Lausbergs Buchtipp: „Irgendwo. Aber am Meer.“ Roman von Arnold Stadler

Meer, Foto: Stefan Groß

Arnold Stadler: Irgendwo. Aber am Meer. Roman, S. Fischer, Frankfurt/Main 2023, ISBN: 978-3-10-075131-7, 24 EURO (D)

In dem neuesten Roman von Arnold Stadler geht es um die Hauptperson eines Schriftstellers (sein Alter ego?), der an einer kulturellen Gesprächsrunde im Westerwald teilnehmen soll. Dort geht es aber mehr um brennende Realitätsfragen wie Klimakrise, Greta Thunberg oder Boote mit Geflüchteten auf dem Weg nach Europa statt um Literatur und Kultur. Als er darauf keine passenden Antworten geben kann, wird er vom Publikum als weißer alter Mann verhöhnt. Eine Anspielung auf das geforderte Ende der gesellschaftlichen Macht weißer alter Männer.

Nach diesem Desaster braucht er räumlichen Abstand und bricht zu einem altbekannten Sehnsuchtsort auf die griechische Insel Lefkada, von der aus man die Insel Ithaka, wo einst Odysseus umherirrte, von seinem Hotel aus sehen kann. Dort fühlt er sich wohl und lässt dabei seinen Sehnsüchten, Gedanken und Gefühlen. Schwärmerisch erzählt er von der Liebe zum Meer, bringt mehrere Exkurse in die Welt der Alten Griechen und erinnert sich an eigene Erlebnisse.

Wie in der bukolischen Dichtung und der Sehnsucht nach Arkadien erlebt er innere Glückseligkeit und Harmonie, ein Ort wie das biblische Paradies, wo die Zeit stehen bleibt.

Der Roman hat viele Facetten: Neben zahlreichen Assoziationen gibt es viele komische Elemente, Zeitebenen, die Verbindung von Realität und Traum, Erinnerung und Vergangenheit.

Das immer wiederkehrende Motiv des Sehnsuchtsortes und Traumsequenzen in den Romanen Stadlers wird mit den aktuellen weltpolitischen Geschehnissen kontrastiert, die kritisch bewertet werden. Sei es der Überfall Russlands auf die Ukraine, die Militarisierung der Welt, soziale Ungleichheit oder Stressfaktoren der Leistungsgesellschaft.

 

Seine Reflexionen und Lösungsansätze zu weltpolitischen Themen sind keine ausgearbeiteten Pamphlete, die übernommen werden müssen. Die Stärke des Buches liegt wieder mal im atmosphärischen Sprachstil Stadlers. Diese Hommage an das mediterrane Lebensgefühl bietet auch einen träumerischen Eskapismus aus einer Welt voller Probleme.

 

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Über Michael Lausberg 546 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.