Lausbergs Buchtipp: Köln im Frühmittelalter. Die Entstehung einer heiligen Stadt 400-1100

Geschichte der Stadt Köln von Karl Ubl

Bild von Valdas Miskinis auf Pixabay

Karl Ubl: Köln im Frühmittelalter. Die Entstehung einer heiligen Stadt 400-1100. Geschichte der Stadt Köln Band 2, Greven Verlag, Köln 2022, ISBN: 978-3-7743-0440-6, 60 EURO (D)

Im frühen Mittelalter entstand das Markenzeichen „heiliges Köln“. Seit der Zeit Karls des Großen machte die Stadt eine besondere Stellung im Ranking der heiligen Städte geltend: Man wollte sich direkt hinter Rom und Jerusalem einordnen.

Der Historiker Karl Ubl stellt in diesem Buch dar, wie aus dem römisch geprägten Agrippina das deutschsprachige Köln und schließlich die Sancta Colonia wurde.

Nach einer längerer Einleitung wird das Buch in drei große Bereiche aufgeteilt.

Zuerst wird Köln im merowingischen Frankenreich (400-700) dargestellt. Schwerpunkte sind dabei der langsame Abschied von Rom, Köln als Königsresidenz im Frankenreich, die Anfänge der erstrebten heiligen Stadt mit einer Formierung der sakralen Topografie, Köln und Ribuarien und soziale Gliederungen in der Stadtgesellschaft.

Danach geht es um Köln in der Karolingerzeit (700-900). Die Konstruktion des Markenzeichen heilige Stadt, die dafür notwendige Beziehung zwischen Karl dem Großen und Erzbischof Hildebald, der Dombaum, die Dombibliothek und Köln als Teil des Ostfrankenreichs sowie Sprachentwicklungen werden dort behandelt.

Anschließend wird Köln im Reich der Ottonen und Salier präsentiert. Schwerpunkte sind dort die Erfindung der 10.000 Jungfrauen, der Leichnam des hl. Severin, die Politik des Erzbischofs Brun und der Ausbau des heiligen Köln, Köln als Erinnerungsort der Ottonen, die Erlangung des Krönungsrechtes für den Erzbischof und der Aufstand gegen Anno II.

Zum Abschluss gibt es einen Vergleich Köln mit anderen europäischen Städten. Im deutschen Vergleich kommen nur Städte infrage, bei denen gemeinsame Voraussetzungen und ein vergleichbarer politischer Kontext vorliegen. Dies sind Mainz und Trier. Außerdem wird Köln mit europäischen Metropolen wie London, Mailand, Florenz und Paris kurz verglichen.

Im Anhang gibt es eine Liste der Kölner Bischöfe und Erzbischöfe, ein Abkürzungsverzeichnis, ein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur, die Anmerkungen, ein Personenregister, ein Ortsregister und den Bildnachweis.

Die wichtigsten Thesen: 

Die hier vorgestellten 700 Jahre bilden keine Einheit, sie wurden von scharfen Zäsuren unterbrochen.

Ubl widerspricht der verbreiteten These, Köln sei erst durch einen Kraftakt des Erzbischofs Brun von Köln im 10. Jahrhundert zu neuer Bedeutung gelangt. Durch die Völkerwanderung hatte die Stadt erheblich an Bevölkerung eingebüßt und das christliche Leben war beeinträchtigt. Ubl schildert, wie jedoch bald eine Vielzahl von Kirchen der Stadt ein neues Gesicht verlieh, wie die Legenden der Kölner Heiligenkulte entstanden und wie der Bischof allmählich die Herrschaft über die Stadt erlangte. „ (…) mit dem Schlagwort heiliges Köln (wurde) ein Markenzeichen geschaffen, das seine Einwohner einte und prägte.“ (S. 20)

Doch nicht nur die Formierung des „heiligen Köln“ vollzog sich in der Karolingerzeit: Auch ein erster rasanter wirtschaftlicher und demographischer Aufschwung erfasste damals die Stadt. Die Verlagerung des fränkischen Königtums nach Osten machte den Rhein zu einer zentralen Verkehrsachse. Köln lag in unmittelbarer Nähe zur Hauptresidenz Karls des Großen in Aachen. Der Dombau, die Erhebung zum Erzbistum und die persönliche Nähe der Erzbischöfe zum karolingischen Königtum waren weitere Faktoren für diese Phase des beschleunigten Wachstums.

Der Aufstand von 1074 zeigte die „Frühreife der kommunalen Entwicklung in Köln“.: „Im Rückblick und im Wissen um spätere Entstehung der kommunalen Verfassung und der städtischen Autonomie erscheint das Datum 1074 allerdings wie der Anfangspunkt einer neuen Entwicklung.“ (S. 447)

Gut sind die qualitativ hochwertigen vielen farbigen Abbildungen. Auch der Vergleich mit anderen Städten ist aufschlussreich.

Uhl bezeichnet seine Thesen des Buches als „Zwischenstand, der angesichts zu erwartenden neuer archäologischer Grabungen und zukünftiger Perspektivwechsel in der Geschichtswissenschaft nur vorläufig sein kann.“ (S. 20)

Diese Darstellung ist als Formierung des heiligen Köln angelegt, eingebettet in die Geschichte von Reich, Kirche und Region. Es hat also eher eine übergeordnete Ausrichtung, mit machtpolitischer Ausrichtung und fokussiert sich auf die Elite der damaligen Gesellschaft. Alltagsgeschichte, die einzelnen Gruppen der Gesellschaft und das Verhältnis zueinander – wie in anderen Bänden geschehen – tritt in den Hintergrund. Dieser neue Ansatz und die daraus abgeleiteten Thesen werden sicherlich für Diskussionen sorgen.

 

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Über Michael Lausberg 546 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.