Karl Johaentges: Luana Castelli: Die letzten Venezianer. Leben in der Lagunenstadt

Venedig, Foto: Stefan Groß

Venedig ist aufgrund ihrer Lage, Schönheit und Kulturschätze einer der meistbesuchten Städte der Welt trägt nicht umsonst den Beinamen La Serenissima („Die Durchlauchtigste“). Ihr historisches Zentrum liegt auf einigen größeren Inseln in der Lagune von Venedig.

Doch auch die Stadt hat mit eigenen Problemen zu kämpfen, die nicht so sehr in der Öffentlichkeit präsent sind: Denn während sich der Massentourismus und da vor allem der Tages- und Kreuzfahrttourismus immer weiter verstärkt, sinkt die Einwohnerzahl der Lagunenstadt kontinuierlich), nimmt der Zweitwohnungsbesitz stark zu, bricht die Nahversorgung zusammen und meldet der Qualitätstourismus Leerstände.

Die Stadt ist auch oft von Hochwasserbetroffen. Am 4. November 1966 ereignete sich eine Sturmflut mit einer Höhe von 194 cm über dem Normalpegel. Am 1. Dezember 2008 erreichte ein Hochwasser 156 cm. Der Meeresspiegel in der Lagune lag aufgrund der Klimaveränderung 2012 23 cm höher als um 1900.

Die Gentrifizierung ist für die einheimische Bevölkerung ein großes Problem: „Explodierende Mieten und Lebensmittelpreise haben zu einer beispiellosen Abwanderung geführt. 30.000 Menschen pendeln täglich vom Festland zu ihren Arbeitsplätzen in Venedig: Gondolieri, Kunsthandwerker, Lehrer und Feuerwehrleute, genau die Menschen, die diese Stadt noch lebendig erhalten, haben Zuflucht auf dem Festland gesucht.“ (S. 20)

Dieser Bildband möchte sowohl die kulturellen und natürlichen Schönheiten der Stadt als auch die Menschen in der Lagunenstadt, ihre Wünsche und Sorgen in Text und Bild präsentieren. Der renommierte Fotograf Karl Johaentges ist für die 400 Bilder der Stadt und ihrer Bewohner verantwortlich. Die gebürtige Venezianerin Luana Castelli, die abseits des Massentourismus die Führungen „Slowvenice“ anbietet, sorgte für den historischen, kulturellen und stadtgeschichtlichen Text und fungierte als Mittlerin, um den Einwohnern Venedigs eine Stimme zu geben.

Nach einer Einführung in die Historie und die mit vielfältigen Problemen belastete Gegenwart der Stadt wird zunächst das „Herz“ der Stadt um San Marco und dem Canal Grande vorgestellt. Dann geht es um das Porträt des alltäglichen Lebens und die Vorstellung ganz normaler Menschen von arm bis reich, unterschiedlichen Alters und Berufsstandes jenseits des Tourismus. Dann werden die Bedeutung der Gondeln in Venedig in Historie und Gegenwart gezeigt, dabei kommen Gondolieri, Bootsbauer und Vergolder zu Wort. Dann werden der Lido und die südliche Lagune sowie Torcello und die nördliche Lagune vorgestellt. Lokalitäten der Kunst und Kultur mitsamt ihren Mitarbeitern folgen anschließend. Die Probleme des Hochwassers und des Massentourismus und die Reaktionen darauf sowie die Wasseradern der Stadt werden dann porträtiert. Anschließend wird der neue Trend des Ruderns genauso wie seine historische Bedeutung anhand von verschiedenen Personen präsentiert. Es folgen Reisen in die kulinarische Welt Venedigs, die Welt der Straßenkünstler, des Theaters und besonders des Karnevals, der jedes Jahr Massen von Touristen anlockt. Danach folgen eine Reihe von Porträts von Mitarbeitern der öffentlichen Hand wie Müllentsorger, Krankenhausangestellte oder Wasserpolizei, bevor der große Industriekomplex „Arsenale“ aus historischer Sicht vorgestellt wird. Kirchen, Klöster, religiöse Feste und ein Blick auf handelnde Personen des Glaubens runden den Bildband ab.

Dieser Bildband vermittelt ein allumfassendes, realistisches Bild der Lagunenstadt. Wunderschöne und alltägliche Bilder wechseln sich ab, Bewohner aller Schattierungen kommen selbst kurz zu Wort und ein Blick auf die Schönheiten und kulturellen Zeugnisse Venedigs gibt es natürlich auch. Dieser Bildband ist speziell für Touristen geeignet, die längere Zeit in der Stadt bleiben wollen und Venedig von allen Seiten kennenlernen möchten.

Karl Johaentges: Luana Castelli: Die letzten Venezianer. Leben in der Lagunenstadt, 2. Auflage, terra magica, Stuttgart 2015, ISBN: 978-3-7243-1054-9

Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.