Feigheit ist keine Tugend

Der Philosoph, Foto: Stefan Groß

Man reibt sich die Augen, hofft inständig, dass es eine Fake-News ist. Doch dann muss man erkennen: Es stimmt tatsächlich. Zumindest in einem deutschen Bistum wird „offiziell“ dazu aufgerufen, an der Demonstration Fridays for Future teilzunehmen. Es geht um ein Bekenntnis zum Klimaschutz. Gleichzeitig vermisst man seit Jahren, dass ebenso „bekennisreich“ von deutschen Bistümern dazu aufgerufen wird, am Berliner „Marsch für das Leben“ teilzunehmen. Das (!) scheint nicht opportun zu sein. Schließlich geht es hier um ein Bekenntnis nicht nur zum Klima, sondern zum Leben und seinem garantierten Recht. Und im Unterschied zum Klimahype gibt es hier sogar belastbare Fakten, die einen Christen – und nicht nur den – geradezu zwingen, Stimme und Gesicht zu zeigen FÜR das Leben. Doch hunderttausende von jährlich brutal getöteten, zerschnibbelten und verätzten ungeborenen Menschen scheinen denen, die jetzt einer ferngesteuerten Galionsfigur hinterherlaufen wollen, offenbar keine Einladung wert zu sein, sich für das Grundlegendste des menschlichen Lebens und seiner Kultur öffentlich und vernehmbar einzusetzen. Das ist mehr als schade. Es ist, angesichts jetzt bekannt gewordener Bereitschaft, einer ökoreligiösen Diktatur huldigen zu wollen, auch eine Schande.

Es gibt charakterstarke Bischöfe, die seit Jahren in Berlin dabei sind. Ihnen gebührt Dank für ein starkes Zeugnis, das sie zusammen mit anderen gegen alle Widerstände immer wieder geben. Auch gegen lautes Geschrei derer, die ansonsten gerne für Toleranz und Vielfalt plädieren, dann aber das Ja zum Leben schlichtweg nicht ertragen können oder wollen. Es ist gut, dass es auch dieses bischöfliche Bekenntnis zum Lebensrecht beim Marsch für das Leben gibt.

Doch es ist leider auch wahr: Mit zahlreichen Ausreden haben manche, die als Bischöfe das Violett oder gar Rot des Bekenners tragen, immer wieder versucht, sich selbst vom Bekenntnis zum Leben bei Marsch für das Leben zu exkulpieren. Verleumdungen, die man ihnen gereicht hatte, wurden zur „Begründung“. Aber ganz nüchtern wurde auch bekundet, dass man sich als Geistlicher nicht in eine politische Frage wie der der Abtreibung einklinken solle. Als ginge es hier nur um eine politische Frage! Da geht es um Grundsätzliches, um Wesentliches, um den Kern dessen, was man human nennt. Greta aber und die Grünen sind wohl glaubwürdiger und wichtiger als Lebensrechtler, die gar bereit sind, vielfach Ungemach in Kauf zu nehmen für das, wozu (nicht nur) Christen verpflichtet sind: zum Kampf für das Leben, zum Bekenntnis der Unantastbarkeit des Lebensrechtes und zur Würde jedes Menschen von Anfang bis zum natürlichen Ende.

Noch hätten die Verantwortlichen die Chance, ihrer Einladung zum Marsch für das Klima für den Tag danach eine Einladung für das Leben auszusprechen. Ja, sie könnten darauf hinweisen, dass jeder, der Zukunft und Leben will, sich logischer- und konsequenterweise erst recht für den unbedingten Schutz jedes Menschen einsetzen müsste und sollte. Alles andere ist unglaubwürdig. Das Auseinanderreißen dieser Wirklichkeit(en) wird zur Absurdität.

Mag sein, dass es bei bestimmten politischen und medialen Gurus besser ankommt, zur Klimademo einzuladen als zum Marsch für das Leben. Das können sich nur diejenigen leisten, die weder abhängig von der Politik sind noch mental gefangen in den Gattern des Opportunismus. Nur die Wahrheit macht frei. Und nur freie Menschen haben keine Angst vor der Wahrheit. Feigheit, die sich heute noch so geschickt zu tarnen versteht als Besorgnis und wohlfeiles Engagement, ist übrigens keine Tugend. Schon gar keine christliche. Sie ist das Gegenteil dessen, wozu Christen von Gott selbst aufgerufen, befähigt und verpflichtet sind: Zeugnis zu geben vom und für das Leben. Generalvikare und Bischöfe sind dazu besonders verpflichtet. Alles andere wäre Verrat und zumindest grobe Pflichtverletzung.

Nicht irgendeine Greta – und das sie womöglich steuernde Geschäftsmodell dahinter – ist der Maßstab, sondern Jesus Christus.  Und der steht nicht für Unterdrückung, Manipulation und Angst, sondern für Freiheit. Die mit der Verantwortung verbundene Freiheit hat einen Namen: Jesus Christus. Zu dieser Freiheit gehört natürlich auch die Pflicht, die Umwelt zu schützen. Aber noch mehr der mutige Einsatz für die Ökologie des Menschen. Klimaschutz ohne Lebensschutz ist nicht nur ein Torso des Seins, sondern auch ein Fake. Gerade diejenigen, denen die Erlösungsbotschaft der Wahrheit anvertraut ist, sollten das noch wissen – und zum Schutz der eigenen Glaubwürdigkeit jetzt rasch eine Einladung zum Marsch für das Leben in Berlin medienwirksam und öffentlich wahrnehmbar nachreichen. 

Über Martin Lohmann 44 Artikel
Martin Lohmann studierte Geschichte, Katholische Theologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften in Bonn. Er war Redakteur der Wochenzeitung "Rheinischer Merkur", Ressortleiter "Christ und Welt", stellv. Chefredakteur des "Rheinischen Merkur", Chefredakteur der Rhein-Zeitung, Moderator der TV-Sendung "Münchner Runde" und war u.a. Chefredakteur des Fernsehsenders K-TV. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur Gesellschaftspolitik, Familienpolitik sowie Kirche und Ethik. Martin Lohmann ist Mitglied des Neuen Schülerkreises Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. und Geschäftsführer der Akademie für das Leben gUG Bonn (www.akademiefuerdasleben.de)