Erdichtetes und Wahres – für und von Erich Jooß

Mit „blues in der früh“ sind Gedichte überschrieben. „Das Mädchen, der Luftballon und der Mond“ ist eine von gut einem halben Hundert Erzählungen. Also Erdichtetes und Wahres. Beides sind die Titel der zuletzt erschienenen Bücher von Erich Jooß (auf dem Foto rechts neben dem Schriftsteller Rafik Schami). Der in Oberbayern beheimatete, aus Hohenzollern stammende Autor hatte die Manuskripte kurz vor seinem 70. Geburtstag, den er im März 2016 feiern konnte, an einen Verlag in Niederbayern und einen in Niederösterreich gegeben. Werden sie – was zu wünschen ist – vom Lesepublikum ebenso liebevoll aufgenommen wie die Verlage sie ausstatteten – im einen Fall als nummerierte Broschur der Hauzenberger „Edition Pongratz“, im andern als Band der „Bibliothek der Povinz“, Weitra – kann der Autor nicht klagen.

 

Erfolg, sowohl beruflichen als auch literarischen, ist Erich Jooß gewöhnt. Ob als Direktor des Sankt Michaelsbundes, Verlagsleiter der Münchner Kirchenzeitung, in diversen Positionen im Medienrat oder Katholischen Medienverband oder als Autor zahlreicher Bücher, nicht zuletzt für jugendliches Lesepublikum sowie Fachpublikationen, die ihm hohe Anerkennung und bedeutende Auszeichnungen einbrachten. Bald nach seinem Eintritt in den Ruhestand 2011 wurde der promovierte Germanist Vizepräsident der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur in Volkach a. Main.

 

Der neueste Band der Schriftenreihe dieser Akademie ist Erich Jooß gewidmet. Er verspricht im Untertitel Gedichte für Kinder und Jugendliche aus den letzten sechs Jahrzehnten, was, genau genommen, auf 18 Buchseiten zutrifft, wo die Herausgeber den mit diesem Band Gefeierten als Lyriker neben Uwe-Michael Gutzschhahn, Paul Maar, Arne Rautenberg und Jutta Richter einreihen, auf die der ungewöhnliche Buch-Titel zurückgeht:

 

Die weißen Raben

Was die weißen Raben haben,

haben nur die weißen Raben:

himmelblaue Fantasie

tintenschwarze Wortmagie

hundertzwanzig Zauberreime

und vom Lügen lange Beine

Siehst du welche in den Bäumen

fütter sie mit deinen Träumen!

Denn sie krächzen ganz entzückt

wenn man diese Welt verrückt!

 

Wenn das mal kein Hoch auf den Schriftsteller Erich Jooß ist! Der Anhang listet 71 Titel auf, die seiner Feder entsprangen, das erste vor genau 40 Jahren, das letzte 2016. Und es sollen noch einige folgen – wie der in Höhenkirchen-Siegertsbrunn lebende Jubilar prophezeit. Erst einmal darf sich der Emsige aber als fleißiger Leser betätigen, um den Hauptteil seines ihm zugeeigneten, mit Illustrations-Kostproben geschmückten Bandes, von dem er vermutlich allein seinen eigenen Beitrag über den Lyriker Max Kruse genau kennt, in Gänze zu goutieren. Es treten etliche an der Entwicklung des Kindergedichts seit 1945 nicht ganz Unschuldige in Erscheinung. Kurt Franz, Katrin Riedl, Christine Lötscher und Uwe-Michael Gutzschhahn äußern sich zu theoretischen und praktischen Fragen der Kinderlyrik, während Kenner und Liebhaber der Materie ihre wissenschaftlichen Befunde zum Lyrik-Werk von Bert Brecht, Ernst Jandl, James Krüss, Max Bolliger, Paul Maar, Anton G. Leitner und – gebührlich ausführlich – Josef Guggenmos darlegen.

 

Nicht nur dem, dem es zugeschrieben ist, gehört dieses Buch, sondern allen, denen Kindergedichte in ihrer immer noch zu wenig erkannten Funktion im Rahmen der literarischen Sozialisation des Menschen etwas bedeuten.

 

Was die weißen Raben haben“. Gedichte für Kinder und Jugendliche von 1945 bis heute, hrsg. v. Claudia M. Pecher u. a., 251 Seiten, illustriert, 22,- Euro, Schneider Verlag Hohengehren GmbH 2016

Über Hans Gärtner 456 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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