Der Tanz der Justiz: Ballsaison in Wien

Opernball 2018, Quelle: Bundeskanzleramt Oesterreich

Ballsaison in Wien. Der Opernball erstmals mit Bundeskanzler Kurz. Stargast war Melanie Griffith. Zwei Tage später der Juristenball. Doch die Feste sind auch in der Kritik. Denn Grundrechte werden verletzt in Österreich.

 

Donnerstag abends war der Höhepunkt der Ballsaison in Wien. Der Wiener Opernball ist das bedeutendste gesellschaftliche Ereignis der Stadt. (www.wiener-staatsoper.at/opernball)

Gleich zu Beginn des Balls sorgte ein Auftritt der ukrainischen Gruppe FEMEN für Aufregung. Femen ist für aktionistische Performance mit politischen Forderungen bekannt. In der Zeit als die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko in Gefangenschaft war, mussten 2013 mehrere Mitglieder von Femen in Frankreich politisches Asyl beantragen und ins Exil nach Paris gehen.

Der aktuelle ukrainische Präsident Petro Poroschenko wird von Femen ebenfalls kritisiert. Poroschenko war am Opernball Gast des österreischischen Präsidenten Alexander van der Bellen. Das Vermögen von Poroschenko wird vom US-Magazin Forbes 2014 vor seiner Wahl zum Präsidenten auf 1,28 Milliarden US Dollar geschätzt. Zu seinem Konzern gehören auch Rüstungsbetriebe und Fernsehsender.
Protest von Femen

Die Aktion von Femen richtete sich gegen die Anwesenheit von Poroschenko am österreichischen Nobelball. Femen zeigte dem Publikum des Opernballs Parolen, die gegen Poroschenko gerichet waren. Auf der Website von Femen kann man dazu erfahren:

„Alisa Vinogradovaspoke (von Femen) brachte vom Red Carpet dem aristokratischen Publikum den Vorschlag den ukrainischen Baron vom Ball zu verweisen. Ihr Auftritt sollte die High Society in Wien über den wahren Poroschenko informieren. Unter dem Deckmantel eines Aristokraten verbirgt sich ein miliärischer Plünderer, der nicht verschmäht, Gewinne mit dem Blut seiner Mitbürger zu erzielen“ („Under the guise of an aristocrat lies a military looter who does not disdain earnings on the blood of his fellow citizens“), so berichtet Femen:

FEMEN Protests Against the President of Ukraine at the Viennese Ball

 

Jedenfalls war der Protest von Femen friedlich. Es war deshalb nicht erforderlich, dass die Femen Aktivistin Alisa von einer Gruppe österreichischer Polizisten brutal zu Boden gerissen und weggeschliffen wurde. Fotos belegen, dass rund 10 Politzisten für eine harmlose Aktivistin von Femen in Einsatz waren. Man hätte den Vorfall auch sehr souverän, wie es der aristokratischen Noblesse des Opernballs angemessen wäre, zu einem besonnenen Ende führen können.

 

Hollywood-Filmstar im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit Melanie Griffith, der Filmstar aus Hollywood. Zu ihren bekannten Filmen zählen „Waffen der Frauen“, bei dem sie als Hauptdarstellerin für den Oscar nominiert wurde. In Woody Allens „Celebrity“ verkörperte Griffith eine Filmdiva. Griffith ist die Tochter von Tippi Hedren (Hitchcock-Legende aus „Die Vögel“ und „Marnie“).

Melanie Griffith wurde vom österreichischen Unternehmer Richard Lugner eingeladen. Richard Lugner ist eine Art österreichischer Donald Trump. Lugner ist Bau-Tycoon und kandidierte bereits für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten. Er kandidierte dafür erstmals 1998 und erhielt damals 9,9 Prozent der Stimmen.

Das Interesse der Medien richtet sich vor allem auf die Stargäste des Opernballs. Richard Lugner sorgt seit rund 25 Jahren für Prominenz am Ball. 1993 war der Stargast Joan Collins und 1994 kam Ivana Trump. Im vergangenen Jahr wurde er von der Schauspielerin Goldie Hawn begleitet. Eine Werbeausgabe, die sich rentiert. Die Medien berichten bereits Wochen vor der Veranstaltung ausführlich. Jetzt will der neue österreichische Bundeskanzler Kurz dem Baumeister offenbar die Medien abjagen.

 

Kanzler Kurz am Opernball

Sebastian Kurz trat beim traditionellen Opernball erstmals als neuer Kanzler auf. Kurz brachte das somalische Model Waris Dirie als Stargast in seine Loge mit. Damit wird Sebastian Kurz zum ersten ernsthaften Konkurrenten des òsterreichischen Unternehmers Richard Lugner.

Richard Lugner zeigte sich empört, dass er für seinen Auftritt beim Opernball nur eine Loge im 2. Rang zugeteilt bekommen hat: “Andere, die keine Stammgäste sind, bekommen eine Loge im 1. Rang“, so Lugner. Da in der Organisation des Opernballs bekannt ist, dass Richard Lugner seit rund 25 Jahren für einen international renommierten Stargast sorgt, ist diese Degradierung tatsächlich nicht nachvollziehbar.

 

Die feinen Unterschiede

Auf den Bällen in Wien kennt man „Die feinen Unterschiede“, die der französische Soziologe Pierre Bourdieu erforschte. Bourdieu führte seine Studie „Critique sociale du jugement“ von 1963 bis 1979 durch. Es geht um die Identität als Klasse durch die Herausbildung eines Lebensstils.

Der vollendete Auftritt auf einem gesellschaftlichen Ball zählt in Österreich jedenfalls zu diesen feinen Unterschieden. Arthur Schnitzler beschrieb in seiner Autobiografie „Jugend in Wien“, mit welchem Lebensgefühl er auf solche Bälle ging. Ungefähr zur selben Zeit als Schnitzler an seiner Lebenserinnerung arbeitete, wurde Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ von Max Reinhardt 1911 in Berlin uraufgeführt. Auf einem rauschenden Fest wird Jedermann mit dem Tod konfrontiert.

 

Juristenball in der Hofburg

Der Juristenball findet in den Medien weniger Aufmerksamkeit. Dennoch ist er ein hochrangiges Ereignis der Ballsaison in Wien. Ein Treffen der österreichischen Justizbehörde. Der Ball findet am 10. Februar in der Wiener Hofburg statt. (www.juristenball.at)

Am Fasching-Samstag kommen amtierende und ehemalige Minister, der Generalprokurator, der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Verfassungsrichter, der Präsident des Obersten Gerichtshofs, der Präsident der Notariatskammer, der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, der Dekan der Juridischen Fakultät der Universität Wien. Dazu kommen noch die Sektionschefs des Justizministeriums, wie Christian Pilnacek, der als Leiter der Sektion IV für Strafrecht zuständig ist.

Auch bekannte Politiker sind dabei. 2017 trat Michael Spindelegger auf, der frühere Bundesparteiobmann der ÖVP, der seinen Studienkollegen Michael Brandstetter zum österreichischen Justizminister machte. Weiters Ingrid Korosec, die Präsidentin des Seniorenbundes. Auf ihrem Schreibtisch liegen hunderte Hinweise auf kriminell motivierte Sachwalterschaft in Österreich, die von den Justizbehörden gedeckt wird. Oder Othmar Karas, der mit einem Vorzugsstimmenwahlkampf 2009 noch zum Abgeordneten des Europäischen Parlaments wurde. Zu seinen Wahlversprechen zählte es, dass er in Brüssel insbesondere für die Anliegen der Bürger sich einsetzen möchte.

Der Juristenball 2017 wurde noch von Bundesminister Wolfgang Brandstetter eröffnet. In diesem Jahr wird dafür der neue Justizminister Moser erwartet. Die ÖVP teilte schon zu Beginn der Woche in einer Presseaussendung mit, dass auch Korosec und Karas den Juristenball auch dieses Jahr wieder besuchen werden:

ÖVP-Termine
Samstag, 10. Februar 2018
20:00 BM Dr. Josef Moser, Seniorenbund-Präsidentin LAbg. Ingrid Korosec und MEP Dr. Othmar Karas besuchen den „Juristenball“ (Hofburg)

 

The Rats Are Back

Um Mitternacht sollen am Juristenball die Masken fallen. Da ist als Auftritt vorgesehen: „The Rats are Back“.

So steht es bereits am Programmzettel: „Juristinnen und Juristen laden zum Tanz“. Tatsächlich geht die Justiz in Wien zum Tanz, während in Österreich in tausenden Fällen Verletzungen der Grundrechte gegeben sind.

Die Feste in Wien stehen auch in der Kritik. Seit den achtziger Jahren finden Demonstrationen gegen den Prunk des Opernballs auf der Wiener Ringstraße statt.

Dieses Jahr können für „Die groben Differenzen“ in Wien auch die Missstände in der Justiz sorgen. Es kommt zu kriminell motivierten Enteignungen durch Willkürakte der Richter, gegen die seit Jahren nicht vorgegangen wird. Die zuständigen Beamten des Justizministeriums und die Staatsanwaltschaft ignorieren alle Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände.

Zum Tanz darf man gehen. Aber zuvor muss man dafür sorgen, dass im Alltag noch Ordnung herrscht. Ansonsten wird die Feierlaune zu einem Tanz auf dem Vulkan.

 

Links

Über Verletzte Grundrechte in Österreich erschien auf The European der Beitrag:
Grundrechte in der Europäischen Union werden verletzt: Der Fall Österreich

Über den Zustand der österreichischen Justizbehörde auf Tabula Rasa der Beitrag:
Struktur der massenweisen Enteignung: Das österreichische Justizministerium

 

Über Johannes Schütz 97 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel

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