Oriol Junqueras schreibt Brief an seine Kinder

Sonnenuhr, Foto: Stefan Groß

Der inhaftierte Vizepräsident der katalanischen Regierung, Oriol Junqueras,  hat zu Weihnachten einen bewegenden Brief an seine kleinen Kindern geschrieben. Es sind ehrliche und tiefempfundene Zeilen eines grundanständigen Mannes, der im Gefängnis  aufgrund von willkürlichen Anklagen sitzt, die in keinem anderen europäischen, demokratischen Land aufrecht zu halten wären. Junqueras ist ein vielseitiger Gelehrter, Historiker, Schriftsteller und Politiker. Er ist Vorsitzender der Partei Katalanische Republikanische Linke (ERC), er war einige Jahre Bürgermeister des Städtchens Sant Vicenç dels Horts, nahe Barcelona, und seit 2015 Vizepräsident der katalanische Regierung und Landesminister für Wirtschaft. Ich schiebe andere geplante Artikel auf, um Platz für diese traurige Zeilen zu machen.

„Brief an meine Kinder

Heute konnte ich zwei Stunden mit meinen Kindern verbringen. Wahrscheinlich werde ich sie bis etwa in einem Monat nicht wiedersehen. Die Norm bestimmt, dass Kinder (größere und kleine) ihre Eltern nur zwei Stunden im Monat sehen dürfen. Mit dieser Art von Normen, mit dem Vorwand, die Eltern zu bestrafen, straft man in Wirklichkeit noch schlimmer die Kinder.

Wenn das Ziel der Inhaftierung ist, einen Vater zu bestrafen – das Gesetz besagt übrigens, dass der Sinn der Haft nicht die Strafe sondern die Wiedereingliederung sei – gibt es sicher andere geeignete Maßnahmen, die keine Strafe für die Kinder bedeuten würden. Zum Beispiel, einem inhaftierten Vater eine Stunde Hofgang streichen oder eine Stunde weniger in der Bibliothek zuzustehen oder irgendwas in der Art. Aber was hat es für einen Sinn, dass Kinder (unschuldig per Definition) ihren Vater nur zwei Stunden im Monat sehen dürfen?

In diesem Sinne möchte ich wenigstens heute auf jegliche Unterscheidung zwischen präventiven und verurteilten Gefangenen verzichten, weil ich den Eindruck habe -richtig oder falsch -dass es an dieser Stelle überflüssig wäre.

Zu verbieten, dass Kinder mehr als zwei Stunden im Monat sehen dürfen scheint mir so unnötig (und so schwer zu verstehen und zu begründen), dass ich -vielleicht unbescheidener Weise – überzeugt bin, dass alle Leser, die auch Eltern sind, verstehen werden, dass ich die Notwendigkeit empfinde, mich vor meinen Kindern zu erklären, und mit Eurer Erlaubnis, tue ich das jetzt:

„Meine Kinder, vielleicht seid ihr glücklicherweise noch zu klein um zu verstehen warum ihr euren Vater nur zwei Stunden im Monat sehen dürft. Vielleicht wird euer Vater nicht miterleben können wie ihr lesen oder schreiben lernt. Aber ihr werdet lernen, dass es an eurer Seite viele Menschen gibt, die diese Abwesenheit mit viel Liebe ausgleichen werden. So dass ihr eines Tages diesen Brief lesen könnt, den euch eurer Vater geschrieben hat, nachdem er mit euch zwei Stunden verbringen durfte. Nur zwei Stunden.

Ich möchte, dass ihr wisst, dass ich mein Leben dem Studium und der Forschung gewidmet habe, dem Lehramt und der politischen Vertretung meiner Mitbürger. Ich habe an vier Postgradestudien teilgenommen, zwei Masters und einen Doktor. Ich habe Studenten in den unterschiedlichsten Studienrichtungen in zahlreichen Fächern unterrichtet. Ich habe dutzende von Artikeln, hunderte von Radioprogrammen, dutzende Forschungsartikel viele Bücher geschrieben.

Ich bin diesen Aufgaben such in mehr oder weniger langen Aufenthalten in Rom, im Geheimarchiv des Vatikans, in Kuba, in Brüssel, in Straßburg, Tokio, etc. nachgegangen. Als Lehrer, Publizist, Schriftsteller und politischer Vertreter habe ich immer in Verteidigung des rechts und der menschliche Würde gesprochen, geschrieben und gewirkt. Und das immer und ohne Ausnahme.

Und sehr viele Menschen werden bezeugen können, dass euer Vater in guter Mensch ist, Ein ehrlicher und arbeitsamer Mensch, der die Güte und den Menschen innig liebt. Im Mittelpunkt dieser Liebe, was er mehr als alles andere auf dieser Welt liebt stehen ihr und eure Mutter.

Jetzt kann ich euch diese Liebe nicht so sehr beweisen, wie ich es gerne tun würde und wie ihr es verdient. Aber diese leere wird durch eine Unzahl von Müttern und Vätern, von guten Menschen überall gefüllt werden. Sie kennen die Wahrheit und werden euch in ihren Gebeten, Gedanken, Grüßen, Gesten, und Taten einschließen. Weil sie wissen, dass euer Vater der Liebe und der Würde verpflichtet ist, und sie werden nie erlauben, dass es euch an etwas fehlt.

An sie allen empfehle ich mich, mit unendlichen Vertrauen und in der Gewissheit, dass sie zusammen mit euch das Glück suchen werden. Wenn vor den Augen Gottes und der Menschheit, die Beharrlichkeit gutes zu tun seine Rechtfertigung findet, könnt ihr darauf vertrauen, dass wir das richtige tun.

Ich liebe euch so sehr wie alle Eltern ihren Kindern lieben. Und in aller Bescheidenheit, noch etwas mehr, glaube ich“.

Oriol Junqueras

Und dieser Mann wird von einer 30jähriger Gefängnisstrafe bedroht…

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