Händler der Blauen Straße

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Auf der Reede von Lübeck rasseln die Ankerketten. Zwei Zentner Eisen trudeln gemächlich hinab auf den sandigen Grund, wo sie sich mit spitzen haken festzurren. Das daran hängende schwimmende Ungetüm vollführt noch ein paar Schlingerbewegungen, bevor es völlig zur Ruhe kommt. Derweil steuern vom Hafen her mehrere Leichter auf die Reede zu, um den bis zu den Lukensüllen mit Rauchwaren beladenen Frachter, der aus Nowgorod gekommen ist, zu entladen. Es ist jene Zeit, in der Pelz- und Lederkluft zur täglichen Kleidung des Adels und vereinzelt auch der Bauern gehört. Doch was ist das für ein Schiff, das infolge seiner Größe und vor allem seines Tiefganges nicht in den Hafen einlaufen kann? 

Eine Kogge – um keinen anderen Schiffstyp handelt es sich hier – hat auf der Reede von Lübeck Anker geworfen. Mehr als 300 Jahre lang beherrschte dieser Schiffstyp alle Handelsrouten, die von den Häfen der Nord- und Ostsee ausgingen. Die Kogge war das typische Verkehrsmittel der Hanse, jener großartigen Kaufmannsorganisation, die sich das aufstrebende Bürgertum in den deutschen Küstenstädten geschaffen hatte.

Die Unbequemlichkeit und Unsicherheit der Landwege in Nord- und Mitteleuropa führte dazu, daß der Warentransport zum übergroßen Teil auf das Wasser verlegt wurde. Man sollte sich dazu die Tatsache vor Augen führen, daß gepflasterte Straßen in Europa erst im 18. und 19. Jahrhundert in bedeutendem Umfang entstanden. Vordem versanken bei schlechtem Wetter die Planwagengespanne der Kaufleute im Morast. Zu dieser Plage gesellten sich die häufigen Belästigungen und Übergriffe durch Zöllner, Raubritter oder ähnliche Wegelagerer. 

Vor derartigen Unannehmlichkeiten waren die Benutzer der Blauen Straße weitgehend gefeit, wenn man von dem Piratenunwesen und gelegentlichen Schiffbrüchen einmal absieht. Dem gegenüber stand jedoch der Vorzug, bedeutend größere Warenmengen mit viel geringeren Kosten als zu Lande transportieren zu können. Die Risiken, durch Seeräuber oder Unwetter Schiff und Landung zu verlieren, waren zu jener Zeit in den benutzten Gewässern wesentlich geringer als die Unwägbarkeiten bei Landtransporten.

Das Wort „Hanse“ erfährt zwar erstmals 1343 urkundliche Erwähnung, doch bereits fast ein Jahrhundert zuvor, im Jahr 1252 hatte Lübeck erste Verträge mit anderen Kaufmannsstädten abgeschlossen, die den Vertragspartnern monopolartige Privilegien gewährte. In gewisser Weise bildete die Hanse eine Parallele in nördlichen Breiten zu den alten phönizischen Traditionen. So wie diese ältesten Händler zu Wasser ein weitverzweigtes Handelsunternehmen bildeten und zu allen Völkern Brücken schlugen, bestand auch die Hanse aus merkantil orientierten Händlern, Kapitänen Warenbeschaffungs- und Absatzorganisationen.

Die marktorganisatorischen Leistungen der Hanse waren von einer Brillanz, die noch heute Bewunderung hervorruft. Sie organisierte einen Linienverkehr in der Ostsee und entlang der atlantischen Küste mit regelmäßigen Abfahrtszeiten, gründete Niederlassungen und Transitlager an den wichtigsten Handelsknotenpunkten. Diese Lager hatten den Vorteil, daß die Neubeladung der Schiffe rasch erfolgen konnte und die Kapitäne nicht auf Käufer oder Rückfracht warten mußten.

Die Hanseaten richteten Anschlußlinien an ihre Hauptrouten ein, riefen örtliche Märkte ins Leben, durch die wieder Erzeugung und Verarbeitung von Gütern aller Art im Rahmen der jeweiligen örtlichen Möglichkeiten gefördert wurde.

Von Reval bis Cadiz segelten die hanseatischen Koggen. Über den Handelsplatz Brügge gelangten sie an die Kostbarkeiten des Orients – Seide, Edelsteine, Gewürze, Edelhölzer – im Tausch gegen schwedisches Eisen, russische Pelzwaren und norwegischen Stockfisch. Die bauchigen Leiber der Koggen schluckten auch den größten Teil des europäischen Schafwoll- und Bienenwachsaufkommens. Heringe – gesalzen oder gesäuert und in Fässern verpackt – gehörten ebenso wie Getreide zum regelmäßigen Frachtplan. Auf der berühmten Baienfahrt bis zur Bai von Bourgneuf  an der Loiremündung führten die Koggen als Rückfracht Meersalz. Die Salztransporter mußten besonders gut kalfaterte, absolut wasserdichte Schiffe sein.

In seiner Glanzzeit umfaßte der Städtebund der Hanse nicht weniger als 90 Hafen- und Binnenstädte. Der wohl unbestrittene historische Verdienst der Hanse ist die Einbeziehung nordeuropäischer Gebiete in den internationalen Handel. Außerdem gründeten die Hanseaten zahlreiche Hafenanlagen und seewärtige Stapelplätze. Als erster deutscher Ostseehafen entstand so Lübeck – Wismar, Rostock und Stralsund folgten.

Durch die Hanse wurde die Blaue Straße zwar für den nordeuropäischen Handel erschlossen, doch trugen die Hanseaten trotz des 300jährigen Bestehens ihres Seehandelsbundes nicht wesentlich zum schiffbautechnischen Fortschritt bei. Die Kogge verkörperte den technischen Stand des Lastschiffes ihrer Zeit. Technik interessierte die hanseatischen Kaufleute nur, insoweit, als sie der Erleichterung des Warenvertriebes diente. Technische Unzulänglichkeiten, wie etwa die Langsamkeit der Koggen, wurde hingenommen und durch die Einrichtung der bereits erwähnten Transitlager, die das Löschen und Laden beschleunigten, kompensiert.

Die Umstellung von der einmastigen Kogge, die bis etwa 1450 die Ost- und Nordsee beherrschte, zum Dreimaster entsprach der internationalen Entwicklung und ist keineswegs alleiniges Verdienst der Hanse. 

Im Jahr 1462 tauchte zum ersten Mal solch ein Dreimaster in der Ostsee auf. Es war die „Pierre de la Rochelle“, die als „Wunderschiff“ gefeiert und später im Hafen von Danzig vom Blitz getroffen wurde. Der Schiffseigner geriet dadurch in finanzielle Schwierigkeiten und mußte den Segler verpfänden. Nach seiner Überholung, die mit einer gründlichen Vermessung des Dreimasters durch Danziger Schiffsbaumeister einherging, lief das Schiff unter seinem neuen Namen „Peter von Danzig“. So nimmt es nicht Wunder, daß alsbald auch in Danzig Schiffe dieses neuen Typs mit großem Erfolg auf Kiel gelegt wurden.

In der Tat war die „Peter von Danzig“ nach einem völlig neuen Verfahren erbaut wurden. Das Schiff war ein „Kraweel“, das heißt, es hatte keine geklinkerte Außenhaut mit dachziegelartig sich überlappenden Planken. 

Zwar zeichneten sich bereits die altägyptischen Segelschiffe durch eine glatte Außenhaut aus, doch dann hatte sich über mehrere Jahrtausende hinweg die schuppenartige Klinkerbauweise durchgesetzt. Der Schiffsbauer Juliaan aus der Bretagne entdeckte das alte Krawelverfahren (auch Karwelverfahren genannt) neu. Er arbeitete in Hoorn an der Zuidersee für eine holländische Werft, die sich auf das neue Bauverfahren spezialisierte.

Die Schiffsbauleistungen dieser Zeit sind um so beachtlicher, als sie mit relativ bescheidenen Mitteln vollbracht wurden. Die Werften bestanden dazumal zumeist nur aus einem im Freien gelegenen Bauplatz mit den Helgen. Der Seefahrer war ganz auf das handwerkliche Können des Schiffbauers angewiesen, denn Klassifikations- und Abnahmegesellschaften existierten nicht. Erst im 16. Jahrhundert begann der englische Schiffsbaumeister Metthew Baker damit, den Schiffsbau auf wissenschaftlicher Grundlage zu betreiben und die Proportionen sowie den Materialbedarf der von ihm entworfenen Schiffe zu errechnen, „damit man wisse, aus welchem Zeug ein Schiff gemacht wird“.

In den Glanzzeiten der Hanse war dies jedoch noch Zukunftsmusik und so verrät auch der Hilferuf eines Kaufmanns aus Brügge an den Hansetag im Jahre 1412, daß auf den hanseatischen Werften nicht immer Wertarbeit geleistet wurde: „Wir bitten Euch von ganzem Herzen, wollet doch Vorsorge tragen gegen den großen Schaden des Kaufmanns, der aus der ruchlosen Erbauung von Schiffen erwächst, die in den Häfen ohne Not durch Wind, Wetter, Wogen und Grund trotzdem leck werden und versinken, was jetzt häufiger vorkommt als je in vergangenen Zeiten.“

Besonders die großen Koggen, Holks (auch Hulks) genannt, erlitten aufgrund ihrer Bauweise recht häufig derartige „Betriebsunfälle“.

Den weitaus größeren Schaden aber erlitten die hanseatischen Kaufleute durch die „Wölfe des Meeres“ – durch Piraten. 

In ihren Anfängen war die Hanse eine völlig unpolitische Vereinigung von Kaufleuten gewesen. Doch wer fast drei Jahrhunderte lang so ausschließlich die Seefahrt und die Meere beherrschte, wie dies die Hanse tat, der wird, ob er nun will oder nicht, auch in politische Auseinandersetzungen hineingezogen und erregt zwangsläufig auch den Neid derjenigen, die an dem lukrativen Monopol nicht teilhaben dürfen.

Die Freibeuterei ist  wohl so alt wie die Seefahrt und Piraten hat es zu allen Zeiten gegeben. Doch in den Gewässern der Nord- und Ostsee trieben es Seeräuber im Mittelalter besonders arg. So schreibt Max Boehm in seinem Buch „Die Mode“:

„Aus den Scharen zuchtlosen Gesindels rekrutierten sich im Kriege die Armeen und im Frieden die Räuberbanden, die Land und Meer unsicher machten. Martin Pechlin, dem im Beginn des 16. Jahrhunderts der Seeraub in den Gewässern der Ostsee oblag, kaperte einmal zwölf 12 hansesche Schuten und ließ die 105 Mann zählende Besatzung einfach über Bord werden, weil sie ihm unbequem war. In der Nordsee übten englische Schiffe das gleiche Gewerbe…“

Die dicht befahrenen Schiffahrtsrouten in diesen Gewässern lockten Piraten geradezu magisch an. Zwar verfügte die Hanse über genügend militärische Macht, um dieses Übel binnen kurzer Zeit auszurotten, wenn da nicht der Kaufmannsgeist gewesen wäre – einerseits die Stärke des Hanse-Bundes, andererseits seine größte Schwäche. Nur zu gern griff man nach den billigen Warenangeboten der Freibeuter, wenn man auch sehr genau wußte, daß die Ladung eigentlich nur von einem anderen Hanseschiff stammen konnte.

Die Gewißheit reicher Beute und sicherer Absatzmöglichkeiten rief immer mehr Seeräuber auf den Plan, die sich bald zu regelrechten Flotten zusammenschlossen und sogar eine Art eigenes Staatswesen mit Visby und Gotland als Zentrum schufen.

Im Jahr 1389 dann, als die „Schwarze Margret“ – Königin Margarete von Dänemark und Norwegen – auch noch Schweden zu erobern gedachte und bereits Stockholm belagern ließ, machten Piraten sogar große Politik. De Hansestädte Wismar und Rostock, die dem geflohenen schwedischen König Albrecht verpflichtet waren, riefen die Freibeuter zu Hilfe, um die belagerte Stadt mit Nachschub an Vorräten und Munition zu versorgen. Lebensmittel bezeichnete man damals als „Viktualien“, ein Wort, das rasch zu „Vitalien“ verballhornt wurde. So nannte man die Besatzungen der Versorgungsschiffe danach „Vitalienbrüder“. Doch dieser Ehrenname sollte bald einen schrecklichen Beiklang bekommen. Zwar erfüllten die Piraten ihre Aufgabe als Blockadebrecher ganz ausgezeichnet, dachten dabei aber gar nicht daran, ihre eigentlichen „Geschäfte“ zu vernachlässigen. So notiert der Chronist Reimer Kock:

„Ein herrenloses Volk aus allen Gegenden, Hofleute, Bürger vieler Städte, Amts-knechte, Bauern – sie sprachen, sie wollten ziehen gegen die Königin von Dänemark, zu Hilfe dem König von Schweden. Sie bedrohten aber leider die ganze See und alle Kaufleute und raubten beide aus, Freund und Feind.“

Die Vitalienbrüder trieben es schließlich so arg, daß Margarete von Dänemark und die Hanse Frieden schlossen, um gemeinsam gegen die Piraten vorzugehen. Dabei kam es 1396 zu einem folgenschweren Zwischenfall. Die gegen Visby segelnden Flotten der Dänen und der Hanse hielten sich gegenseitig für die gesuchten Piraten und beschlos-sen wechselseitig, zunächst zu schießen und sich dann über die Identität des Gegners zu vergewissern. Eine mörderische Schlacht entbrannte, aus der schließlich die haseatischen Koggen als Sieger hervorgingen. Als man nachher die Wahrheit fest-stellte, zogen sich die Flotten unter großer Betroffenheit und mit noch größeren Verlusten in die Heimathäfen zurück.

Über solche gravierenden taktischen Fehler konnten die Anführer der Vitalier nur lachen. Der erfahrene Gödeke Michelsen (auch Gödeke Michels oder Göd Michael), Magister Wigbold (auch Wigbald oder Wikbald), der „seynen Stand auf dem Katheder mit dem auf dem Schiffskastell vertauscht hatte“ und im „Plato und Aristoteles  ebenso wie in der Navigation und im Beutemachen Bescheid wußte“ und schließlich der berühmteste von ihnen – Claus Störtebecker (oder Storzenbecher), letzter Herr von Alkun – kannten alle Finten und Kniffe eines Seegefechtes.

So entkamen sie auch, als der Piratenstaat auf Gotland unter den Schlägen des Deutschen Ritterordens zerbrach, dessen Großmeister Konrad von Juningen mit Feuer und Schwert in kürzester Zeit „das vermaledeydte Volck der Teufelskindter“ aus seinem „baltischen Paradiese“ vertilgte und alle, die nicht im Kampf gefallen oder geflohen waren, anschließend hängen, rädern oder köpfen ließ.

Ihre neue Heimat fanden sie in der Nordsee, wo sie sich nun „Likendeeler“ (Gleichteiler) nannten, weil alle Beute ohne Unterschied des Ranges miteinander geteilt wurde.

In Kenno Ten Brooke, dem Herrn des Brockmerlandes, fanden die Likendeeler einen neuen Verbündeten, der ihnen in allen Ortschaften an der gesamten westfriesischen Küste freies Marktrecht gewährte und sogar seine Tochter mit Claus Störtebecker verheiratete.

Von ihrem neuen Stützpunkt Helgoland aus verbreiteten Gödeke Michels, Magister Wigbold und Claus Störtebecker Angst und Schrecken unter den hanseatischen Kauffahrern. Da sie ein äußerst geschicktes System -1/3 Angriffsflotte, 1/3 Reserve und 1/3 der Schiffe zur Überholung in den Häfen – verwandten, war es fast unmöglich, der Likendeeler habhaft zu werden.

So sahen die hanseatischen Städte – allen voran Hamburg – keinen anderen Ausweg, als sich aufs Bitten um Schonung zu verlegen. Als dies nichts fruchtete, im Gegenteil die Überfälle ständig dreister und die Verluste immer größer wurde, entschlossen sich die Ratsherren von Hamburg anno 1401, das Übel ein für alle mal auszurotten. Unter dem Befehl von Albrecht Schreye und Johannes Langhe rüstete die Stadt eine stattliche Anzahl von sogenannten „Freedekoggen“ – „Friedenskoggen“, was nichts anderes bedeutet als Kriegsschiffe (aber schließlich nannte man noch im letzten Jahrhundert Samuel Colts Revolver „Peacemaker“ – den „Friedensstifter“). aus und bestimmte die „durch die See brausende Bunte Kuh aus Flandern“ unter Simon von Utrecht und Kapitän Nienkerken zum Flaggschiff.

In der Emsmündung kam es zur ersten Schlacht, in der die Likendeeler unterlagen. Mehr als 80 von ihnen fielen, 36 gerieten in Gefangenschaft und wurden anschließend hingerichtet.

Ein Jahr später räumte Nicholas Schoche, Bürgermeister und Admiral von Hamburg erneut unter den Likendeelern vor der Wesermündung auf, wobei wiederum 73 von ihnen ihr Leben ließen.

Doch dies war noch gar nichts gegen den Fang, der ihnen kurz darauf gelang. Als harmlose Handelsschiffe getarnt, gelang es ihnen, Claus Störtebecker, den sonst bei aller Kühnheit Vorsichtigen, zum Angriff zu verleiten. Als die List der Freedekoggen offenbar wurde, war es bereits zu spät. Die Likendeeler kämpften wie die Löwen, doch das sollte ihnen nichts mehr nutzen. Mehr als 40 von ihnen lagen tot an Deck, als Störtebecker sich ergeben mußte und mitsamt 73 seiner Leute in Ketten im Bauch der „Bunten Kuh landete, während Gödeke Michelsen und Magister Wigbald diesmal noch entkamen.

Doch schon sechs Monate später fielen auch sie samt 80 ihrer Männer Simon von Utrecht in die Hände.

Der Prozeß gegen die Piraten war erstaunlich fair, am Todesurteil änderte dies indes freilich nichts.

„Ich ertrage die langsam berechnende Weise nicht, wie Ihr klug und schlau, ja mit List Euren Reichtum zusammenscharrt, von dem niemand einen Nutzen hat, wenn Ihr in Eurem Wohlleben auch noch so ehrbar dreinschaut. Dies erinnert mich an ein Bild, das ich an der Kirchenwand in Marienhave abkonterfeit sah: Der Fuchs steht auf der Kanzel und predigt den Leuten Moral, Gehorsam und Frömmigkeit. Ich aber griff kühn hinein und nahm rasch, während Ihr spekulierend zu Werke geht. Eure Weise lobt die Welt, weil sie nicht hinter Eure Schliche zu sehen vermag ; meine Weise zu nehmen verurteilt sie, und doch bleibt sich die Sache auf ein Haar gleich“.

So hielt Claus Störtebecker seine berühmte Abschiedsrede am 11. Juni 1402 auf dem Grasbrook, dem Richtplatz zu Hamburg. 

Dann waltete Meister Rosenfeldt, der Scharfrichter „in grawaen Mantel undt Hut mit dem roten Band“ seines Amtes an den Piraten, deren Tod von „Frawn undt also Jungfrawen sehr beklagt“ worden sei.

Den Tod eines ihrer ärgsten Feinde überdauerte die Hanse zwar formal noch mehr als zwei Jahrhunderte, doch bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ging es ihr gar nicht gut, obwohl das die Handelsherren selbst gar nicht wahrhaben wollten.

Überheblichkeit, Sattheit, Selbstzufriedenheit – die meisten ihrer Mitglieder verdämmerten auf diese Weise zur völligen Bedeutungslosigkeit. Einige wenige, wie Hamburg und Bremen, erkannten im letzten Augenblick noch die Zeichen der Zeit, während andere, wie das bislang führende Lübeck, schließlich darin zugrunde gingen.

An der Seite der Dänen zogen die Lübecker 1563 in den Seekrieg gegen Schweden. Der Anlaß – ob Dänemark oder Schweden berechtigt sein sollte, drei Kronen im Wappen zu führen – war albern genug, doch eigentlich ging es um die Vorherrschaft in der Ostsee. In den Jahren bis 1566 verloren die dänisch-lübischen Verbündeten insgesamt mehr als 13000 Soldaten, Matrosen und Offiziere sowie zwei ihrer großen Kriegsschiffe, die „Morian“ und den Engel“. Dieser grausame Aderlaß an Menschen und Material beendete Lübecks Rolle zur See. Zwar stellten die Hanseaten am 29. März 1566 mit der „Adler von Lübeck“ das seinerzeit größte und modernste Kriegsschiff in Dienst, doch auch dieser Koloß mit seinen 122 Kanonen vermochte den Niedergang der Hanse nicht aufzuhalten.

Am Ende eines vierjährigen Kaperkrieges gegen die Niederländer mußten die Hanseaten, in sich selbst zerstritten, wichtige Privilegien an Holländer und Dänen abtreten.

Von nun an machten in der Handels- und Schiffahrtsgeschichte andere von sich reden. Die Konkurrenz der Atlantikhäfen nach den großen Entdeckerfahrten tat ein übriges.

Im Jahr 1650 hörte die Hanse als überterritoriale Kaufmannsorganisation auf zu bestehen. Lediglich drei von insgesamt ehemals 180 Hansestädten hielten noch zusammen.

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Verwendete Literatur

Hanke, Helmut Männer  Planken  Ozeane

2. Auflage

Urania-Verlag

1964

Knoll, Christian Windjammer

Winde, Joachim 1. Auflage

Urania-Verlag

1980

Mondfeld, Wolfram zu Schicksale berühmter Segelschiffe

2. Auflage

Koehlers Verlags GmbH

Über Thomas Ritter 110 Artikel
Thomas Ritter, 1968 in Freital geboren, ist Autor und freier Mitarbeiter verschiedener grenzwissenschaftlicher und historischer Magazine. Thomas Ritter hat zahlreiche Bücher und Anthologien veröffentlicht. Außerdem veranstaltet er seit mehr als zwanzig Jahren Reisen auf den Spuren unserer Vorfahren zu rätselhaften Orten sowie zu den Mysterien unserer Zeit. Mit seiner Firma „Thomas Ritter Reiseservice“ hat er sich auf Kleingruppenreisen in Asien, dem Orient, Europa und Mittelamerika spezialisiert. Mehr Informationen auf: https://www.thomas-ritter-reisen.de Nach einer Ausbildung zum Stahlwerker im Edelstahlwerk Freital, der Erlangung der Hochschulreife und abgeleistetem Wehrdienst, studierte er Rechtswissenschaften und Geschichte an der TU Dresden von 1991 bis 1998. Seit 1990 unternimmt Thomas Ritter Studienreisen auf den Spuren früher Kulturen durch Europa und Asien.