Jan Böhmermann soll geholfen werden

Apotheke, Foto: Stefan Groß

Das nächste Opfer soll Jan Böhmermann werden. In Österreich kommt man schnell zu Problemen mit Sachwalterschaft.  Ein Anwalt aus Wien brachte einen Antrag auf Betreuung gegen den deutschen Kabarettisten ein.  Jetzt soll das Amtsgericht in Köln entscheiden.


Der Antrag des Wiener Anwalts Wolfgang List, der beim Amtsgericht Köln eingereicht wurde, liegt uns jetzt vor. Demnach solle Jan Böhmermann geholfen werden.  In seinem Schreiben betonte Anwalt List: 

Weiters ist Jan Böhmermann auch auf dem sozialen Medium Twitter verhaltensauffällig geworden. (…) Dies hat gelinde gesagt für große Verunsicherung und Besorgnis in Bezug auf Jan Böhmermann in Österreich gesorgt. Aufgrund dieses Sachverhalts besteht die Vermutung, dass Jan Böhmermann dringend Beistand benötigen könnte“.Anwalt List möchte mit seinem Antrag das Amtsgericht in Köln bewegen: „Ein Verfahren  gemäß dem Betreuungsrecht einzuleiten“.


Sachwalter soll enteignen

Was bedeutet eine solche „Hilfe“ für Böhmermann in Österreich? Ein Sachwalter wird vom Gericht eingesetzt. Der Sachwalter übernimmt alle Vermögenswerte und Einkünfte von Böhmermann. Die Immobilien von Böhmermann werden verkauft. Seine Wohnung wird geräumt. Der Sachwalter kassiert alle Erträge, die die Verkäufe des Besitzes von Böhmermann erzielen. Böhmermann wird eventuell noch gestattet, ins Exil zu gehen, ansonsten drohe Einweisung in eine geschlossene Anstalt.

Schnell kann man in Österreich unter Sachwalterschaft gestellt werden. Es gibt tausende Fälle, die Hinweise auf solche Enteignungen durch eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft vorlegten.

Jan Böhmermann verfügt über das Glück, dass für ihn das Amtsgericht Köln zuständig ist. Anwalt List konnte seinen Antrag nicht bei einem Bezirksgericht in Wien einbringen, das in der Regel alle Unterlagen des Betroffenen ignoriert und die Enteignung durch einen Sachwalter bewilligt.

Doch zögerte List nicht, einen solchen Schritt in Köln einzuleiten. Mit dem Hinweis an das Amtsgericht Köln:

„Wir hoffen, dass Jan Böhmermann auf diesem Weg besser geholfen werden kann“.


Aufregung nach ORF-Sendung


Für Aufregung sorgte zuvor ein Auftritt des Kabarettisten Böhmermann, der vom österreichischen Fernsehen ORF im Mai in die Sendung „Kulturmontag“ eingeladen wurde.  In der Sendung wurde Böhmermann mit einem Zitat des Autors Thomas Bernhard konfrontiert, das die Österreicher als „sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige“ bezeicchnet.

Die Frage stellte der ORF-Moderator Christian Konrad. Schlagfertig antwortete Böhmermann:
„Das Rad der Zeit hat sich ja weitergedreht. Jetzt sind es schon acht Millionen Debile“.

Die ORF-Sendung mit Jan Böhmermann wurde auf Youtube veröffentlicht:
Jan Böhmermann rechnet in einer Ausstellung mit Österreich ab (kulturMontag, ORF vom 6. 5. 2019)


 
Es handelte sich bei dem Zitat um eine Textstelle aus Bernhards Stück „Heldenplatz“, die Uraufführung wurde 1988 von Claus Peymann am Burgtheater inszeniert:

Österreich selbst ist nichts als eine Bühne,
auf der alles verlottert und verkommen ist,
eine in sich selber verhasste Statisterie
Von sechseinhalb Millionen Alleingelassenen,
sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige,
die ununterbrochen aus vollem Hals nach einem Regisseur schreien.
(Thomas Bernhard: Heldenplatz)


Dozent am Juridicum

Der Wiener Anwalt Wolfgang List reagierte, so wie er es von der juristischen Praxis in Österreich gewohnt ist. Er stellte einen Antrag auf Sachwalterschaft, der die totale Enteignung des Betroffenen bewirken soll, damit dieser nicht weiter tätig sein kann.

Wolfgang List ist ein erfahrener Anwalt. Er war ursprünglich an einer Laufbahn als Rechtswissenschafter an der Universität orientiert. Er ist Universitätsdozent mit einem Lehrauftrag am Juridicum der Universität Wien.  Seine Habilitationsschrift legte er an der Universität Innsbruck für das Fach Verfassungs- und Verwaltungsrecht ab. Er erhielt damit 2002 die Berechtigung zur Lehre an der Universität und wurde Universitätsdozent.

Als Rechtsanwalt wurde Dozent List erst danach tätig, im Jahr 2005.


Amtsgericht Köln entscheidet

Der Antrag von Dozent List ist kein Kabarett. In Österreich bedeutet Sachwalterschaft eine ernste Bedrohung der GrundrechteBöhmermann wurde  vom ORF als Kabarettist eingeladen. Üblicherweise ist es die Erwartungshaltung des Senders, dass dabei für das Publikum der entsprechende Unterhaltungswert entsteht und damit auch die Einschaltquoten gesteigert werden. Nötigenfalls durch eine provokante Frage .

Die Entscheidung über die weitere Zukunft des Künstlers Jan Böhmermann liegt jetzt beim Amtsgericht in Köln.
Wolfgang Schorn, der Pressesprecher des Amtsgerichts Köln, teilte auf Anfrage mit:
„Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass es sich bei Betreuungsverfahren um nicht-öffentliche Verfahren handelt. Daher kann ich generell keine Angaben zu Einzelfällen machen”.

Links:

Abschied vom Rechtsstaat: Österreichische Volksanwaltschaft legte Jahresbericht für 2018 vor
(Tabula Rasa Magazin, 1. 5. 2019)

Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel: Zur Verletzung von Grundrechten im EU-Mitgliedsstaat Österreich
(Tabula Rasa Magazin, 6. 7. 2018)

Enteignung durch das Instrument Sachwalterschaft
(The European, 11. 7. 2017)





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Über Johannes Schütz 100 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel