Bali – Magie im Paradies

Schwarzmagier, Geister und Dämonen auf der Insel der Götter

Bali. Bild von David Mark auf Pixabay.

Wer seine Urlaubstage auf Bali mit den Einheimischen verbringt, und aufrichtiges Interesse an ihrer Kultur zeigt, wird recht schnell mit Dingen in Berührung kommen, die dem rational geprägten Weißen zumindest ungewöhnlich, wenn nicht gar unglaublich dünken. Auf Bali wird, wie im gesamten indonesischen Archipel übrigens auch, bis zum heutigen Tag Magie praktiziert. Mächtige Brahmanen-Dynastien sind die Hüter der magischen Traditionen, die sich in Schwarz- und Weißmagier unterscheiden. Während als Zentrum der schwarzen Magie der Ort Sanur an der südöstlichen Küste Balis gilt, ist das Zuhause der Weißen Bruderschaft die Stadt Gyanyar im bergigen Nordosten der Insel. 

Diese Verteilung der Einflußsphären mag dem balinesischen Volksglauben geschuldet sein. Demzufolge hausen Dämonen und böse Geister im Meer und an der flachen Küste, während das Bergland, und insbesondere die hohen Vulkankegel der Insel, den Göttern und guten Geistern vorbehalten ist. Zwischen beiden Parteien tobt von Ewigkeit zu Ewigkeit ein unerbittlicher spiritueller Kampf, den allerdings keine der beiden Seiten jemals gewinnen kann. Um die Welt im Gleichgewicht zu halten, bedarf es der hellen ebenso wie der dunklen Kräfte. Die Balinesen wissen dies, und ehren beide Seiten mit täglichen Opfern.

Nach dem Glauben der Balinesen muß jemand, der die Weiße Magie beherrschen lernen will, um als Heiler oder Pedanda Menschen zu helfen, zunächst einmal die Schwarze Magie erlernen. Diese verleiht dem Novizen bereits innerhalb kurzer Zeit außergewöhnliche spirituelle und magische Kräfte. Daher ist es kein Wunder, dass viele Studenten der magischen Künste es beim Studium der schwarzen Magie belassen. Ihre Anwendung verleiht Macht über die Mitmenschen und soziales Prestige im Alltag.

Diese Schwarzmagier, egal ob Frauen oder Männer, werden in Bali Leak genannt. Sie haben einen denkbar schlechten Ruf. Die Balinesen glauben, dass Leaks ihren Mitmenschen durch Schadenzauber Krankheiten anhexen oder sie sogar töten können. Auch über die Saaten und Nutztiere sollen sie unheimliche und schädliche Macht haben. So ist es ihnen etwa möglich, Reis auf dem Halm verfaulen oder Rinder und Wasserbüffel dahinsiechen zu lassen. Kein Wunder, dass jede Dorfgemeinschaft einem Leak in ihrer Mitte nicht nur mißtraut, sondern ihn vor allem auch gehörig fürchtet. Deshalb behandelt sie ihn mit ausgesuchter Höflichkeit, manchmal sogar regelrechter Ehrerbietung. Nur durch regelmäßige Opfer ist er zu besänftigen, und von seinem dunklen Tun abzuhalten. Ebenfalls kein Wunder also, dass es als Leaks verschrienen Zeitgenossen auf Bali zumindest materiell meist recht gut geht.

Wer ein Leak werden will, muß sich zunächst vollkommen der Hindu-Göttin Durga weihen. Durch Opfergaben und das Rezitieren geheimer Mantren wird der Wunsch bekundet, durch die Göttin magische Kräfte verliehen zu bekommen. Wer Mantren und Opferrituale vollkommen beherrscht, vollzieht um Mitternacht auf einem verlassenen Friedhof Durgas mystischen Tanz nach. Dann erlangt die betreffende Person die Fähigkeit, sich in einen Leak zu transformieren. Dies berichtet jedenfalls die Überlieferung.

Ein Leak kann seine Gestalt beliebig wandeln. So ist es ihm unter anderem möglich, die Gestalt eines Tieres, aber auch eines Motorrades oder Autos anzunehmen. Er kann aber ebenso als flammender Plasmoid erscheinen. In dieser Form wird er Endih genannt. 

Ich erinnere mich noch gut an eine merkwürdige Begegnung auf meiner ersten Reise nach Bali im Frühling des Jahres 2007. Damals entdeckte ich auf dem Heimweg vom Abendessen in einem Warung bei dem Dorf Penestanan eine seltsame, etwa fußballgroße Lichtkugel über den nachtdunklen Reisfeldern. Während ich noch meinte, das Lichtphänomen rühre von einem Scheinwerfer oder einer ähnlichen Lichtquelle her, wurden meine balinesischen Begleiter plötzlich unruhig. Sie rieten mir dringend, den Weg zu meiner Unterkunft möglichst rasch fortzusetzen. Inzwischen wurde mir klar, dass die Ursache des merkwürdigen Leuchtens kein Schweinwerfer oder eine andere bekannte Ursache war. Gab es hier auf Bali UFOs? Ich machte mit meiner Kamera einige Aufnahmen der rasch näher kommenden Lichtkugel. Dies gefiel meinen balinesischen Freunden nun überhaupt nicht. Unmissverständlich machten sie mir klar, dass ich mich in großer Gefahr befand, und nur in meinem Quartier sicher sei. Inzwischen war das merkwürdige Leuchten keine zehn Meter mehr entfernt. Die Lichtkugel pulsierte in einem regelmäßigen Rhythmus, ganz so, als würde sie atmen. Und dies tat sie auch! Von ihr ging ein Schnaufen und Röcheln aus, dass sich mir sämtliche Nackenhaare aufstellten. Nur zu gern folgte ich nun dem Rat der Einheimischen, und zog mich schleunigst in meine Unterkunft zurück. Erst später sollte ich von meinen balinesischen Freunden erfahren, dass ich wirklich und wahrhaftig einem leibhaftigen Leak begegnet war.

Geübte Leaks können nämlich prinzipiell jede denkbare Gestalt annehmen. In der Form eines wilden Tieres wird der Leak Pamoroan genannt. So erscheint er lediglich bei Nacht, wenn er auf Jagd geht, um seinen Opfern vampirhaft Blut und Lebenskraft auszusaugen, oder einfach nur einsame nächtliche Wanderer zu Tode zu erschrecken.

In der Form des Tluh können Leaks auch tagsüber in menschlicher Form auftreten. Ihr Gesicht ist dann unnatürlich aufgedunsen, die Augen haben einen abwesenden, starrenden Ausdruck. Es ist ratsam, um diese Form des Leaks einen möglichst großen Bogen zu machen, denn meist führen sie verborgen ein scharfes Messer mit, um ihre Feinde oder auch unschuldige Opfer durch einen blitzschnellen Stich in den Leib zu töten, um sich an deren Lebensenergie zu laben.

Erfahrene Leaks erscheinen in der Form des Tranjana, egal ob tags oder nachts. Diese Form ähnelt einem gestaltlosen, kaum sichtbaren, Grauen verbreitenden Schatten.

Zwischen den Leaks und den Magiern der Weißen Bruderschaft soll es auch immer wieder zu spirituell motivierten Kämpfen kommen. Der in einer solchen Auseinandersetzung Unterlegene erkrankt nach dem Duell und ist einem langsamen Tod geweiht.

Doch die Leaks sind nicht so schlecht, wie oft behauptet.

Leak zu sein, bedeutet, über ein bestimmtes spirituelles Wissen und damit verbundene Fähigkeiten zu verfügen. Diese Fähigkeiten lassen sich ähnlich einem Messer verwenden. Wir können damit Brot schneiden, oder unseren Nachbarn niederstechen. Dies hängt immer vom individuellen Charakter des Betreffenden ab. Ein Leak kann mit seinen Fähigkeiten Kranke heilen oder Gesunde töten. 

Dies hat nichts mit den volkstümlichen Legenden zu tun, die wissen wollen, daß Leaks auf ihren nächtlichen Ausflügen Schwangeren oder Neugeborenen das Blut aussaugen, um auf diese Weise ihre magischen Fähigkeiten zu stärken.

Es heißt, dass erfahrene weibliche Leaks sogar die Fähigkeit haben, sich in Rangda, die Hexenfürstin, zu verwandeln. In diesem Zustand können sie ebenfalls die Form eines Affen mit goldenem Gebiß, einer gigantischen Ratte oder eines Riesen annehmen. 

Rangda hat eine außergewöhnlich lange Zunge und wolfsähnliche Reißzähne. Ihr ewiger Widersacher ist der Barong, ein mythischer Drache. Er symbolisiert die Kräfte der Ordnung und des Guten. Barong und Rangda stehen sich als Repräsentanten von Gut und Böse in der balinesischen Mythologie gegenüber. 

Der Begriff Leak bezeichnet jedoch nicht nur den momentanen Zustand eines Magiers. Ilmu Leak wird eine uralte spirituelle Wissenschaft genannt, die von den Vorfahren der heutigen Balinesen überliefert wurde. Es bedarf eines starken Willens und großer Ausdauer, um sich dieses Wissen anzueignen. Niedergelegt ist der Ilmu Leak in antiken Manuskripten, die auf den getrockneten und entsprechend präparierten Blättern der Rontal Palme (Borassus labelliformis) eingeritzt sind. Ilmu Leak wird beschrieben als eine geheime Wissenschaft, um sich schwarzmagischer Attacken und negativer Energien sowie böser Geister zu erwehren. In früheren Zeiten war es nur den Brahmanen und den Angehörigen der balinesischen Aristokratie gestattet, diese Manuskripte zu studieren. Ilmu Leak kann daher als die besondere Kunst eines magischen Schutzes beschrieben werden.

Im konträren Gegensatz dazu steht die Kunst des Nerangjana Teluh. Mit diesem Schadenzauber soll es möglich sein, an Feinden Rache zu nehmen, sowie mehr Macht und Einfluß auf Kosten anderer zu erlangen.

Im Gegensatz dazu steht das bereits erwähnte Ilmu Leak, welches letztlich auch die Suche nach Erleuchtung durch das Studium überlieferter magischer oder heiliger Texte einschließt. In der balinesischen Schriftsprache gibt es keine Entsprechung für Leak. Wohl aber finden sich hier die Begriffe “liya, ak”, welche die “fünf Charaktere” bedeuten, und dafür stehen, auf spirituelle Weise dem menschlichen Körper Energie zuzuführen oder zu entziehen.

Diese fünf Charaktere sind Si, Wa, Ya, Na, Ma.

– Si reflektiert Gott

– Wa ist die Segnung

– Ya steht für den Geist

– Na bedeutet jene Kraft, welche die Intelligenz beschützt

– Ma steht für das Ego, welches die menschliche Seele gefangen hält.

Die Macht der in den alten Manuskripten beschriebenen Charaktere soll letztlich die Studenten dieser geheimen Wissenschaften zu außerkörperlichen Erfahrungen und Astralreisen befähigen. Dieser Zustand wird “Ilmu Rogo Sukmo” genannt, und ist für viele Balinesen der Grund, sich mit Ilmu Leak zu beschäftigen. Die Endih genannten Lichterscheinungen sind demnach Manifestationen von Astralreisenden.

Doch nicht nur Leaks bevölkern die spirituellen Sphären Balis. Da gibt es auch noch „Ahnen“, genannte Geister, welche bestimmte Plätze beschützen. Am ehesten kann man sie mit dem „Genius Loci“ der abendländischen Mythologie vergleichen. Wie real solche Ahnengeister sind, mag ein Beispiel aus Sanur belegen. Dort wurde 1963 das Hotel „Grand Bali Beach Resort“ als eines der ersten Luxusresorts der Insel errichtet. Es ist der – glücklicherweise – einzige Hochhausbau auf Bali, ein unförmiger Klotz, errichtet aus japanischen Reparationsmitteln des 2. Weltkrieges, und wird daher von den Balinesen respektlos, aber treffend „Japans letzte Rache“ genannt. Im Jahr 1993 brannte das Hotel unter ungeklärten Umständen fast völlig aus. Weder Gäste noch Angehörige des Personals kamen dabei zu Schaden. Bei den Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten stellte sich heraus, dass die gesamte Inneneinrichtung des Hotels vom Feuer verzehrt wurde – mit Ausnahme des Zimmers 327. Hier war zwar die Eingangstür ein wenig angekohlt, das Zimmer aber samt Einrichtung blieb vom Feuer komplett verschont. Nach dem Wiederaufbau des Hotels wurde das Zimmer in einen Schrein umgewidmet, der dem „Ahnen des Ortes“ geweiht ist. Der Ahne wird bis heute bedient wie ein exklusiver Hotelgast. Er erhält Frühstück, Lunch und Dinner direkt aufs Zimmer gebracht, nicht zu vergessen, auch den Fünf-Uhr-Tee samt Gebäck. Das Zimmer 327 kann jeden Donnerstag oder nach Voranmeldung besichtigt werden.

Leaks, Geister und Dämonen sind bis heute allgegenwärtig auf dieser Insel der Götter, dem paradiesischen Eiland im indonesischen Archipel.

Anders als im Westen gelten in hinduistischen Kulturen Wissenschaft und Religion nicht als ausgeprägte Gegensätze. Sie werden vielmehr als zwei verschiedene, einander ergänzende Wege auf der Suche nach Wahrheit und Erkenntnis angesehen. In der hinduistischen Wissenschaft hängt das Verständnis der äußeren Wirklichkeit untrennbar vom Verständnis des Göttlichen ab. Ganz besonders gilt das hier Gesagte für Systeme, die im Westen als „Pseudowissenschaft“ oder noch schärfer formuliert „Aberglauben“ abgetan werden. Die Astrologie etwa ist im Abendland trotz zahlreicher zutreffender Vorhersagen immer noch eine vielfach bespöttelte Außenseiterdisziplin. In Indonesien und speziell auf Bali dagegen wird die Zukunftsdeutung nach wissenschaftlich anmutenden Kriterien betrieben. Ein Horoskop zeigt nach Auffassung der Jyotir-Astrologen bei entsprechender Berechnung mit exakter Genauigkeit die Verteilung der Wirklichkeitsbausteine an, aus denen sich das Leben eines jeden Menschen im einzelnen zusammensetzt. Das Horoskop läßt also sichtbar werden, welche dieser „Bausteine“ etwa in Form von Talenten, Neigungen und Veranlagungen mit in das Leben gebracht werden, und welche es noch durch entsprechende Erfahrungen noch zu erwerben gilt. Es zeigt sogar die Art und Weise des Handelns oder Geschehens an, das die noch ausstehenden Erfahrungen erst ermöglicht. In einem solchen Horoskop sind Ausgangspunkt und Finalität eines Lebens vereint. Das Horoskop, welches für den Zeitpunkt der Geburt eines Menschen erstellt wird, beinhaltet die „Lebensformel“ der betreffenden Person. 

Jedoch bildet das Horoskop nicht die einzige Variante der Zukunftsschau in Bali. Es gibt noch eine andere Möglichkeit – den Besuch der Lontar- oder Schicksalsbibliothek. Die Urschriften der dort aufbewahrten Palmblätter wurden von einer Gruppe mythologischer Wesen, den Rishis, verfaßt, die etwa 5000 v. Chr. gelebt haben sollen. Der Überlieferung zufolge nutzten die Rishis ihre außergewöhnlichen spirituellen Fähigkeiten dazu, aus der Akasha-Chronik, einem auch als „Weltgedächtnis“ bezeichneten, kosmischen Informationsfeld, die Lebensläufe von mehreren Millionen Menschen zu lesen, und sie schriftlich auf den getrockneten Blättern der Stech- oder Lontarpalme zu fixieren. Das gesamte Leben dieser Menschen, von der Geburt bis zum genauen Zeitpunkt ihres Todes, wurde auf den Palmblättern in Alt-Javanisch („Kawi“) – einer Sprache, die heutzutage nur noch wenige Eingeweihte beherrschen – in eng geschriebenen Zeichen eingeritzt. Ein solches Palmblatt überdauert im Normalfall etwa 800 Jahre. Wenn es alt und brüchig geworden ist, wird eine Abschrift des Textes auf einem neuen Palmblatt angefertigt. Es soll der Rishi Agasthya gewesen, der diese Schicksalsbücher auf seinen Reisen schließlich auch nach Bali brachte. Ihm zu Ehren wurde ein Tempel errichtet, genannt Pura Luhur, welcher eine heilige Quelle bewacht. Einstmals war die Kunst des Lontarreadings auf Bali weit verbreitet. Doch heute gibt es hier nur noch eine einzige Schicksalsbibliothek.

Nach meinen Recherchen handelt es sich bei den sagenumwobenen Rishis höchstwahrscheinlich um die Überlebenden der Priesterkaste des infolge einer kosmisch bedingten Naturkatastrophe versunkenen mythischen Kontinents „Mu“. Dieser Kontinent soll nach den Recherchen der Forscher James Churchward und Robert Niven die Urheimat und erste Hochkultur der menschlichen Rasse gewesen sein. Die beiden Wissenschaftler lokalisierten den „verlorenen Kontinent“ im Gebiet des heutigen Pazifik. Wenn die Rishis den Untergang ihrer Heimat überlebt hatten, dann bestand die Möglichkeit, dass der Rishi Agasthya auf seinem Weg auch Bali besuchte und dort Schüler in die Kunst des Lontarreadings einweihte.

Die letzte Schicksalsbibliothek von Bali befindet sich in dem Ort Selat im Distrikt Gyanjar. Der Pedanda Ida Made Ngenjung liest nicht mehr von antiken Palmblättern. Er benutzt für seine Lesungen handgeschriebene Folianten, welche die jeweiligen Informationen enthalten. Das komplizierte Herstellen von Palmblattmanuskripten ist auf Bali inzwischen auch eine aussterbende Kunst, insbesondere seit der verhängnisvollen Eroberung der Insel durch die Holländer Ende des 19. Jahrhunderts. Den Massakern der Eroberer fielen vor allem die balinesischen Eliten zum Opfer. Mit ihnen starben auch große Teile des alten Wissens. Lediglich in dem von Bali Aga bewohnten Dorf Tenganan hat die Kunst der Anfertigung von Palmblattmanuskripten bis auf den heutigen Tag überdauert. Inzwischen beherrscht jedoch die Massenproduktion von Kalendern als Touristensouvenirs das Tagesgeschäft der einheimischen Handwerker.

Aus diesen Gründen entschloss sich bereits der Großvater des heutigen Pedanda, die Abschriften der alten Manuskripte handschriftlich in robusten, ledergebundenen Folianten niederzulegen. Sein Enkel ist heute immer noch mit dem Abschreiben des Bestandes der Bibliothek befasst. Dies vermittelt eine bescheidene Vorstellung vom Umfang der Sammlung des Ida Pedanda Gd. Pt. Ngenjung. Für das Auffinden der Information genügen hier die Angabe von Namen und Geburtsdatum. Die Information wird danach dem Besucher vorgelesen.

Pedanda Ngenjung trägt dabei den Text zunächst auf Balinesisch vor. Vorher muss er die Information aus dem Alt-Javanischen, das in seinem Ursprung dem Alt-Tamil Südindiens verwandt ist, in das heutige Balinesisch übersetzen. Mein Dolmetscher I Wayan Kasta schrieb die Übersetzung auf Balinesisch mit. Danach übertrug er den Text für mich mündlich ins Englische. Es ist dem Klienten freigestellt, die für ihn wichtigen Punkte selbst zu notieren oder das Lontarreading auf CD oder mittels Videokamera aufzuzeichnen.

Die Lesung untergliedert sich in mehrere Punkte. Sie beginnt mit einer Einleitung, in welcher die astrologischen Daten des Klienten unter Verwendung des balinesischen „Wuku“-Kalenders bestimmt werden. Danach werden aus diesen Konstellationen dem Ratsuchenden bestimmte Symbole zugeordnet. Dies sind ein Gottessymbol, ein Persönlichkeitssymbol, ein Tiersymbol, welches die Spiritualität des Betreffenden darstellt, sowie ein Pflanzen- und ein Vogelsymbol. Aus diesen Symbolen kann der Lontarleser Rückschlüsse auf den Charakter und das Karma des Klienten ziehen. Darauf aufbauend, werden zunächst eine oder mehrere vergangene Inkarnationen besprochen, welche Auswirkungen auf das jetzige Leben haben.

Dann berichtet Pedanda Gd. Pt. Ngenjung anhand des Textes von der Vergangenheit seines Klienten in diesem Leben. Die mitgeteilten Fakten können durch Rückfragen überprüft werden. Danach folgt die Schilderung charakterlicher Eigenschaften ebenso wie von Talenten und Fähigkeiten des Klienten. Daraus leiten sich entsprechende Aufgaben ab, welche für die Gestaltung der Zukunft des Ratsuchenden wichtig sind. Das künftige Leben des Klienten wird in Abschnitten von jeweils 6  Jahren bis hin zum genauen Todestag geschildert und erläutert.

Dabei symbolisieren Zahlen den Einfluss, dem das Leben des Klienten in den betreffenden Zeiträumen unterliegt. Die Ziffern 0 und 1 stehen für Stillstand oder Kontinuität auf einem niedrigen Niveau, während die Ziffer 7 als höchste verwendete Zahl die Erfüllung der Lebensaufgabe ebenso wie Glück, Gesundheit und Wohlstand verheißt. Sie bedeutet die „Geschenke der Götter“. Dieser Abschnitt des Lontarreadings dient vor allem dazu, noch unbewußte, brachliegende Fähigkeiten, die bereits in früheren Leben erworben wurden, für die Aufgaben in dieser Inkarnation nutzbar zu machen. Ein weiteres Kapitel des Readings ist der gesundheitlichen Verfassung des Klienten sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht gewidmet. Hier werden auch die Gegenmittel, etwa in Form bestimmter Meditationstechniken oder klassischer balinesischer Kräutermedizin zur Behebung bestehender oder künftig auftretender gesundheitlicher Probleme genannt. Danach wird noch einmal gesondert die Thematik Partnerschaft und Familie mit allen positiven und auch weniger günstigen Aspekten besprochen. Zum Abschluß des Readings erhält jeder Klient ganz persönliche Vorschläge für Opferzeremonien oder andere Handlungen, welche dazu bestimmt sind, bestehende Probleme aufzulösen, und künftig mögliche negative Einflüsse zu neutralisieren. Das Lontarreading von Selat ist recht umfangreich und dauert pro Person etwa eine Stunde. 

Die Informationen des Lontarreadings werden von insgesamt 1.050 spezifischen Charakteristika hergeleitet. Diese Zahl ergibt sich aus den dem Wuku System zugrunde liegenden Wochenrechnungen. Die Balinesen kennen eine Dreitageswoche, eine Fünf- und eine Siebentageswoche. Das bedeutet, wenn ein Mensch an einem bestimmten Wochentag geboren ist, werden ihm die dazugehörigen Merkmale zugeordnet. 

Da aber jedes Individuum sein ganz eigenes Karma in dieses Leben mitbringt, ergeben sich entsprechende Unterschiede bei den Lesungen und somit ein personalisiertes, individuelles Reading. Dennoch können auch die Informationen über das Karma einer Person aus dem Kalender und den damit verbundenen Symbolen hergeleitet werden. Das balinesische Wuku System dient damit nicht primär der Messung der Zeit, wie unser westliches Kalendersystem. Es markiert im Gegensatz dazu bestimmte Tage. Damit wird der Zeit im Wuku System eine eigene Qualität zugesprochen. Dies ist vergleichbar mit dem Kalendersystem, welches die Maya für ihre prophetischen Berechnungen benutzten. Dabei wird im Wuku Kalender die jeweilige Qualität des Tages durch die Angabe der Kombinationen der einzelnen Tagesnamen der verschiedenen Wochen bestimmt. Jeder Tag steht also für bestimmte positive oder negative Ereignisse bzw. Eigenschaften. Das balinesische Lontarreading greift demzufolge mit mathematischer Präzision auf ein System von kalendarischen Konstanten und Variablen zu, dass wir mit Recht als eine Art Schicksalsmatrix bezeichnen können. 

Diese Präzision eines Lontareadings vermag zu dem naheliegenden Schluß verleiten, die Zukunft sei weitgehend vorherbestimmt. Jedoch hat die Akasha-Chronik, welche in ihrer Eigenschaft als Weltgedächtnis den eigentlichen Grund für jegliche Zukunftsdeutung liefert, nicht ausschließlich deskriptiven Charakter. Sie gleicht vielmehr einer Art von virtuellem Speicher, der ständig Dinge und Ereignisse aufnimmt, die initialisiert oder verändert werden. Die Akasha-Chronik schreibt also den Ablauf der Ereignisse nicht unausweichlich vor. Es ist vielmehr möglich, mit ihr und den Voraussagen aktiv zu arbeiten. Die Zukunftsdeutungen sind ebenso wie die Akasha-Chronik selbst Hilfsmittel zur Klärung von Ursachen, die in der Vergangenheit liegen und sich in der Gegenwart auswirken oder sich erst noch möglicherweise in der Zukunft auswirken werden.

Die eigene Zukunft mittels des Lontarreadings zu kennen, bedeutet aber gleichzeitig auch, diese Zukunft beeinflussen zu können. Wenn es so etwas wie ein Geheimnis der Schicksalsbibliothek von Bali gibt, dann ist es dies – die Informationen aus den Lontar-Texten sind Beschreibungen unseres Lebens. Leben müssen wir unser Leben aber selbst jeden Tag aufs Neue. So schreiben wir schließlich das Buch unseres Schicksals. 

Für Balinesen sind nicht nur Leaks, Ahnen und die Schicksalsbibliothek Realität – neben der modernen, westlich geprägten Medizin existiert auf der Insel bis heute eine eigenständige Form des Heilens, die im besten Sinne des Wortes ganzheitlich genannt werden kann. Sie ist das Ergebnis einer mehr als anderthalb Jahrtausende andauernden Wechselwirkung zwischen den Erkenntnissen der urbalinesischen Bali Aga und dem Hinduismus. In dieser Weise wird sie von den traditionellen balinesischen Ärzten, den Balyans bis heute angewandt und in der örtlichen Fachliteratur beschrieben.

Eine solche Literatur existiert tatsächlich, wenn sie auch lange Zeit von den niederländischen Kolonialherren ignoriert und negiert worden ist. Sie besteht aus den sogenannten Lontar-Schriften. Es sind dies auf den getrockneten und entsprechend präparierten Blättern der Rontal Palme (Borassus labelliformis) eingeritzte Urkunden, die ein umfangreiches Material zum Studium der Geschichte, Kultur, Rechtswissenschaften, Verfassung, des Gottesdienstes und aller Bereiche des täglichen und Geisteslebens der Balinesen enthalten.

Ihre Entstehung verdanken sie hinduistischen und hindu-javanischen Einwanderern, die diese Art der Schreibkunst zur Bewahrung wichtiger Geistesgüter mitbrachten. Das Vorhandensein einer im Gegensatz zur benachbarten Insel Java erheblichen Anzahl von Lontars verdankt Bali wahrscheinlich dem Umstand, dass es von der islamischen Flut verschont blieb, welche im 15. Jahrhundert Java überschwemmte. Dadurch unterblieb hier die Zerstörung, der auf Java die meisten Lontarschriften anheim fielen.

Unter diesen Lontars gibt es eine ganze Anzahl, die sich mit der Medizin und ihren Grenzgebieten beschäftigen. Auch sie verdanken ihre Entstehung den bereits erwähnten Einwanderern, denn sie sind in der Anordnung und der Wahl des Stoffes ein Abbild indischer Schriften, und man kann unschwer die medizinisch-philosophischen Systeme des alten Indiens darin entdecken. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die balinesischen Schriften lediglich ein Abklatsch der indischen Originale wären. In ihnen finden sich auch recht viele original urbalinesische Bestandteile. Das traditionelle medizinische System der Balinesen besteht daher aus zwei Grundeinheiten:

  1. den urbalinesischen, sich größtenteils mit alt-javanischen Vorstellungen deckenden Auffassungen
  2. den importierten, hinduistischen und hindu-javanischen Anschauungen.

Die medizinischen Lontars werden in zwei Gruppen eingeteilt. Da gibt es die Usadas (Vorschriften, Rezepte, Arzneimittel) und dann die Tuturs (Lehren, Kommentare). Während die Usadas jedermann frei zugänglich sind, erfordert das Lesen der Tuturs spezielle Kenntnisse des Alt-Javanischen (Kawi). Außerdem gibt es darin zahlreiche symbolische oder geheime Ausdrücke, deren Sinn sich nur dem Eingeweihten erschließt. Nicht selten besteht ein medizinischer Lontar aus zwei Teilen – der Usada und der Tutur. Ein solches Lontarbuch überdauert im Normalfall zwischen 300 und 800 Jahre. Wenn es alt und brüchig geworden ist, wird eine Abschrift des Textes auf neuen Lontarblättern angefertigt.

Die bedeutendste medizinische Usada ist offenbar Budha kecapi, ferner werden noch Kalimo usada und Kalimo usadi genannt, welche grundlegende Angaben über die Herkunft der ärztlichen Wissenschaften, Vorschriften für das Verhalten des Arztes und Erläuterungen über das Wesen der Krankheiten enthalten. In hohem Ansehen stehen auch Usada sari und Dharma usada, die aber als Ableitungen aus den erstgenannten Werken charakterisiert werden. Jeder balinesische Arzt kennt diese hervorragendsten und wichtigsten medizinischen Schriften. Nach der Überlieferung sind die Usadas göttlichen Ursprungs. Die hinduistischen Götter Brahma, Vishnu und Iswara sollen sie einst geschaffen haben.

Manchmal wird auch der Rishi Kasyapa als Schöpfer der Usadas genannt. Er gehört zu den Sapta Rishis, den sieben Weisen oder Sehern der Vorzeit, welche bis heute in Indien und Bali als Kulturbringer verehrt werden. Kasyapa war der Arzt und Heiler unter den sieben Rishis. Auf ihn beziehen sich die balinesischen Ärzte noch heute. Sie werden Balyan usada, Heilkundige, genannt.

Sowohl Männer als auch Frauen können traditionell diesen Beruf ausüben. Ihr Wissen umfasst eine an das indisch-ayurvedische System angelehnte Kräuterheilkunde ebenso wie Kenntnisse der Energieübertragung und Geistheilung. Elemente der traditionellen chinesischen Medizin hingegen werden nur in äußerst geringem Umfang angewandt. In den traditionellen Lontars findet sich lediglich eine Schrift von zweifelhaftem Inhalt. Hier geht es vor allem um die Herstellung von Giften zwecks Schädigung oder Tötung von Mitmenschen. Glücklicherweise ist dieses Traktat den meisten Balinesen unbekannt.

Auch der nach dem Wuku System strukturierte altbalinesische Kalender spielt vor allem bei den Diagnosen der Balyan Usada eine entscheidende Rolle. Die Balinesen kennen eine Dreitageswoche, eine Fünf- und eine Siebentageswoche. Das balinesische Wuku System dient nicht primär der Messung der Zeit, wie unser westliches Kalendersystem. Es markiert im Gegensatz dazu bestimmte Tage. Damit wird der Zeit im Wuku System eine eigene Qualität zugesprochen. Dies ist vergleichbar mit dem Kalendersystem, welches die Maya für ihre prophetischen Berechnungen benutzten. Dabei wird im Wuku Kalender die jeweilige Qualität des Tages durch die Angabe der Kombinationen der einzelnen Tagesnamen der verschiedenen Wochen bestimmt. In der Fünftagewoche etwa tragen die Tage folgende Namen: umanis, paing, pong, wage und kliwon. Jeder Tag steht für bestimmte positive oder negative Ereignisse bzw. Eigenschaften. Diesen Umstand machen sich die Balyan usada zunutze. Insbesondere die Fünftageswoche wird von ihnen bei Diagnosen zu Rate gezogen, da hinter dieser Wocheneinteilung das fünfgliedrige Kosmogramm erkennbar ist. Die fünffache Gliederung der kosmischen Mächte bildet also die Basis der Diagnose, welche von ihrer fünffachen Erscheinungsweise in der Zeit die Daten ihrer Berechnung herleitet. Für die Diagnose bedeutet dies konkret, wie im folgenden aus dem pancawaratanya, dem „Orakel der Fünftageswoche“ zitiert:

Kommt am umanis jemand, der wegen einer Krankheit fragt, 

und kommt er aus dem N, dann stirbt der Kranke;

O, dann wird er gesund;

S, dann wird er gesund;

W, dann bleibt er krank.

Er ist einem Baum begegnet, der von einem Blitz getroffen worden ist. Das ist die Ursache seiner Krankheit. Es folgen Anweisungen für die Opferzeremonien zur Entsühnung.

Kommt am paing jemand, der nach einer Krankheit fragt, und kommt er aus dem

O, dann stirbt der Kranke;

S, dann wird er gesund;

W, dann wird er gesund;

N, dann bleibt er krank.

Er ist durch den sumpfigen Einfluß eines Naßreisfeldes verzehrt. Das ist die Ursache seiner Krankheit. Auch hier müssen Opfer gebracht werden.

Kommt am pon jemand, der wegen einer Krankheit fragt, und kommt er aus dem

S, dann stirbt der Kranke;

W, dann wird er gesund;

N, dann wird er gesund;

O, dann bleibt er krank.

Bei den Eltern liegt die Ursache seiner Krankheit. Sie müssen durch Opfer versöhnt werden.

Kommt am wage jemand, der wegen einer Krankheit fragt, und kommt er aus dem 

W, dann stirbt der Kranke;

N, dann wird er gesund;

O, dann wird er gesund;

S, bleibt er krank.

Eine „Einklemmung“ ist die Ursache seiner Krankheit. Die Einklemmung bedeutet eine Störung des natürlichen Energieflusses im menschlichen Körper durch energetische Blockaden. Diese können ihren Ursprung in einem Trauma, aber auch in der Anwendung von Schwarzer Magie haben. In diesem Fall sind ebenfalls Opferzeremonien erforderlich.

Kommt jemand am kliwon und fragt wegen einer Krankheit, und kommt er aus

N, dann stirbt der Kranke;

O, dann wird er gesund;

S, dann wird er gesund;

W, dann bleibt er krank.

Im Norden liegt die Ursache seiner Krankheit.

Soweit also die Diagnose nach dem „Orakel der Fünf Lehrer“.

Obwohl noch heute zahlreiche Balyan usada auf Bali praktizieren, ist es doch für den Fremden schwierig, während seines allgemein eher kurzen Aufenthaltes mit ihnen in Kotakt zu kommen. Die traditionellen Heiler üben ihre Kunst bescheiden, und ohne großes Aufsehen aus. Zu sehr wurden sie in den Zeiten der holländischen Kolonialherrschaft als Quacksalber und Scharlatane diffamiert, als dass sie heute ohne Weiteres Weißen ihre Dienste anbieten würden.

Ich hatte das Glück, auf meinen Reisen nach Bali die Bekanntschaft des inzwischen über achtzigjährigen Balyan usada Tschakorda Rai machen zu dürfen. Er praktiziert seit mehr als vierzig Jahren in der Nähe des Künstlerortes Ubud, und gehört zu den wenigen Balyans, die auch Weiße behandeln. Doch Tschakorda tut noch mehr – er gibt sein umfangreiches Wissen an ausländische Schüler weiter. Diese müssen jedoch bereit sein, eine längere Zeit, meist einige Monate, bei ihm zu leben und zu lernen. Der Grund für dieses ungewöhnliche Verhalten mag die Tatsache sein, dass bislang keines seiner neun leiblichen Kinder in Tschakordas Fußstapfen zu treten bereit ist. Wie überall, gehört auch auf Bali zum Beruf des Heilers eben auch die Berufung.

Tschakorda hat sich sein Wissen autodidaktisch durch die Lektüre der Usadas und Tutures angeeignet, eine medizinische Akademie oder gar Universität sah er nie von innen. Dennoch sind seine medizinischen Erfolge beeindruckend. Ich bin in den vergangenen Jahren mehrfach Zeuge geworden, dass er Menschen mit verschiedenen Leiden, von psychischen Problemen über quälende Rückenschmerzen bis hin zu Krebserkrankungen in fortgeschrittenem Zustand, erfolgreich heilte. Seine Diagnose stellt Tschkorda, in dem er zunächst bestimmte Meridiane und Energiepunkte an Kopf und Körper des jeweiligen Klienten untersucht. Danach prüft er mit Hilfe einer Art miniaturisierter Wünschelrute noch einmal die Meridiane an den Füßen seines Klienten. Aus den Reaktionen des auf diese Weise Untersuchten kann der Balyan auf mögliche Erkrankungen und / oder energetische Blockaden im Körper seines Klienten schließen. Während der Diagnose und des nachfolgenden Heilungsrituals steht Tschakorda Rai nach eigener Aussage mit den kosmischen Heilenergien des Universums in Verbindung. Er würde sich aber nie als Wunderheiler bezeichnen, sondern sieht sich eher als eine Art Medium, durch das die universelle Heilenergie auf den Erkrankten lindernd und heilend wirkt. Zumeist ist es dem Balyan möglich, auf diese Weise seinen Besuchern schon bei der ersten Sitzung zu helfen. In besonders schwierigen Fällen, etwa Krebsleiden oder Erkrankungen des Immunsystems, können mehrere Heilsitzungen erforderlich sein.

Wie die meisten guten und angesehenen Balyans ist Tschakorda Rai eine Persönlichkeit von ausgesprochen positiven Charaktereigenschaften. Er hat ein würdiges, freundliches Benehmen und verbindet mit angenehmer philosophischer Ruhe den Eindruck einer großen Menschenkenntnis. Gern ist er bereit, sein umfassendes Wissen zu teilen, und beantwortet mit großer Freundlichkeit die Fragen seiner Besucher. Als Bezahlung für seine Dienste akzeptiert Tschakorda Rai lediglich Spenden nach dem Gutdünken seiner Klienten. 

Es steht zu hoffen, dass auch die nachfolgende Generation junger Balyans mit dem gleichen Eifer und der gleichen Ausdauer die Lehren der Lontar-Bücher studiert, um so das umfassende altbalinesische Heilwissen vor dem Vergessen zu bewahren. Vielleicht gehören zu diesen neuen Balyans dann auch einige Weiße – die Schüler Tschakorda Rais aus Ubud.

Begriffserklärungen

Bali Aga:

Wörtlich für „die alten Balinesen“. Damit ist eine Volksgruppe gemeint, die sich der Einführung des Hinduismus und insbesondere des Kastensystems hinduistischer Prägung im 12. und 13. Jahrhundert widersetzten. Sie pflegen bis heute ihre eigenen Rituale und Gebräuche, die sich von denen der übrigen Balinesen unterscheiden. Die Bali Aga sind in verschiedenen Regionen der Insel beheimatet, so im Dorf Trunyan am Batur-See und in Tenganan. Tenganan gilt als reichster und mächtigster Ort der Bali Aga. Seine Einwohner sind als geschäftstüchtige Kaufleute bekannt.

Balyans:

Traditionelle balinesische Ärzte und Heilkundige

Brahmane:

sanskr.: brahmana; Angehöriger der obersten Kaste der Hindus.

Brahma:

Hinduistischer Schöpfergott, der das gesamte bekannte Universum geschaffen haben soll.

Durga:

Göttin der Energie, Kraft und Gewalt

Iswara:

Wird in Südindien auch Iswari genannt. Sie ist ebenfalls bekannt als Parvathi, die Gattin des Hindugottes Shiva. Iswara oder Parvathi gilt im Hinduismus als die Göttin der Familie und der Gesundheit.

Mantra:

Gesänge. Worte voll geistiger Kraft bzw. heilige Formeln.

Pedanda:

So werden auf Bali die Angehörigen der Priesterkaste genannt,,pedanda, denen allein das Lesen der alten, heiligen Texte vorbehalten ist. Lesungen poetischer Texte, die auf den alten indischen Epen Mahabharatha und Ramayana basieren, sind unverzichtbarer Bestandteil von Tempelfesten und Totenritualen. Dabei wird bis heute zu diesen Anlässen ausschließlich von Palmblattmanuskripten gelesen. Eine Lesung der heiligen Texte von Manuskripten aus Papier gilt als schweres Sakrileg.

Rishis:

Die Sieben Heiligen Rishis. Der Begriff Rishi  bedeutet wörtlich „Rasende“ oder besser „Seher“. Die Rishis waren die Heiligen des vedischen Zeitalters in Indien. Das Sternbild „Großer Wagen“ steht mit seinen Sternen für die Sieben Rishis.

Rishi Agasthya:

Er war der Schriftgelehrte unter den Sieben Rishis, und soll Einfluß sowohl auf die Entwicklung der alt-tamilischen als auch der alt-javanischen Sprache gehabt haben. In Bali gilt er als Kulturbringer, der die Lontar-Bücher der Zukunftsdeutung auf die Insel brachte.

Vishnu:

Einer der drei hinduistischen Hauptgötter. Er gilt als der Hüter der Schöpfung. Vishnu erscheint auf dieser Welt nie in seiner eigentlichen Form, sondern immer in einer Gestalt, die seiner jeweiligen Aufgabe angemessen ist. Daher spricht man von den 10 Reinkarnationen oder Avataren Vishnus. Neun dieser Avatare sind bereits erschienen. Die bekanntesten von Ihnen sind Krishna und Rama.

Warung

Traditionelles balinesisches Restaurant, eine Mischung aus Kneipe und Tante Emma Laden.

www.Thomas-Ritter-Reisen.de  

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Thomas Ritter, 1968 in Freital geboren, ist Autor und freier Mitarbeiter verschiedener grenzwissenschaftlicher und historischer Magazine. Thomas Ritter hat zahlreiche Bücher und Anthologien veröffentlicht. Außerdem veranstaltet er seit mehr als zwanzig Jahren Reisen auf den Spuren unserer Vorfahren zu rätselhaften Orten sowie zu den Mysterien unserer Zeit. Mit seiner Firma „Thomas Ritter Reiseservice“ hat er sich auf Kleingruppenreisen in Asien, dem Orient, Europa und Mittelamerika spezialisiert. Mehr Informationen auf: https://www.thomas-ritter-reisen.de Nach einer Ausbildung zum Stahlwerker im Edelstahlwerk Freital, der Erlangung der Hochschulreife und abgeleistetem Wehrdienst, studierte er Rechtswissenschaften und Geschichte an der TU Dresden von 1991 bis 1998. Seit 1990 unternimmt Thomas Ritter Studienreisen auf den Spuren früher Kulturen durch Europa und Asien.