Abschied vom Rechtsstaat – Österreichische Volksanwaltschaft legte Jahresbericht für 2018 vor

Volksanwälte Kräuter, Brinek und Fichtenbauer bei der Präsentation des Jahresberichts 2018 (Foto: Volksanwaltschaft)

159 Enteignungen werden für 2018 genannt. Weitere Vorfälle nicht in der Statistik.  Begleitung eines Falles mit Medienberichten wird von der Volksanwaltschaft auf Anfrage abgewehrt.

In Österreich ist es möglich, einen Mord zu begehen und das Opfer verschwinden zu lassen, ohne dass Ermittlungen durchgeführt werden. Die Wohnräume des Ermordeten werden geplündert und das Vermögen übernommen. Niemand schreitet ein. Staatliche Institutionen stellen zur Schau, dass ein solcher Zustand für normal gehalten wird.  Korrupte Justizbehörden führen die Plünderungen gemeinsam mit Komplizen und Handlangern durch.

In dieser Weise muss der aktuelle Bericht der österreichischen Volksanwaltschaft bewertet werden, denn wir hier zum dritten Mal, wie schon in den beiden Vorjahren, analysieren.

Die Situation im Nachbarland ist in Deutschland noch nicht in der öffentlichen Debatte und entsprechend bewusst. Die dokumentierten Vorfälle in Österreich bedeuten den Abschied vom Rechtsstaat und von einem Gesellschaftsvertrag, der die sichere Grundlage des wirtschaftlichen, kulturellen und persönlichen Zusammenlebens durch eine staatliche Organisation garantiert. Jedenfalls muss vor Ansiedelung und Investment in der Republik Österreich deutlich gewarnt werden.


Enteignung auf den Begriff gebracht

159 willkürliche Enteignungen muss die österreichische Volksanwaltschaft dieses Mal zugeben. Im Jahresbericht für 2018, der am 25. April vorgelegt wurde:
Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2018: Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, Wien, 2019, S. 176f.

In Österreich werden solche Plünderungen seit Juli 2018 mit einem Euphemismus versehen.  Sie nennen es jetzt „Erwachsenenschutz“.  Denn der Begriff „Sachwalterschaft“, zuvor verwendet, wurde bereits mit schwer kriminellen Vorfällen in Verbindung gebracht, so dass eine neue Bezeichnung erforderlich wurde.  Mit einem „Erwachsenenschutzgesetz“ sollten die strafrechtlich relevanten Angriffe nochmals legitimiert werden.

Erwachsenenschutz ist ein Beispiel für eine begriffliche Camouflage, die die österreichische Justiz gerne einsetzt. Die Methoden der Lingua Tertii Imperii, die der Philologe Victor Klemperer für die Zeit des Nationalsozialismus in seinem beeindruckenden Werk LTI beschrieb, sind dabei im zeitgenössischen Österreich das unverkennbare Vorbild.

Es müsste die Frage beantwortet werden: Vor welchen Gefahren und in welcher Weise sollen die Erwachsenen denn geschützt werden? Offenbar nicht vor Plünderungen und Mordtaten, sondern vom Bedürfnis, ihr Vermögen nach eigenen Vorstellungen zu verwenden und zu verwalten.

Zahlreiche Anfragen

Im aktuellen Jahresbericht der österreichischen Volksanwaltschaft wurde vermerkt, dass 2018 auch auf Eingaben verzichtet wurde, da die Betroffenen hofften, dass mit dem Erwachsenenschutzgesetz im nächsten Jahr eine Verbesserung eintreten würde:

„Zusätzlich (…) erreichten die VA [Volksanwaltschaft] zahlreiche telefonische Anfragen zur neuen Rechtslage ab Juli 2018. Die Anfragen ließen die Erwartung erkennen, dass mit Inkrafttreten des 2. ErwSchG „automatisch“ eine Aufhebung der Sachwalterschaft erfolge”.
(Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2018: Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, S. 176f.)

„Zusätzlich“, das bedeutet weitere Fälle, nämlich „zahlreiche“, die nicht in der offiziellen Statistik der 159 Beschwerden aufscheinen.

Wer mit den Verhaltensweisen der österreichischen Volksanwaltschaft bereits in Berührung kam, der darf anmerken, dass bei den Anfragen wieder versucht wurde, die Beschwerden möglichst zu blockieren. Dabei könnte durch die Gesprächsführung auch die Erwartungshaltung einer Verbesserung induziert worden sein. Damit eine reduzierte Zahl in der Statistik erzielt wird.

Die „automatische“ Aufhebung der Enteignung durch Sachwalterschaft will die Volksanwaltschaft dabei offenbar in ihrem aktuellen Bericht nicht einmal behaupten.

Die Schäden, die durch die willkürlichen Enteignungen bereits seit Jahren entstanden sind, können nicht mehr behoben werden. Es gehen bei solchen kriminellen Plünderungen nicht nur Vermögenswerte verloren, sondern auch persönliche Gegenstände, Erinnerungsstücke, Familientradition, Fotografien, Dokumente und Schriftstücke.

Es sind schwere Eingriffe in die Grundrechte, auch in das Familienrecht, das Recht auf Freiheit von Kunst und Wissenschaft, die unternehmerische Freiheit. Selbstverständlich auch, wie stets in diesen Beiträgen betont, in das Eigentumsrecht und in die Achtung der Wohnung und Kommunikation, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union eindeutig definiert wurden.


Gute Beziehungen

Volksanwältin Brinek und österreichische Behörden verwendeten in den vergangenen Jahren immer wieder die Ausrede, dass durch eine Änderung der Gesetze eine Verbesserung des skandalösen Zustandes erreicht werden könne. Tatsächlich sind die Plünderungen aber durch kein Gesetz gedeckt. Eine Verbesserung wird deshalb durch Debatten über Gesetzesreformen nicht ermöglicht, sondern nur durch ein scharfes Durchgreifen mit dem Strafgesetzbuch.  Die Täter sind längst in Haft zu nehmen.

Schon in den beiden vergangenen Jahren wurde erklärt, dass Volksanwältin Gertrude Brinek, die für das Ressort Justiz zuständig ist, Maßnahmen setzen müsste. Gerne ließ Brinek mit Wolfgang Brandstetter sich fotografieren, dem früheren Bundesminister für Justiz.  Etwa beim Weihnachtspunsch, zu dem Justizminister Brandstetter seine Gäste im Dezember 2017 in den Innenhof des Justizministeriums eingeladen hatte.

Bei einer dieser Gelegenheiten hätte Volksanwältin Brinek den österreichischen  Justizminister auf das Problem mit korrupten Justizbehörden und verletzten Grundrechten aufmerksam machen können. Sollte Brandstetter dafür anderweitig zu beschäftigt gewesen sein, etwa durch seine Interessen für schnelle Autos und eine swinging Jukebox, die er im Vorraum seines Ministerbüros installierte, so hätte Brinek auch die Möglichkeit gefunden, mit seinem Kabinettschef Clemens-Wolfgang Niedrist darüber ein Gespräch zu führen. Brinek sollte Niedrist gut kennen.

Niedrist, 1988 geboren, wurde im März 2017 Kabinettschef des österreichischen Bundesministers für Justiz. Er blieb bis heute, auch unter dem neuen Justizminister Moser, in dieser Funktion. Erfahrungen sammelte Niedrist zuvor als Obmann der Jungen VP im Bezirk Wien-Leopoldstadt. Auf Facebook gratulierte die JVP Leopoldstadt am 2. März 2017:
„Unser JVP-Leopoldstadt Obmann Clemens Niedrist ist Kabinettschef!! Gratuliere lieber Clemens!!!!”
(
https://www.facebook.com/oevp2/posts/2090806614479377)

Die Leopoldstadt bot auch für die spätere Volksanwältin Gertrude Brinek den Einstieg in die politische Laufbahn. Sie begann dort 1983 als Bezirksrätin und wurde schließlich Bezirksparteiobfrau der ÖVP Wien Leopoldstadt. Brinek kennt die Leopoldstadt dadurch sehr genau, den 2. Wiener Gemeindebezirk, am Donauufer gelegen mit dem Bazarviertel Mexikoplatz und dem Vergnügungspark Prater mit Schießbuden und dem Riesenrad, damit fraglos auch Clemens-Wolfgang Niedrist.

Erforderliche Maßnahmen

Sollte Kabinettschef Niedrist dennoch keine Maßnahmen setzen, so blieben Volksanwältin Brinek, wie auch in den vergangenen Jahren, die folgenden Möglichkeiten:

Erstens hätten längst Strafanzeigen “von Amts wegen” erfolgen müssen. Die Volksanwaltschaft nennt es „Beschwerden“. Tatsächlich handelt es sich um Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände, die bei der Volksanwaltschaft zur weiteren Bearbeitung angezeigt werden. Die Volksanwaltschaft ist als staatliche Organisation verpflichtet, Strafanzeigen über strafrechtlich relevante Tatbestände „von Amts wegen“ einzubringen, wenn sie davon Kenntnis erlangt. 

Zweitens müsste die Volksanwaltschaft eine Dokumentation vorlegen, in der alle Beschwerden über Sachwalterschaften verzeichnet sind. Durch eine solche ausführliche Dokumentation lässt sich das System und Zusammenhänge erkennen. Statistiken können angelegt werden. Man sieht dann, wie oft ein bestimmter Sachwalter genannt wird und welche Bezirksrichter und Gutachter mit einem solchen Sachwalter in Verbindung stehen. So wird das kriminelle Netzwerk aufgedeckt.

Dafür sind jedenfalls Befugnisse gegeben. Es ist sogar ausdrücklich vorgesehen, dass die Volksanwaltschaft an das Parlament „jederzeit themenbezogene Sonderberichte übermitteln kann“.

Drittens müssen Medien und Öffentlichkeit durch Veranstaltungen, Konferenzen und Presseaussendungen ernsthaft und regelmäßig über die Vorfälle und erforderliche Maßnahmen informiert werden. Einzelne Fälle sind beharrlich mit einer solchen Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten.


Spektakuläre Fälle

Für diesen Beitrag wurde die Volksanwaltschaft angefragt zum aktuellen Stand von Fällen, über die in den Vorjahren berichtet wurde. Für die Anfrage wurden drei Fälle ausgewählt.

Aus dem Berichtsjahr 2017:
Eine Wiener Ärztin, die mit ihren Eltern im selben Haus, wenn auch in getrennten Wohnungen, lebt, kritisierte die Anordnungen des Sachwalters ihrer Mutter. Dieser habe ihr den regelmäßigen Kontakt zu den Eltern untersagt. Nur zu Geburtstagen und zu Weihnachten dürfe sie die Wohnung der Eltern betreten, wenn deren Pflegerin anwesend ist. Gegenüber dem Gericht und dem Sachwalter sei sie ohnmächtig. Ihr sei sogar angedroht worden, dass ein Räumungsverfahren gegen sie eingeleitet werde, wenn sie sich den Anweisungen des Sachwalters widersetzt.
(Aktenzahl: VA-BD-J/0560-B/1/2017).

Aus dem Berichtsjahr 2016:
Eine Unternehmerin, die mit ihrem erheblich älteren Ehemann viele Jahre erfolgreich einen Betrieb aufgebaut und geführt hatte, kritisierte die wirtschaftlich nicht nachvollziehbare Vorgangsweise des Sachwalters ihres Mannes. Dieser habe die nunmehrigen Geschäftsführer gekündigt und sei dabei, das Unternehmen zu zerschlagen. Ein gut gehender Familienbetrieb mit sicheren Arbeitsplätzen würde zunichte gemacht, für die beiden studierenden Söhne würde nichts übrig bleiben.
(Aktenzahl: VA-BD-J/0915-B/1/2016)

Aus dem Berichtsjahr 2014:
Eine vormalige Kaffeehausbesitzerin kritisierte, dass sie durch Versäumnisse des Sachwalters ihr Lokal und ihre Wohnung verloren habe und nunmehr auf der Straße leben müsse.
(Aktenzahl: VA-BD-J/1013-B/1/2014).

Offenbar durfte eine Ärztin ihre Eltern nur noch zu Weihnachten sehen, weil der Sachwalter ihr den Kontakt verboten hatte. Sollte die Ärztin weiter Widerstand leisten wollen, würde ihre eigene Wohnung geräumt, drohte ihr der Sachwalter. Die beiden weiteren Fälle zeigten, dass auch lukrative Unternehmen gerne von Sachwaltern übernommen werden.  Das waren doch Fälle, deren weitere Entwicklung man noch erfahren wollte.

Information blockiert

Doch die Volksanwaltschaft gibt darüber keine Auskunft. Agnieszka Kern, die ansonsten bemühte Pressesprecherin der Volksanwaltschaft, teilte mit:
„Zu einzelnen Prüffällen darf ich Ihnen aufgrund der Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes keine Einzelheiten weitergeben“.
(Agnieszka Kern, Pressesprecherin der Volksanwaltschaft, Email vom 18. 4. 2019)

Es wird grundsätzlich keine weitere Information zu den Fällen gegeben, die in den Berichten der Volksanwaltschaft nur mit einer Kurzbeschreibung in wenigen Sätzen genannt werden. Im Sinne der Betroffenen ist diese „Amtsverschwiegenheit“ keinesfalls, tatsächlich werden damit nur die Daten der kriminellen Sachwalter geschützt.  Auch hier kann man am Gebrauch der Begriffe, Amtsverschwiegenheit und Datenschutz, die „Lingua Tertii Imperii“ des Victor Klemperer diagnostizieren.

Offenbar wurde keinerlei Verbesserung erzielt, von der die Volksanwaltschaft berichten könnte. Ansonsten wäre der Fortschritt wohl als Jubelmeldung im Bericht der Volksanwältin bereits verkündet worden.

Begleitung der Fälle abgelehnt

Deshalb teilte ich der Pressesprecherin mit, dass ich einen Fall mit Medienberichten begleiten würde.  Dies war ebenfalls nicht möglich. Es wird von der österreichischen Volksanwaltschaft grundsätzlich kein Kontakt zu Betroffenen vermittelt.

„Ich bin daran interessiert, einen der genannten Fälle mit Berichten publizistisch zu begleiten. Ich ersuche um Herstellung eines Kontaktes“, schrieb ich der Pressesprecherin am 19. April.
(Johannes Schütz, Email vom 19. 4. 2019)

Pressesprecherin Kern antwortete unverzüglich:
„ich verstehe Ihr Interesse, aber ich darf Ihnen keine personenbezogenen Daten weitergeben“.
(Agnieszka Kern, Pressesprecherin der Volksanwaltschaft, Email vom 19. 4. 2019)

Damit zeigt die Volksanwaltschaft, dass völliges Desinteresse an Berichten in den Medien gegeben ist. Obwohl es möglich wäre, dass durch die kontinuierliche Begleitung eines Falles eine Verbesserung erzielt wird. Offenbar ist eine Verbesserung gar nicht erwünscht, denn die österreichische Volksanwaltschaft versucht, eine solche Pressearbeit zu verhindern.  Bereits dieses Verhalten müsste als ungeheuerlicher Skandal der Volksanwaltschaft bewertet werden.


Haftbedingungen als Schwerpunkt

Im Bericht für 2018 verzichtete Volksanwältin Brinek darauf, Beispiele für Fälle von Enteignung auch nur kurz zu beschreiben. Die promovierte Sonderpädagogin Brinek, die als Universitätsassistentin, vor ihrer politischen Karriere, den für seine Methoden berüchtigten Psychiater Walter Spiel in der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters begleitete, bevorzugte einen anderen Schwerpunkt.

Während Brinek den Enteignungen durch die Methode Sachwalterschaft nur zwei Seiten widmete, wurden die Haftbedingungen in österreichischen Gefängnissen auf  20 Seiten in die Kritik genommen. Brinek rechnet offenbar damit, dass die Mittäter der Plünderungen bald ins Gefängnis kommen.

Links:Österreichische Volksanwaltschaft legt Jahresbericht für 2017 vor: Erschreckende Fakten über die Verletzung von Grundrechten
(Tabula Rasa Magazin, 10. 5. 2019)

Zum Bericht der Österreichischen Volksanwaltschaft für 2016;
Grundrechte in der Europäischen Union werden verletzt
(The European, 6. 6. 2017)

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Über Johannes Schütz 100 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel