Tischfußball im österreichischen Kanzleramt – Karl Nehammer spielt mit Teamchef Ralf Rangnick

Kanzler Karl Nehammer (rechts) mit Ralf Rangnick beim Tischfußball im Kanzleramt am 16. Mai. (Foto: Bundeskanzleramt)
Kanzler Karl Nehammer (rechts) mit Ralf Rangnick beim Tischfußball im Kanzleramt am 16. Mai. (Foto: Bundeskanzleramt)

Der österreichische Kanzler Nehammer will ein Nationalstadion bauen. Der tatsächliche Notstand des Landes soll damit camoufliert werden. Denn Kultur und Werte sind beschädigt. Österreich ist keine Insel der Seligen. Ein Kommentar. Von Johannes Schütz.

„Ich habe mit Teamchef Der österreichische Kanzler Nehammer will ein Nationalstadion bauen. Der tatsächliche Notstand des Landes soll damit camoufliert werden. Denn Kultur und Werte sind beschädigt. Österreich ist keine Insel der Seligen. gespielt und ein 1:1 Unentschieden erkämpft“, erzählte der österreichische Kanzler Nehammer stolz auf Facebook.
(Karl Nehammer, Facebook, 17. 5. 2024, https://m.facebook.com/nehammerkarl)

Karl Nehammer vermittelte damit einen Eindruck von der herrschenden Arbeitsmoral in österreichischen Behörden. Ansonsten erklärte Nehammer noch, dass ein „adäquates“ Stadion für das österreichische Fußballteam geschaffen werden müsse. Schon in seinem Österreichplan 2030 versprach Nehammer den „Bau eines neuen Nationalstadions„.
(Der Österreichplan von Bundeskanzler Karl Nehammer,, S. 27)

Tatsächlich forderte die Truppe um Nehammer seit Jahren, dass das bewährte Stadion von Wien abgerissen werde, das nach Ernst Happel benannt wurde, der Legende des österreichischen Fußballs, der in Holland auch als Trainer herausragende Erfolge erzielte. Es sollte eine besondere Auszeichnung für Happel sein, dass ihm das große Wiener Praterstadion gewidmet wurde.

Protzendes Nationalstadion

Es genüge das Stadion von Wien nicht mehr den Ansprüchen der österreichischen Fußballer, so Nehammer. Ein prunkvolles „Nationalstadion“ müsse geschaffen werden. Der protzende Neubau soll 100 Millionen Euro kosten.

Die Verantwortlichen in der Stadt Wien waren von diesen Plänen nicht so begeistert wie Kanzler Nehammer. Sie betonten, dass das Stadion auch für andere Veranstaltungen sehr gut genutzt werde, insbesondere für Konzerte.  Man könne aber einen Umbau vornehmen, falls dies erforderlich erscheine. Noch im November 2023 wurde im Wiener Gemeinderat beschlossen, dass mit einer  Photovoltaikanlage am Dach und Erdwärme eine neutrale  Energieversorgung der Sportstätte eingerichtet wird.

Für die EURO 2008 wurden in Österreich bereits vier Stadien so ausgestattet, dass sie den Ansprüchen einer Europameisterschaft genügen, eben das Happel-Stadion im Wiener Prater, sowie die Stadien in Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt. Doch wurde jetzt von einer „Stadionmisere“ gesprochen, die endlich beendet werden soll.

Neues Nationaltheater könnte für Orientierung sorgen

Nehammer schwärmt davon, „wie identitätsstiftend Fußball und die Nationalmannschaft für Österreich sind“.

Allerdings könnte Nehammer, wenn es um die Identität des Landes geht, als nächste Maßnahme auch den Abriss des Burgtheaters favorisieren und den Bau eines neuen Nationaltheaters forcieren, das den österreichischen Schauspielern genüge, die um den Oscar kämpfen.

Die Nationaltheateridee wurde von der Kameralistik im 18. Jahrhundert als grundlegend für die Identität des Staates betrachtet. Im neuen Nationaltheater könnte Nehammer inspiriert werden, vom Guten, Wahren und Schönen, von hohen Dramen, wie „Der Sachwalter von Venedig“ nach Shakespeare, „Das zerbrochene Buch“ nach Kleist, „Lena Telling“, die Geschichte eine Nationalheldin in einer Bearbeitung nach Schilling. Damit die Qualität der Kultur erhalten bleibt, europäische Werte und Leitbilder vermittelt werden können, die die dringend notwendige Orientierung für die Elite des Landes schaffen.

Spieltisch irritiert Ernsthaftigkeit des Amtes

Selbstverständlich ist es Kanzler Nehammer nicht verwehrt, euphorisch Tischfußball in einer Freizeiteinrichtung zu spielen, jedenfalls in einem Jugendzentrum, eventuell in den Räumen des ÖFB, auch in seinem persönlichen Partykeller. Doch muss ein solcher Spieltisch kritisch betrachtet werden, wenn er im Büro des Kanzlers aufgestellt wird, könnte damit doch die notwendige Konzentration irritiert und die ernsthafte Arbeitshaltung gestört werden, die für dieses Amt unbedingt erforderlich ist.

Die aktuelle Situation im Lande Österreich entspricht keinesfalls dem Mythos von einer „Insel der Seligen“. Mit der Mär vom Notstand beim Fußballstadion wird die tatsächliche Verfassung des Landes camoufliert. Die Debatte sollte vielmehr geführt werden, über den Notstand der Kultur, den Notstand in der Bildung und Wissenschaft, den Notstand der Universitäten, sogar über den Notstand in der Wirtschaft, wenn schon vermieden wird, den Notstand in der Justiz zu erörtern.

Nachdem Nehammer das Verbot des Verbrennungsmotors in der Europäischen Union zu Fall bringen wollte, härtere Strafen für Klimaschützer forderte, jetzt also der Bau eines Nationalstadions. Welche Vorhaben sollen noch folgen? Gefängnis für Autoren, die Kultur und Werte des Landes verteidigen wollen. Vermögenskonfiskation für Kritik an den schlechten Sitten der Regierung?

Eine solche Abschaffung des Rechtsstaates kann durch gigantische Nationalbauten nicht verdeckt werden, die der monumentalen Architektur des Präsidenten von Kasachstan gleichen.

Links:

Verletzungen des Rechtsstaates auch im Österreichplan 2030
Tabula Rasa, 18. 2. 2024
Strafverfolgung bei Amtsmissbrauch wird erschwert. Beschlagnahmung von Vermögenswerten bei der Einreise. Härtere Strafen für Klimaschützer. Auch der Österreichplan für 2030 von Kanzler Nehammer belegt die Notwendigkeit eines EU-Verfahrens gegen Österreich
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-verletzungen-des-rechtsstaates-auch-im-oesterreichplan-2030

 Karfreitagsbericht 2023 aus Österreich:
Sachwalterschaft, Erwachsenenvertretung und Vermögensübernahmen
Tabula Rasa, 7. 4. 2023
Schutz des Eigentums. Unterschlagung von Renten. Verletzungen des Familienrechts. Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung. Das waren die Themen im Aschermittwochbrief. Befragt wurde der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-karfreitagsbericht-2023-aus-oesterreich-sachwalterschaft-erwachsenenvertretung-und-vermoegensuebernahmen

Erbschaft oder Lottogewinn
Kommentar zur Rede des österreichischen Bundeskanzlers Nehammer

Tabula Rasa, 13. 3. 2023
Karl Nehammer hielt eine Rede zur Lage der Nation. Ohne Lösungen für die Zukunft.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-erbschaft-oder-lottogewinn-kommentar-zur-rede-des-oesterreichischen-bundeskanzlers-nehammer

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Über Johannes Schütz 104 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel