Kafkaesker Prozess gegen Autor Kröpfl

Foto: Heinz Kröpfl vor dem Landesgericht Leoben

Am 24. August muss der österreichische Schriftsteller Heinz Kröpfl ins Landesgericht Leoben. Die Staatsanwältin droht mit einem Jahr Gefängnis. Auch ein psychiatrisches Gutachten wurde erstellt.  Der Autor arbeitete an einem Buch über die steirische Justiz.


Die Lesetournee von Heinz Kröpfl sollte am 16. September in Graz starten, dann in Wien und Berlin fortgesetzt werden. Mit seinem Buch „Bis zum Wendepunkt“. Doch jetzt droht die Staatsanwaltschaft in Leoben mit einer Freiheitsstrafe.

„Heinz KRÖPFL hat hierdurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB begangen und wird hierfür nach dieser Gesetzesstelle zu bestrafen sein“, schrieb Staatsanwältin Mag. Elisabeth Uller in den Strafantrag, den sie mit 30. Juli datierte und laut Eingangsstempel am 4.  August, 17.40 Uhr hinterlegte.

Es droht damit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Richter Mag. Peter Wilhelm vom Landesgericht Leoben datierte die Ladung mit 3. August und setzte die Verhandlung am 24. August an, um 9.15 Uhr, im Saal D, im 1. Stock des Justizzentrums Leoben. Somit kann es sein, dass die Buchpräsentation von Heinz Kröpfl im September nicht mehr stattfinden wird, weil er bereits ins Gefängnis gebracht wurde und damit seine Lesungen ein Jahr lang blockiert sind.


Schreibt an einem Buch über die steirische Justiz

Heinz Kröpfl schrieb bereits der Grazer Autorenversammlung und ersuchte um Unterstützung. In seinem Brief betonte Kröpfl, dass er an einem kritischen Buch über das Justizwesen in der Steiermark arbeitet:

„Dadurch sogar in erster Linie das Erscheinen meines (über-)nächsten Buches 2022 im Verlag Anton Pustet (Salzburg), das sich unter dem Arbeitstitel „Jagdfieber. (K)ein Kriminalroman“ sehr kritisch mit dem Polizei- und Justizwesen in der Steiermark beschäftigt (!) und dessen Inhalt u. a. auch bereits der Polizei und der

Staatsanwaltschaft bekannt geworden ist, unbedingt und unter Einsatz aller Mittel verhindert werden soll“.


Mutter war verschollen

Die Mutter von Heinz Kröpfl ist die Eigentümerin von zwei Häusern in St. Michael.  Der Wert der Immobilien beträgt rund eine halbe Million Euro. Sie musste aus gesundheitlichen Gründen in ihrem Haus von einer Pflegerin betreut werden, die mit dieser Tätigkeit am 7. Oktober 2020 begann. 

Laut Aussage von Heinz Kröpfl, die in der Beschuldigtenvernehmung der Landespolizei Steiermark dokumentiert ist, riet ihm die Pflegerin mehrfach, dass er seine Mutter „in die Psychiatrie einweisen lassen“ sollte. Kröpfl lehnte dies ab.
Dann musste Kröpfl besorgt feststellen, dass seine Mutter nicht mehr in ihrem Haus sich befindet.

Kröpfl wollte bereits am 1. Juni von der Pflegerin eine Auskunft über den Aufenthaltsort seiner Mutter erhalten. Er konnte sie aber telefonisch nicht erreichen. Dann setzte er am 4. Juni dafür eine Korrespondenz über„Whats-App“ ein, die ebenfalls im Polizeibericht dokumentiert wurde. Demnach formulierte Kröpfl eher behutsam. Es ist die Pflegerin, die in dieser Korrespondenz cholerisch wirkt:

„Ich wollte so etwas ja gar nicht mitgeteilt bekommen, nur ob ja oder nein. Ja, ich verstehe Sie sehr gut. Das ändert nichts. Ich wünsche Ihnen alles Gute und bereue den Moment, an dem ich Sie aus Sorge zum allerersten Male kontaktierr habe, bitterlich: Auch er kostet mich wohl mein Leben. Nicht Ihre Schuld, nur meine Dummheit. Vielen Dank.  Heinz Kröpfl“.

Es erfolgte die umgehende Antwort der Pflegerin:
„Das ist eine riesige Frechheit ! Ich habe mir nichts vorzuwerfen und sie mir auf keinen Fall. Hab mehr für sie und ihre Mutter getan, als so manch andereI Und jetzt meinen sie das Recht zu haben, mich so beleidigen zu müssen. Kommen sie runter von ihrem Selbstmitleid Trip und eines noch, ich kann nichts für ihre Situation und habe es sicher nicht nötig, mich von ihnen beschuldigen zu lassen, für was auch immer sie glauben zu wissen. Gerlinde St.“.

Nach dieser Antwort dachte  Heinz Kröpfl, dass es sinnvoll sein könnte, noch ein

klärendes Telefongespräch mit der Pflegerin zu führen.

Anklage wegen MorddrohungDas Telefonat mit der Pflegerin fand am 4. Juni statt. Fast eine Woche später, nämlicn am 10. Juni, erstattete die Pflegerin eine Anzeige gegen Heinz Kröpfl bei der Polizeiinspektion Mautern. Demnach wäre sie von Kröpfl in diesem Telefonat mit Mord bedroht worden.  Heinz Kröpfl betonte in seiner Aussage, dass die behauptete Morddrohung von ihm nicht ausgesprochen wurde.

Die Staatsanwaltschaft in Leoben entschied über die weitere Vorgangsweise. Weshalb die Pflegerin erst rund eine Woche nach dem Telefonat, davon sich plötzlich so bedroht fühlte, dass sie die Polizei um Hilfe bat, das wurde von der Staatsanwaltschaft nicht geklärt. Allerdings gibt es bei der Pflegerin auch nicht zwei Häuser, die man erben kann.

Die Staatsanwältin leitete auch keine Ermittlungen ein, die den Aufenthaltsort der Mutter klären sollten. Heinz Kröpfl konnte erst am 8. August in Erfahrung bringen, wo seine Mutter sich befiindet. Sie wurde in einem Pflegeheim in Knittelfeld untergebracht.

Die Staatsanwältin zog es vor, ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag zu geben. Allerdings sollte nur Autor Heinz Kröpfl untersucht werden.  Der Geisteszustand der Pflegerin wurde nicht in Frage gestellt. Obwohl bekannt ist, das kann dem Polizeibericht entnommen werden, dass die Pflegerin, aufgrund psychischer Probleme, früher bereits in die Landesnervenklinik Graz sich einweisen ließ.

Psychiatrisches Gutachten

Die Macht der Justiz wollte Autor Heinz Kröpfl treffen. Zuerst sollte der Geisteszustand von Heinz Kröpfl untersucht werden. Die Staatsanwältin beauftragte dafür Univ.-Prof.Manfred  Walzl :

„Dem Sachverständigen wird aufgetragen, binnen 4 Wochen Befund und Gutachten zur Klärung der Frage der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Heinz KRÖPFL (…)  zu erstatten insbesondere möge die Frage beantwortet werden, ob der Beschuldigte im angeführten Tatzeitraum wegen einer Geisteskrankheit, Schwachsinns  (…). Der Sachverständige wird in diesem Zusammenhang ermächtigt und ersucht, alle zur Gutachtenserstattung notwendigen Urkunden, insbesondere Krankengeschichten etc, im eigenen Wirkungsbereich beizuschaffen“, schrieb die

Staatsanwältin in ihrer Sachverständigenbestellung.

Damit wurde ausdrücklich ein sogenanntes „Aktengutachten“ angeordnet, das grundsätzlich auch in Abwesenheit des Betroffenen erstellt werden kann, was von der österreichischen Justiz in zahlreichen Fällen gerne so gehandhabt wird.

Walzl ist an der Landesnervenklinik Graz tätig und in der Öffentlichkeit auch als „der Bierprofessor“ bekannt, da er im Buch „Jungbrunnen Bier“ die gesundheitlichen Vorzüge dieses Getränks ausgiebig preist. Am 22. Juli wurde Heinz Kröpfl vom Sachverständigen Walzl  in seiner Ordination im Privatklinikum Hansa untersucht.

Im Gutachten, datiert mit 30. Juli, attestierte Walzl die „Zurechnungsfähigkeit“ des Autors Kröpfl. Allerdings befand er in seiner Diagnose, dass der Schriftsteller eine „akzentuierte Persönlichkeit“ sei.  Er ordnete ihm in die Kategorie „ICD 10: F60.8“ ein.


ICD- Code

Der ICD-Code wurde von der Weltgesundheitsorganisation erstellt und soll eine  Systematik der Krankheiten bieten,  die international gültig ist: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems”. ICD-10-WHO ist die aktuell gültige Klassifikation, die 2019 herausgegeben wurde.  ICD-11 wurde im Mai 2019 beschlossen und wird im Januar 2022  in Kraft ttreten.

Im Kapitel F, dem fünften Abschnitt des ICD-Codes, werden „psychische und Verhaltensstörungen“ in ein System gebracht. Mag „ICD-10: F60.8“ in einem psychiatrischen Gutachten als „akzentuierte Persönlichkeit“ harmlos klingen, so muss sie in der Geheimsprache der Mediziner durchaus als ein Hinweis eingestuft werden, den man beachten sollte.

Denn „F60“ behandelt die „spezifischen Persönlichkeitsstörungen“.  Die Kategorie „F60.8“ definiert „sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen“ in der folgenden Weise:
„Persönlichkeitsstörung: exzentrisch, haltlos, narzisstisch, passiv-aggressiv, psychoneurotisch, unreif“.
Walzl erklärt in seinem Gutachten, dass Kröpfl ihm erzählte, dass er 16 Buchveröffentlichungen seit 1993 vorweisen könne, fünf Romane, fünf Erzählungen,

eine Novelle und fünf Lyrikbände. Kröpfl zeigte ihm Verlagskataloge.

Es sollte nicht mit den Attributen von F60.8 des ICD-Codes geurteilt werden, nur weil es beim Betreffenden um einen Autor sich handelt. Denn das dürfte wohl der einzige Ausgangspunkt für eine solche Beurteilung sein. Ich konnte in meiner Korrespondenz mit Heinz Kröpfl solche Zuschreibungen keinesfalls bemerken. Es erscheinen mir  eher gegenteilige Verhaltenszüge charakteristisch:
Konsensuale Orientierung, Bedürfnis nach Harmonie, Sensibilität in der Kommunikation.

Grundsätzlich bleibt auch unklar, weshalb man denkt, dass ein Mediziner besser geeignet sei, psychiatrische Gutachten zu verfassen, als ein Literaturwissenschafter oder Historiker. Denn während der Mediziner mit Pharmakologie und Tabletten sich beschäftigte, war der Kulturwissenschafter bemüht, genaue Interpretationen von Texten zu erstellen.


Strafantrag


Gutachter Walzl stellte auch die Beziehung von Heinz Kröpfl zu seiner Mutter nicht korrekt dar.  Zur Sozialamnamnese schreibt Walzl: „Die Mutter Hausfrau, er wisse im Moment aber nicht, wo sie lebe. Zu ihr bestehe zurzeit kein Kontakt“.
(Gutachten von Univ.-Prof. Manfred Walzl, S. 10)Das ist eine intendiert falsche Darstellung, da unterschlagen wird, dass die Mutter verschwunden war und Heinz Kröpfl sich bemühte, den Aufenthaltsort der Mutter zu erfahren.

Nachdem das psychiatrische Gutachten die volle Zurechnungsfähigkeit von Heinz Kröpfl bestätigte, forderte die Staatsanwältin unverzüglich die Bestrafung des Autors.  Das Gutachten von Professor Walzl wurde mit dem Datum 30. Juli versehen. Noch am selben Tag verfasste die Staatsanwältin den Strafantrag gegen den Autor Kröpfl.

Heinz Kröpfl ist laut Strafregisterauszug, der vorliegt, bisher unbescholten.  Am 24. August entscheidet Richter Wilhelm, ob das auch für die Zukunft gelten soll oder die österreichische Justiz wieder einen neuen Häftling in ihre Akten aufnehmen kann.


Über Johannes Schütz 100 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel