Wenige Bundesregierungen haben von ihrem Start weg in wenigen Monaten so viele Veränderungen und Reformen eingeleitet wie diese. Und doch zeigt die zu Ende gehende Woche aufs Neue, wie labil diese schwarz-rote Koalition ist, wie schwer es ihr fällt, öffentliche Akzeptanz zu finden.
Das liegt, wie Mariam Lau und Mark Schieritz in der „Zeit“ analysieren, nicht am Verhältnis zwischen den Vorsitzenden von CDU und SPD. Sie stimmen in der strategischen Analyse überein: „Merz und Klingbeil… sind überzeugt, dass ein Scheitern der Koalition das Land an den Rand des Abgrunds führen würde“ (https://www.zeit.de/…/friedrich-merz-lars-klingbeil…). Und auch Bärbel Bas wird da nicht widersprechen.
Aber in ihren Parteien wachsen die zentrifugalen Neigungen: „Am Sonntag hatte sich das Parteipräsidium der CDU mühsam auf die Linie des Kanzlers geeinigt, wonach die AfD der Hauptgegner sei und nun härter angegangen werden müsse. Schon wenige Tage später wurde aus derselben Parteispitze Kritik an der strategischen Ausrichtung laut. Selbst Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte: „Ich möchte nicht öffentlich über die AfD sprechen“, notiert die „Zeit“.
Jeder Konflikt in Koalition und Regierung stärkt in der Union diejenigen, die glauben, mit einer Minderheitsregierung mehr klassische Unionspolitik durchsetzen zu können, manche setzen sogar auf Neuwahlen. HIer stehen zwei strategische Ausrichtungen der Union gegeneinander.
In der SPD, die trotz bitterer Wahlniederlage ihr wichtige Positionen im Regierungsprogramm verankern konnte, ist das Ressentiment gegenüber der eigenen Regierung unspezifischer, aber deshalb nicht geringer und weniger Ernst zu nehmen: Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende demonstriert gegen den Kanzler ihrer Koalition. Der sozialdemokratische Staatssekretär Aziz Bozkurt im schwarz-roten Berliner Senat leitet ein Mitgliederbegehren gegen die von seiner Parteivorsitzenden geführten Reform des Bürgergelds ein. Das Misstrauen wächst, wo schon zuvor wenig Vertrauen war.
Was streben diese Sozialdemokraten an? Wollen sie die Bundesregierung stürzen? Und dann? Wollen sie, die sicher aufrichtig den Kampf „Gegen Rechts“ beschwören, der AFD den Weg zur Regierungsmacht öffnen, in welcher Form auch immer? Wollen die politischen Erben von Otto Wels so Geschichte schreiben?
Dass Kanzler und Vizekanzler einander vertrauen, ist gut. Aber sie werden scheitern, wenn sie nicht ihre eigenen Parteien gewinnen. Angela Merkel rang auf Regionalkonferenzen um Zustimmung. Der als Bundeskanzler nie unangefochtene Helmut Kohl telefonierte Abende lang aus dem Kanzleramt durch seine Partei, geduldig und hartnäckig. Er rang um jeden Kreisvorsitzenden. Ähnliches ist von den Parteivorsitzenden der schwarz-roten Koalition nicht bekannt. Sie setzen darauf, durch Wirtschaftsbelebung und Reformen die öffentliche Meinung zu gewinnen und damit auch die eigenen Parteien.
Das wird sich als Irrtum erweisen. Wenn die Parteivorsitzenden nicht diejenigen gewinnen, die sie gewählt haben, werden sie scheitern. Zum Schaden Deutschlands.
