Stuck zu ehren, Eicher zu mehren – Ein Besuch im Museum Villa Stuck lohnt sich

Franz v. Stuck vereint mit Zierrat von Margret Eicher, Foto: hans Gärtner

Der Hausherr hat erst in 8 Jahren seinen 100. Todestag. Also kann`s nicht sein, dass ausgerechnet jetzt sein opulentes Atelier plus Wohnhaus, längst zu Münchens Vorzeige-Kunsttempel geworden, zu besuchen ist. Mal nachgeguckt in der Vita des berühmtesten Malers aus Niederbayern, den München je hatte: Franz von Stuck, am 23. Februar 1863 in Tettenweis als Sohn eines Müllers geboren, am 30. August 1928 in München als einer der beiden „Malerfürsten“ gestorben und auf dem Waldfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Vor 99 Jahren war Stuck, bei dem unter anderem Kandinsky studierte, als „Promi“-Geisel gefangen, bald aber wieder freigelassen worden. Also doch ein Grund, 2020 Stuck besonders zu ehren?

Aber ja doch. Um Stucks Haupt kann nicht genug Lorbeer gewunden werden! So etwa mochten Museumschef Michael Buhrs und seine Stuck-Expertin Margot Th. Brandlhuber gedacht haben. Sie inszenierten in den historischen Räumen der Villa zwischen Friedensengel und Prinzregententheater ein bisschen was anderes: Einige, auch unbekannte von Stucks Plastiken wurden neu aufgestellt. Die Neuerwerbung der raren „Phryne“ von 1925 wird gefeiert und zwei auch im Lenbachhaus vorfindliche Stuck-Werke, dort aber, wie Bruhns sagt, „pazifistisch“ aufgestellt sind, die speerschleudernde Amazone (1897) und der verwundete Kentaur (1891/93), wurden, silbern glänzend, so auf die in der rechten Vestibül-Nische stehende Pallas Athene „gerichtet“, dass die drei nun wunderlich korrespondieren. Zudem kommt der zart-strenge Wächter des Paradieses (1889), theatralisch beleuchtet, von drei nackten Schwertschwingern einmal in ungewohnter Weise zur Geltung.

So richtig los geht`s aber eigentlich erst ein Stockwerk höher. „Immer nur 2 Personen in den Aufzug, bitte!“ Ja, gut. Und das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes – eh klar. Was tut man nicht alles, um Corona eins auszuwischen und, von Stuck überwältigt und erneut beglückt, sich auf Margret Eichers „Lob der Malkunst“ einzulassen. Unter dieses Motto stellte die 65-Jährige nach einem ihrer Gobelins ihre riesenhaften Wandbehänge. Ob farbig oder in Schwarzweiß-Manier – jedes Sujet nimmt den Betrachter gefangen – allein  aufgrund der unbegreiflich erscheinenden investierten Arbeitsleistung, abgesehen vom kaum fassbaren Bilderreichtum, der Margret Eicher zu den Digital-Phantasten rechnen lässt. „Digitale Montagen“ nennt sie ihre Kreationen, die eine Sonderposition im großen oberen Saal, dem Kabinett und dem angrenzenden kleinen Saal gefunden haben.

Die in Berlin arbeitende, 1955 in Viersen am Niederrhein geborene Konzept-Künstlerin vertritt die „Appropriation Art“. Bekannt wurde sie mit ihren Tapisserien, mit denen sie auf den Barock zurückweist und in die sie Bilder der Informationsgesellschaft als Collage einwebt. Sie greift auf Gemälde, etwa von Caravaggio, auf Fotoserien der Milaneser Firma Dolce & Gabbana oder mythologische Archetypen zurück. Bei dem einen oder anderen der monumentalen Bildteppiche kommt man vielleicht mit dem Schrecken davon, vor manchen steht man mit Kopfschütteln und unleugbarer Bewunderung für die überschwängliche Fülle der selbst in den Bordüren nicht enden wollenden Fantasie-Lust ihrer Schöpferin. Eichers digitale Kunst vermag den großen Gestus der Ausstellung, in Verbindung mit der Saft-und-Kraft-Bildhauerei eines Franz von Stuck, noch einmal zu mehren. – Bis 13. September Di – So 11 – 18 Uhr.                                                                                 

Über Hans Gärtner 453 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.