Mendelssohns englische Einflüsterer: Ein BR-Chorkonzert erster Güte brachte sie zur Sprache und zum Klingen

Sollte ein Kantor, egal ob katholisch oder lutherisch, außer über einen guten gemischten Chor über zwei vorzügliche Cellisten verfügen – eine Empfehlung: sich an Felix Mendelssohn-Bartholdys Fünfminutenstück „Verleih uns Frieden gnädiglich“ zu wagen. Wichtig sind für Martin Luthers appellative Nachdichtung der gregorianischen Antiphon „Da pacem, Domine“ neben den Solo-Celli ein kleines, romantisch gestimmtes Orchester und  Chorsänger, die auf Überschwang der Verkündigung von Glaubensinhalten verzichten.

Zu dieser Empfehlung regte der sich bescheiden gebende, allein in den beiden Celli  jubilierende Abschluss des BR-Chorkonzerts unter Leitung von Howard Arman im voll  besetzten Prinzregententheater an. Arman wollte sein Programm „Inspiring Mendelssohn“ nicht mit großer Geste enden lassen, sondern mit dem Bedenken der menschlichen Vergänglichkeit: „Es ist doch ja kein andrer nicht, / der für uns könnte streiten, / denn du, unser Gott, alleine“.

Der in London geborene Dirigent, Chorleiter und Komponist Howard Arman, der eben den Posten des Musikdirektors am Theater Luzern aufgab, nützte erfolgreich die sich ihm erneut gebotene Gelegenheit, mit dem BR-Chor zu arbeiten, um einmal Mendelssohns englische Einflüsterer zur Sprache zu bringen. Das heißt, Chorwerke Mendelssohns mit Einsprengseln seiner möglichen „Inspiratoren“ zu kombinieren: den beiden Wesleys (Samuel und Samuel Sebastian) und William Sterndale Bennett.

Die gewichtigen und ergiebigen Stücke stammen von dem in England seit der Aufführung seiner 1. Symphonie 1829 immer enthusiastischer gefeierten in Berlin lebenden Hamburger: „Singet dem Herrn ein neues Lied“, „Wie der Hirsch schreit“, „Non nobis Domine“ und die Hymne nach dem 55. Psalm „Hear My Prayer“. Bennetts Geistliche Kantate für Chor und Orchester bot Armans Ausschnitt aus seiner Orchestersatz-Rekonstruktion: nobel, zügig,  detailfreudig, werkdienlich – was für Armans Dirigier-Leistung insgesamt gilt.

Er hatte den in Aufstellung und Stimmpower flexiblen BR-Chor, der auch mit einem guten Solistenquintett (für S. S. Wesleys „The Wilderness and the Solitary Place“) aufwartete, das ihm ergebene Rundfunkorchester und drei Solisten zur Verfügung: die auf Innigkeit des  etwas angestrengt wirkenden Ausdrucks setzende Sopranistin Johanna Winkel, den entschieden zu wenig geforderten, bald am gleichen Ort Webers „Oberon“ singenden Tenor Julian Prégardien und den verlässlichen Bassbariton Kresimir Strazanac.

Wie erklärungsbedürftig Konzerte musikologischer Art und dieses Titels („Inspiring Mendelssohn“) sind, zeigte die starke Beteiligung am der Einführung durch Judith Kaufmann und Howard Arman im Gartensaal. Die Interpretation eines mit Sonnenbrille versehenen Mendelssohn-Porträts auf dem Programmheft-Cover blieb den Lesern selbst überlassen.

 

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Applaus des Dirigenten Howard Arman für „seine“ Solistin Johanna Win

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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