Messerkriminalität als politischer Sprengstoff

ChatGPT Messerangriff

Das Messer als Tatwaffe hat eine lange Tradition (Csef 2025). Es taucht bereits in der Bibel auf und fordert die Menschen seit Jahrtausenden heraus. In der Gegenwart wird die Messerkriminalität meist als sehr „heißes“ und kontroverses Thema im Kontext mit der Migrations- und Asylpolitik diskutiert, weil der Anteil der „nicht-deutschen Tatverdächtigen“ überproportional hoch ist.

Öffentliche Diskussionen zur Messerkriminalität werden virulent, wenn ein Ausländer mit einem Messer ein Tötungsdelikt begeht oder wenn die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zur Messerkriminalität veröffentlicht werden. Die Partei AfD instrumentalisierte wiederholt derartige Ereignisse oder Zahlen für polarisierende und spaltende Debatten.

Auf Antrag der AfD fand am 21. Mai 2025 im Deutschen Bundestag eine „Aktuelle Stunde“ zum Thema „Debatte über innere Sicherheit und Messerangriffe in Deutschland“ statt. Diese Debatte verlief – wie zu erwarten war – höchst kontrovers.

Aktuelle Ereignisse zur Messerkriminalität

Im Jahr 2025 gab es zahlreiche Ereignisse, die sich auf Messerkriminalität bezogen und bundesweit große mediale Aufmerksamkeit erregten.

  • Anfang April 2025 gaben die Innenministerien und das Bundeskriminalamt die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik PKS für das Jahr 2024 bekannt. Besonders besorgniserregend war die Zunahme der Gewaltkriminalität insgesamt und speziell die der Messerkriminalität.
  • Zwischen Mai 2024 und Januar 2025 gab es drei Messerangriffe durch Zuwanderer, die großes Aufsehen erregten und vor allem von Politikern stark instrumentalisiert wurden. Die drei kurz nacheinander erfolgten Messerangriffe von Mannheim, Solingen und Aschaffenburg erregten sehr große mediale Aufmerksamkeit.
  • Ein weiteres mediales Ereignis stimulierte die Diskussion über die Messerkriminalität. Im März 2025 erschien die Netflix-Serie „Adolescence“, in der ein 13jähriger Junge eine gleichaltrige Mitschülerin ersticht. Diese Filmserie war in kurzer Zeit die erfolgreichste Netflix-Serie weltweit. Bereits in den ersten drei Wochen erfolgten etwa 100 Millionen Abrufe. In England war es die meistgesehene Streamingserie, die überhaupt jemals gesendet wurde.
  • Im Jahr 2025 fanden Gerichtsverhandlungen zu Messermorden statt, die sich in den Jahren 2023 und 2024 ereignet hatten. Die „Messerstecherinnen von Freudenberg“ wurden bereits im Jahr 2023 öffentlich intensiv diskutiert. Zwei 12 und 13 Jahre alte Mädchen haben ihre 12 Jahre alte Schulkameradin Luise auf einem Waldweg brutal mit 70 Messerstichen „abgeschlachtet“. Die Grausamkeit dieser Bluttat erschütterte die ganze Nation. Wegen Strafunmündigkeit gab es kein Strafverfahren gegen die beiden Täterinnen. Im Jahr 2025 gab es allerdings Medienberichte über den Zivilprozess, der wieder Diskussionen über Messerkriminalität durch Kinder und Jugendliche entfachte. In Pragsdorf (Neubrandenburg) hatte ein 14jähriger Schüler einen 6 Jahre alten Nachbarsjungen erstochen. Im Mai 2024 wurde er wegen Mordes zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Mannheim, Solingen, Aschaffenburg – drei Tatorte mit Messerangriffen, die politisch intensiv diskutiert wurden

Am 31. Mai 2024 tötete ein 25jähriger Afghane in Mannheim bei einem Messerangriff einen Polizisten und verletzte fünf weitere Personen schwer. Am 23. August 2024 ereignete sich ein Messerangriff in Solingen. Ein 26jähriger Syrer tötete drei Menschen und verletzte zehn weitere Personen. In Aschaffenburg geschah am 22. Januar 2025 ein weiterer Messerangriff durch einen 27 Jahre alten Afghanen. Er tötete ein marokkanisches Kleinkind und einen deutschen Erwachsenen. Drei weitere Personen hat er schwer verletzt. Zwei der drei Täter hatten abgelehnte Asylbescheide und waren ausreisepflichtig. Der Täter von Aschaffenburg war bereits durch drei Gewalttaten polizeibekannt und war mehrmals in stationärer psychiatrischer Behandlung.  Die politischen Diskussionen zu illegaler Migration und Ausländerkriminalität waren zu dieser Zeit bereits sehr virulent. Der Dreiklang der Tatorte „Mannheim, Solingen, Aschaffenburg“ tauchte in vielen mit großer Empörung vorgetragenen politischen Diskussionen auf. Da alle drei Täter Migranten waren, flammte die Diskussion „Messerkriminalität durch Migranten“ auf. Weiterhin war bei zwei Tätern das Asylgesuch durch das Bundesamt für Migration abgelehnt worden und sie waren ausreisepflichtig – aber Jahre nach der Zuwanderung immer noch in Deutschland. Ein Täter war wegen mehreren Gewalttaten polizeibekannt. Die Kritik an den Sicherheitsbehörden war deshalb ausgeprägt, so dass Politiker zu Stellungnahmen gezwungen waren.

Messerkriminalität in der Polizeilichen Kriminalstatistik 

Die offiziellen Daten des Bundeskriminalamts aus der Polizeilichen Kriminalstatistik werden speziell zur Messerkriminalität erst seit 2021 systematisch erfasst und veröffentlicht. Im Bericht des BKA über das Jahr 2024 wurden 9.917 Messerangriffe im Kontext von gefährlicher und schwerer Körperverletzung gemeldet. Das waren 11 Prozent mehr als im Vorjahr 2023 und 22 Prozent mehr als im Jahr 2022. Im Kontext von Raubdelikten gab es im Jahr 4.768 Messerangriffe (3 Prozent weniger als im Vorjahr). Das BKA meldete also 14.685 Messerangriffe im Jahr 2024 im Kontext mit Körperverletzung und Raubdelikten. 922 Messerangriffe waren versuchte oder vollendete Tötungsdelikte. Letztlich sind 2024 bei Messerangriffen 179 Opfer gestorben. 743 Fälle waren versuchte Tötungsdelikte. Hinzu kamen 106 Messerangriffe im Kontext von Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Übergriffen. Die Gewaltkriminalität mit Messern als Tatwaffe umfasste insgesamt 15.741 Fälle. Die Gesamtzahl aller strafrechtlich relevanten Messerangriffe im Jahr 2024 betrug 29.014 Fälle (z.B. auch Fälle durch Bedrohung mit dem Messer ohne Gewaltanwendung).

Bezieht man die Messerangriffe auf die versuchten und vollendeten Tötungsdelikte insgesamt, so gibt sich in der PKS für das Jahr 2024 folgendes Bild: den 922 Messerangriffen stehen insgesamt 2.303 Tötungsdelikte (Kategorie „Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen“, versuchte und vollendete Tötungsdelikte) gegenüber. Etwa 40 Prozent aller Tötungsdelikte gingen also auf das Konto der Messerkriminalität.

Debatte zur Messerkriminalität im Deutschen Bundestag am 21. Mai 2025

Die Partei AfD hatte die Aktuelle Stunde beantragt und stellte mit dem Abgeordneten Martin Hess den ersten Redner. Dieser sprach von „explodierender Messerkriminalität“ und von einer „völlig verfehlten Migrationspolitik. Mit Bezug auf die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2024 betonte er: „Alle 18 Minuten wird in Deutschland ein Mensch mit einem Messer bedroht, verletzt oder getötet.“ Der nach ihm sprechende Redner Marc Henrichmann von der CDU/CSU relativierte diese Aussagen von Martin Hess mit dem Argument, dass „80 Prozent der Taten mit Messer im häuslichen Bereich“ stattfänden. Fast alle Redner trugen ihre altbekannten politischen Parolen vor und gingen fast gar nicht auf die kriminologischen Fakten zur Messerkriminalität ein. Insofern war diese Debatte wenig informativ, enttäuschend und nicht zielführend. Einzig die AfD freute sich wohl über den verstörenden Debattenverlauf. Ein AfD-Abgeordneter kommentierte die Aktuelle Stunde mit den Worten „Danke für den Werbeblock“ (Sostmann & Woldin 2025). Die vermutliche Absicht der rechtsextremistischen Partei AfD zur populistischen Polarisierung und Spaltung ist offensichtlich in Erfüllung gegangen.

Differenzierung statt Simplifizierung und Generalisierung 

Die Analyse der Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik PKS ist im Kontext mit Ausländern, Migranten oder Asylanten als Tatverdächtigen sehr schwierig. Die PKS spricht von „nicht-deutschen Tatverdächtigen“. In dieser Kategorie sind sehr heterogene Personengruppen zusammengefasst. Ein Großteil diese „Konglomerats“ sind europäische Staatsbürger oder EU-Bürger, die in Deutschland leben oder arbeiten. Wie hoch der Anteil von Migranten oder Asylanten unter den „nicht-deutschen Tatverdächtigen“ der erfassten Messerangriffe ist, lässt sich aus der PKS nicht herauslesen (Baier 2024). Auch Touristen oder Pendler gehören zu den „nicht-deutschen Tatverdächtigen“. Ohne diese Differenzierung kommt es zu fatalen Fehldeutungen der PKS. Weiterhin müsste differenziert werden, in welchen Deliktgruppen, die zur Messerkriminalität zusammengefasst werden, der Anteil der Migranten oder Asylanten wie hoch ist (Wollinger et al 2024). Auch dies gibt die PKS nicht her. Unter „Messerkriminalität“ werden Drohungen mit dem Messer, Raubdelikte mit Messer, Körperverletzung durch Messer und Tötungsdelikte mit der Tatwaffe Messer zusammengefasst. Die vom BKA für 2024 erfassten Messerangriffe betrugen insgesamt 29.014 Fälle. Davon waren 922 Messerangriffe versuchte oder vollendete Tötungsdelikte. 179 Opfer sind durch Messerangriffe gestorben. Dies entspricht einem Anteil von 0,62 Prozent an der Gesamtzahl der in der PKS erfassten Messerangriffe.

Diese und andere Differenzierungen sind für die Analyse erforderlich. Simplifizierungen und Generalisierungen, die zu Fehleinschätzungen führen, tragen nichts zur Problembewältigung bei – sie verstärken vielmehr die eh schon verbreitete Polarisierungen und Spaltungen (Lohse 2025). Populistischer Missbrauch wird dann zunehmend zu einer gesellschaftlichen Gefahr (Nowrousian 2024).

Zwei Tage später…

Die Debatte zur Messerkriminalität war am 21. Mai 2025. An den beiden folgenden Tagen gab es statistisch hochgerechnet etwa 160 Messerangriffe in Deutschland. Sechs davon waren besonders „blutig“ mit vielen Schwerverletzten. Die Medien berichteten entsprechend sehr ausführlich darüber (Überblick bei Anna Schmid 2025 und Anais Bockholt 2025).

Am 22. Mai 2025 verletzten in Berlin und in Remscheid zwei Kinder jeweils ein anderes Kind so schwer mit dem Messer, dass die Opfer im Krankenhaus notoperiert werden mussten. Auf dem Gelände der Grundschule am Weinmeisterhorn in Berlin-Spandau stach ein 13 Jahre alter Grundschüler einen 12 Jahre alten Mitschüler nieder. In Remscheid kam es zu einer blutigen Messerstecherei zwischen zwei Schülern. Dabei rammte ein 11 Jahre alter irakischer Junge dem anderen Jungen ein langes Küchenmesser mehrmals ins Bein.

Am Hamburger Hauptbahnhof stach eine psychisch kranke 39 Jahre alte Frau zahlreiche Reisende auf dem Bahnsteig mit einem Messer nieder. Die Täterin war polizeibekannt und schon mehrmals in stationärer psychiatrischer Behandlung. Nach ersten Angaben verletzte die Täterin 18 Menschen, davon schwebten vier in Lebensgefahr. Sechs weitere Reisende erlitten schwere Verletzungen, acht wurden leicht verletzt.

In Bielefeld stach in einer Bar in Bielefeld ein Syrer auf Gäste ein. Vier Menschen erlitten lebensgefährliche Verletzungen. In Halle an der Saale kam es vor einem Wohnblock zu einem Streit, in dem ein elfjähriges Mädchen, ihr 47 Jahre alter Vater und ein 29 Jahre alter Mann schwer verletzt wurden. In Kerpen stach direkt vor dem Amtsgericht ein Mann einen 42-Jährigen nieder, die schwer verletzt operiert werden musste.

Diese sechs blutigen Messerangriffe innerhalb von zwei Tagen verdeutlichen die Komplexität der Messerkriminalität. Sie zeigen auch die große Vielfalt der Täter-Opfer-Konstellationen. Bei den beiden Messerangriffen durch Kinder in Berlin und Remscheid kannten sich Täter und Opfer. Die Opfer überlebten schwerverletzt durch Notoperationen. Beide Täter sind strafunmündig und es wird deshalb keine weiteren strafrechtlichen Ermittlungen geben. Am Hamburger Hauptbahnhof war die Täterin eine deutsche Frau mit 39 Jahren, die vermutlich psychisch krank ist und nach der Festnahme in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Nur eine der sechs Taten erfolgte durch einen erwachsenen Asylanten (Messerangriff von Bielefeld). In Halle und Kerpen eskalierten Auseinandersetzungen zwischen deutschen Erwachsenen und endeten in einer Bluttat mit einem Messer.

Der oben formulierte Appell nach Differenzierung statt Simplifizierung und Generalisierung erscheint durch die dargestellten sechs neuen Fälle mehr als berechtigt.

Literatur

Baier, Dirk, Messerangriffe durch Migranten. Interview mit Jutta Rinas, Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 28. Oktober 2024

Bockholt, Anais, 96 Stunden Messer-Horror in Deutschland. Focus vom 21. Mai 2025

Bundesministerium des Inneren und für Heimat (Hrsg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2024. Download vom 2. April 2025

Csef, Herbert, Psychologie der Messergewalt. Historisches Erbe und zeitgenössische Phänomene. Die Kriminalpolizei Nr. 2, 2025, S. 4 – 8

Csef, Herbert, Faszination Messer – Die Crux der aktuell gestiegenen Messerkriminalität. Tabularasa Magazin vom 6. Mai 2025

Deutscher Bundestag, Aktuelle Stunde. Debatte über innere Sicherheit und Messerangriffe in Deutschland. Pressemitteilung vom 21. Mai 2025

Lohse, Eckart, Debatte im Bundestag. Verhärtete Fronten zur Messerkriminalität. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Mai 2025

Nowrousian, Bijan, Migrantenkriminalität: Zum Stand der Dinge. Die Kriminalpolizei, Teil 1, Nr. 1, 2024, S. 29ff.  Teil 2, Nr. 2, 2024, S. 23 ff.

Schmid, Anna, Berlin, Bielefeld, Hamburg, Halle. Kriminologen sagen, was Sie über Messergewalt in Deutschland wissen sollten. Focus vom 24. Mai 2025

Sostmann, Uma, Woldin, Philipp, „Danke für den Werbeblock“, sagt der AfD-Mann nach der Debatte über Messergewalt. Die Welt vom 22. Mai 2025

Wollinger, Gina Rosa, Kersting, Stefan, Engelen Alina, „Messerkriminalität“ in Deutschland – Entwicklung der Fallzahlen und Forschungsbefunde. Kriminalistik 78, 12 (2024) 656 – 663

Korrespondenzadresse

Professor Dr. med. Herbert Csef

Email: herbert.csef@gmx.de

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Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.