Inzwischen haben die hohen Strompreise allerdings auch Ängste geschürt, dass Politik und Industrie die Mammutaufgabe nicht schnell genug bewältigen können, um den rapide zunehmenden Strombedarf durch Wärmepumpen, E-Autos und Internet plus Datenspeicher sicherzustellen. Allein der Ausbau von Windparks in der Nord- und Ostsee und der Stromtrassen nach Süden liegt weit hinter den Zielen der Bundesregierung zurück. Nach Prognosen der Bundesnetzagentur wird sich der Strombedarf bis 2037 auf 1000 Terawattstunden verdoppeln. Für den Stromtransport müssten dafür allein die Fernleitungen für Starkstrom um 14.000 km ausgebaut werden.

Wie steht es mit der Windkraftnutzung im Ausland? Der Vergleich Deutschland-China ist nicht einfach, schließlich ist China rund 27-mal grösser und hat 17- mal mehr Einwohner. Aber den in Deutschland installierten 66 Gigawatt stehen in China 495 Gigawatt gegenüber, bis 2029 sollen es 863 werden. Mit dem rasanten Ausbau in den letzten Jahren hat China auch eine dominante Position auf dem Weltmarkt für Windkraftanlagen erreicht, schon 2020 waren es 58 Prozent. Nach den vom Global Wind Energy Council veröffentlichen Zahlen für 2023 und die Schätzungen für dieses Jahr dominiert China den Weltmarkt so weit, dass es Offshore jeweils mehr Anlagen produziert als der Rest der Welt zusammen und Onshore mehr als doppelt so viele. Ohne China kann der geplante Ausbau der Windenergie nicht gelingen, weder in Deutschland noch im Rest der Welt.

Sonnenenergie

Und bei Solaranlagen sieht es ähnlich aus. Am 7. März berichtete der Korrespondent der New York Times in Peking, dass China allein 2023 mehr Solarkollektoren installiert hat als die USA bisher insgesamt. 2022 waren es bereits 329 Gigawatt, inzwischen dürften es 500 bis 600 Gigawatt sein. Zusätzlich wird der solar erzeugte Strom auch für die Herstellung des polykristallinen Siliziums genutzt, das für die Produktion der Solarzellen benötigt wird. Der NYT-Bericht fährt fort, dass praktisch alle Vorprodukte und Komponenten für die Produktion von Solarpaneelen aus China kommen. Damit geht auch in der Solarindustrie kein Weg mehr an dem Marktführer China vorbei und das Lamento aus Brüssel, dass China mit seinen Subventionen und niedrigen Löhnen die europäische Solarindustrie ruiniert hätte spielt am Weltmarkt keine Rolle. So ähnlich klang es nämlich schon Ende der 1950er Jahre, als japanische Nähmaschinen den deutschen Markt aufrollten und japanische Qualitätsprodukte dann auch den Elektronikmarkt übernahmen.

China hat insgesamt eine clevere Industriepolitik betrieben, in Bildung investiert, Studenten und Forscher nach Europa und in die USA geschickt, von dort Fachkräfte und Investitionen angeworben, aber am Ende das Know-how selbst weiterentwickelt. Die dynamische Entwicklung der letzten Jahre ist in vielerlei Hinsicht atemberaubend und zieht alle technischen Register. Die South China Morning Post aus Hongkong berichtet gerade, dass das weltweit größte, 45.000 km lange Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz mit Hilfe eines KI-Systems gesteuert und überwacht wird, das Fehler anzeigt und notwendige Reparaturen anmahnt, bevor es zu Problemen kommt.

Die rund 5000 Parlamentarier und Delegierten des gerade zu Ende gegangenen Volks- und Parteikongresses in Beijing haben u.a. beschlossen, die weitere wirtschaftliche Entwicklung durch eine konsequente Modernisierung zu beschleunigen. Das Schlagwort von Präsident Xi Jinping dazu, „neue qualitative Produktivkräfte“, wird als Überwindung traditioneller Wachstumsmodelle interpretiert, die durch Hochtechnologie, Qualität und Effizienz erweitert werden sollen. Ein Blick in die Webseiten von Aliexpress zeigt ebenso wie die E-Autos, die auf den deutschen Markt drängen, was jetzt schon zu haben ist und zu welchen Preisen. Flankiert wird der angestrebte Wachstumsschub der chinesischen Wirtschaft in diesem Jahr durch eine Aufstockung des Budgets für Forschung und Entwicklung um 51,5 Milliarden auf 1,46 Billionen US-Dollar. Das sind 12-mal mehr als die rund 120 Milliarden der traditionell gut ausgestatteten deutschen Forschung, die entscheidend zum bisherigen Wirtschaftserfolg beigetragen hat.

 China und wir

Auch in Deutschland hat China keine gute Presse, zwar nicht so alarmistisch wie in den USA und als nationales Sicherheitsrisiko und militärische Bedrohung, aber zunehmend kritisch. Der Volkskongress, dessen Doppelsitzung vorige Woche zu Ende gegangen ist, wird ausgerechnet vom Handelsblatt als Scheinparlament kritisiert, als wenn die Regierungsform für die Wirtschaftsverbindungen jemals ein Hindernis gewesen wäre. Die deutsche Autoindustrie ist immer noch weitgehend von Export und Fertigung in China abhängig und würde erheblich ins Schlingern geraten, wenn dieser Großkunde ausfiele. Solange Sanktionen, Strafzölle und Embargos wenig Wirkung zeigen und im Welthandel leicht umgangen werden können, sollte sich die Wirtschaft nicht zu sehr von der Politik vorschreiben lassen, wo sie gewinnbringend investiert und mit wem sie Handel treibt. Die Annahme, mit „Wandel durch Handel“ Demokratieförderung betreiben zu können, ist gescheitert wie die „Dritte Welle“ der Demokratisierung versandet ist. Und als Vorbild politischer Vernunft eignen sich die westlichen Demokratien leider auch nicht.

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