Vor dem Kapitol im US-Bundesstaat stehen sie schon, nun sollen die »Zehn Gebote« auch in jeder staatlichen Schule ausgehängt werden. Bürgerrechtsgruppen halten das für verfassungswidrig und gehen rechtlich dagegen vor. Von Helmut Ortner.
Einzelne Gebote kennen viele noch aus dem Religionsunterricht: „Du sollst nicht töten“. Oder: „Du sollst Mutter und Vater ehren«. Nach biblischer Überlieferung hat Gott die »Zehn Gebote« dem Propheten Mose vor grauer Vor-Zeit auf zwei Steintafeln am Berg Sinai übergeben. Im Alten Testament wird die Geschichte überliefert. Bis heute sollen die Gebote die Haltung des gläubigen Menschen zu Gott und zu den Mitmenschen regeln. Wer daran glaubt, darf sich selig fühlen. Der Rechtsstaat setzt auf Gesetze und Verantwortung statt Gottvertrauen und Verdammnis. In Demokratien gilt: erst der Bürger, dann der Gläubige. Glaube ist Privatsache. Hierzulade ist die Trennung von Staat und Kirche ein Verfassungsgebot.
Auch in den USA gilt die Trennung von Staat und Religion – eigentlich …. Doch in Texas, ein Bundesstaat, der sich besonders dem Gebot »Du sollst nicht töten« verpflichtet fühlt, trotzdem aber die Todesstrafe noch immer vollstreckt wird – allein in diesem Jahr wurden bereits sechs Menschen hingerichtet – hat Gouverneur Greg Abbott gerade ein neues Gesetz unterzeichnet, das bibeltreue Politiker begeistert und Bürgerrechtsgruppen dagegen empört. Es sieht vor, dass in allen Klassenräumen öffentlicher Schulen des Bundesstaates demnächst eine gerahmte Kopie der Zehn Gebote in einer bestimmten englischen Textfassung mit den Maßen 41 mal 51 Zentimeter aufgehängt werden. Zudem unterzeichnete Abbott einen weiteren Gesetzentwurf, der Schulbezirken erlaubt, Schülern und Lehrkräften täglich eine freiwillige Gebetszeit oder Zeit zum Lesen religiöser Texte während des Unterrichts zu gewähren.
Das Gesetz setzt damit eine umstrittene politische Linie fort, in der vor allem konservative US-Bundesstaaten die Rolle der Religion im öffentlichen Schulwesen stärken wollen. Kritiker, darunter zahlreiche Vertreter anderer Religionen, befürchten eine Verletzung der Religionsfreiheit und eine indirekte Benachteiligung von Schülern anderer Glaubensrichtungen. Texas hat rund sechs Millionen Schüler an etwa 9.100 öffentlichen Schulen, die vielfältigen religiösen Hintergründen angehören. In einem gemeinsamen Schreiben warnten die Unterzeichner vor den rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen einer solchen Maßnahme.
Die Befürworter des Gesetzes dagegen argumentieren, dass die Zehn Gebote einen historischen und rechtlichen Grundstein der amerikanischen Nation darstellen und daher zum Bildungsauftrag gehören. Und deshalb sollen Schulen in Texas künftig zusätzliches Geld bekommen, wenn sie einem biblisch geprägten Lehrplan folgen. Die dortige, mehrheitlich von Republikanern geführte Bildungsbehörde genehmigte ein Curriculum, mit dem biblische Inhalte in den Lese- und Schreibunterricht von Grundschülern einbezogen werden. Für die Schulen gibt dafür finanzielle Anreize von bis zu 60 Dollar pro Schüler und Jahr.
Auch in anderen Staaten im Süden der USA versuchten Republikaner zuletzt, der Religion in öffentlichen Schulen mehr Gewicht zu geben. So sollen in Louisiana in Klassenzimmern und Hörsälen staatlicher Schulen und Universitäten die Zehn Gebote angebracht werden. Bürgerrechtsgruppen halten das für verfassungswidrig und gehen rechtlich dagegen vor. Die texanische Generalstaatsanwältin Liz Murrell jedenfalls kündigte an, das Gesetz kippen zu wollen und den Fall notfalls bis zum Obersten Gerichtshof der USA zu bringen. Gouverneur Abbott selbst hat bereits im Jahr 2005 als Generalstaatsanwalt erfolgreich vor dem Obersten Gerichtshof vertreten, dass ein Denkmal mit den Zehn Geboten auf dem Gelände des texanischen Kapitols bleiben darf. Er ist guter Dinge, dass er auch diesmal als Sieger hervorgehen wird.
Lesetipp
Helmut Ortner
AS KLERIKALE KARTELL
Warum die Trennung von Staat und Kirche überfällig ist
Nomen Verlag
272 Seiten, 24 Euro
