Der aus drei Abschnitten bestehende Roman-Corpus mit den Untertiteln nachbeben, über land, flug enthält eine in den einzelnen Abschnitten stark voneinander abweichende Anzahl von arabisch gekennzeichneten Unterabschnitten. Darüber hinaus sind in dem Unterkapitel nachbeben auf den Seiten 123-130 bzw. S. 137-142 Passagen aus einem Tagebuch Luba abgedruckt. Solche in die Passagen eines „Romans“ eingeschobenen Untertexte irritieren Leser/innen, die in der Erwartung eines Romans sich über jugendliche Protagonisten informieren wollen, die zwischen West- und Osteuropa in der europäischen politischen Umbruchsepoche zwischen1975 und 2010 ihren Auftritt haben.
So wie es der Klappentext auf dem markant gestalteten Buchumschlag verspricht: „.. ist es auch ein Roman über den verwickelten Versuch von Ost und West sich gegenseitig zu verstehen.“ Von dieser Idee ist der Roman aufgrund seiner Widmung für Lola und dem Untertitel nachbeben getragen. Lukas, so sein Vorname, ist mit seiner rumänischen Freundin Luba auf der Suche nach einem Versteck in der Nähe vom Nikolasee im Süden von Berlin. Ihr lebhaftes Gespräch dreht sich um einen möglichen Umbruch in den politischen Systemen in Ostmittel- und Südosteuropa.
Im Mittelpunkt ihres Gesprächs ist der von beiden Protagonisten getragene Gedanke, ob unter der Einwirkung des sich abzeichnenden Wandels in den sozrealistischen Ländern auch der Gedanke der Rache an den politisch verantwortlichen Trägern ihrer Heimatstaaten zunehmen könnte. Auffällig ist dabei, dass der aus der DDR stammende Erzähler Lukas seine rumänische Freundin Luba fragt, in welchem Land sie gerne leben möchte. Und Luba wünscht sich, eine Französin zu sein.
In der nun einsetzenden Rückblende erinnert sich Lukas an seine erste Begegnung mit Luba in Ost-Berlin, wo er sie bei einem Einkaufsbummel beobachtet. Dabei fällt ihm auf, dass die Verkäuferinnen sich ihr gegenüber abweisend verhalten, wahrscheinlich, so vemutet Lukas, weil sie eine „ärmlich“ gekleidete Rumänin ist. Ein solches Verhalten sei ihm, wie Lukas berichtet, völlig fremd.
Er versucht Luba mit kleinen Geschenken und Gesten in das Ostberliner Leben „einzubinden“, obwohl auch er sich mit dem Gedanken beschäftigt, aus der DDR zu flüchten. Mit diesem Gedanken beschäftigt sich auch seine rumänische Freundin. Diese verhält sich auffällig, während sie durch Ostberlin bummelt. So beschimpft sie den Besitzer einer BUlldogge als Nazi-Bullen und gerät aufgrund ihrer provokanten Behauptung in eine schwierige Situation, aus der sie Lukas „retten“ kann.
An dieser Stelle der Romanhandlung trifft der Leser unerwartet auf Auszüge aus einem Tagebuch von Luba (vgl. S. 69-73). Sie ist ohne Nachricht an Lukas nach Rom geflogen. Dort genießt sie die mediterrane Küche, klagt aber über die unverschämt hohen Preise in Italien und über die Übernachtungskosten in der römischen Magistrale.
In dem folgenden Abschnitt des Romans, der unter der Überschrift über land in der ersten Erzählpassage eine neue Protagonistin namens Radka, eine Freundin von Luba, in seine Erzählpassage einbezieht. Sie hat den „verloren“ gegangenen Kontakt zu Luba per Telefon wieder herstellt. Diese teilt ihr mit, dass sie nach Rumänien zurückgekehrt sei. Woraufhin Lukas sich sofort in einem Mietauto auf die Reise nach Rumänien macht, ohne zu wissen, wohin Luba in Rumänien gefahren ist.
Es ist schade, dass aufgrund dieses verwirrenden Plots, den der Erzähler für den Leser auf der Grundlage einer zuweilen verwirrenden narrativen Strategie entwickelt, der Plot des Romans leider seine anfängliche Spannung verliert. Erst in den letzten Passagen der Erzählhandlung gewinnt der Roman wieder an einer mit erotischen Anspielungen erfüllten Spannung. Lukas hat „seine“ Luba auf plötzlich wieder gefunden, In der Nähe ihres Elternhauses. Im Unterabschnitt null fragt sie ihn nach einer stürmischen Nacht, ob Stuttgart, der Ausgangspunkt ihrer Reise zwischen West und Osteuropa am Meer liege und ob sie Kometen gewesen wären.
Eine Frage, die Lukas so sehr „èrregt“, dass er Lubas Skizzenbuch auf deren nackten Schenkel legt. Doch die Erwartung der Leser/innen auf das erotische Happyend erfüllt sich nicht, denn Lukas` Telefon klingelt und aus Stuttgart meldet sich dessen Agentur und damit der graue Berufsalltag. Ist das erotische „Abenteuer“ damit unerwartet beendet? Nein, denn Luba und Lukas sind doch Kometen, die zwischen Ost und Westeuropa auf der Suche nach einem anderen Leben hin und her geflogen sind. Sollten Leser/innen nun, wenn auch zur Überraschung des Rezensenten, noch im Schlussteil des Romans auf die „kosmische Erleuchtung“ von Lukas und Luba warten? Stattdessen erfährt der Leser – gleichsam zwischen den Zeilen – etwas über den grausamen Alltag im damals noch existierenden Ceaucescu-Regime, unter dem Luba sehr gelitten hat und sich deshalb sich entschieden hatte, ihre Heimat zu verlassen, und dennoch – in der Hoffnung auf den bevorstehenden Umbruch der rumänischen Diktatur- in ihre Heimat zurückfährt. Ein Roman voller Zwischentöne, die dessen Erzählstoff mit einer Vielzahl von Stimmungsbildern ausschmückt, aber dennoch aufgrund seiner diffusen kompositionellen Struktur nicht überzeugt.
Daniel Gräfe. Wir waren Kometen. Roman.Ulm (danube books) 239 S. ISBN 978-3-944046-41-7. 24.OO EURO

