Der Gedanke des trinitarischen Gottes als bestimmter Begriff der Freiheitbei Schelling

An den Ausgangspunkt meiner Überlegungen möchte ich eine Bemerkung Schellings aus der „Urfassung der Philosophie der Offenbarung“[1] stellen. Schelling schreibt hier im Kontext seiner Erörterung des trinitarischen Gottesgedankens: „Wir hatten also zuerst unterschieden den Moment der Tautousie. Der zweite notwendige Moment zur wissenschaftlichen Entwicklung der Dreieinigkeitslehre ist der Moment der Heterousie; es folgt 3) der Moment der Homousie, wo die Potenzen zusammengehen. Ohne ein substantielles Auseinandersein der Potenzen, also ohne Heterousie, gibt es keinen Übergang zur Homousie. Dies sagt auch Athanasius, von dem auch Lessing mit Hochachtung spricht, und in dem auch ich keinen so beschränkten Kopf finde, wie man meinen wollte.“ (UF, 201)[2]

Die zitierte Stelle, auf die im Folgenden noch eingehender zurückzukommen sein wird, formuliert einen zentralen Gedanken aus Schellings Rekonstruktion des trinitarischen Gottesbegriffes. Mit dieser These, daß sich die Homousie der trinitarischen Personen nicht ohne den Moment eines substantiellen Auseinanders der Potenzen denken läßt, beansprucht Schelling eine Lösung des trinitarischen Problems vorzuschlagen, welche von weitreichenden Konsequenzen ist. Der Gedanke des trinitarischen Gottes fordert nämlich zum einen, eine Einheit in Dreiheit zu denken, und zwar so, daß weder die Einheit, noch die Dreiheit aufgehoben werden. Zum anderen sind die trinitarischen Personen so zu begreifen, daß die Begründung ihrer Unterschiedenheit nicht zu Unterordnungsverhältnissen führt, sondern so, daß die Personen, ihrer Unterschiedenheit ungeachtet, gleich sind.

Die erste dogmatische Fixierung dieses Gottesbegriffes gelang dem noch jungen Christentum auf den Konzilien von Nizäa (325) und Konstantinopel (381), bei dessen Durchsetzung der Kirchenvater Athanasius von Alexandrien (295-373), auf den Schelling in dem wiedergegebenen Zitat verweist, eine entscheidende Rolle spielte. Schelling scheint, folgt man dem Zitat, eine Übereinstimmung seiner Theorie mit der des Athanasius zu konstatieren. In welchem Sinne dies zu verstehen ist, soll Gegenstand meiner Ausführungen sein.

Schellings Rekonstruktion des Gedankens des trinitarischen Gottes

Für Schelling ist die wissenschaftliche Umgestaltung der Trinitätslehre auf Grund der Aporien dieses Lehrstückes notwendig. Führt nämlich einerseits ein Ausgang von der Einheit Gottes nicht zu drei Personen in dem einen Gott, so gelangt man andererseits nicht zu der Einheit Gottes, wenn man von drei Personen ausgeht. Erfolgversprechend kann daher nur ein Weg sein, der um diese Aporien weiß. Schellings Lösung wurde in dem eingangs wiedergegebenen Zitat bereits angedeutet, nämlich die Forderung, in der begrifflichen Explikation des trinitarischen Gottesbegriffes selbst die Momente Tautousie, Heterousie und Homousie zu unterscheiden und damit der Einsicht Rechnung zu tragen, daß der trinitarische Gottesbegriff nur dann adäquat gefaßt ist, sofern Einheit Gottes und Dreiheit der Personen im völligen Gleichgewicht stehen. Dies bedeutet jedoch, daß eine begriffliche Darstellung von beiden Aspekten ausgehen müßte, um zu dem geforderten Resultat zu gelangen.

Den Ausgangspunkt für Schellings Rekonstruktion des trinitarischen Gottesgedankens bildet seine Theorie des Geistes, welche ich hier in ihren Grundlinien skizzieren möchte.

Besteht die erste Aufgabe der Philosophie darin, einen schlechthin freien Anfang zu finden, so ist diese Forderung an die Vollzugsaktualität der Philosophie selbst rückgebunden.3 Der Weg zum Geist als dem schlechthin freien Anfang verläuft über eine Thematisierung dessen, was vor dem Sein ist. Die drei Momente, die sich hier einstellen, das sein Könnende, das rein Seiende und das sein Könnende, das im Sein nicht aufhört, das sein Könnende zu sein, gewissermaßen die Stufenleiter zum Geist, gehen in den Begriff des Geistes selbst mit ein. Damit ist der Geist strukturiert, und zwar derart, daß die Momente des Weges zum Geist dessen Binnenstruktur ausmachen. Vermöge dieser Binnenstruktur ist der Geist eine, wie ich es nennen möchte, bestimmte Unbestimmtheit.[4] Nach Schelling ist der bisherige Gang der Untersuchung nur hypothetisch. Da sich jedoch die Struktur des Geistes im Vollzug der Philosophie einstellte, nämlich bei der Suche nach ihrem freien Anfang, so wird die hypothetische Konstruktion eben durch den Vollzug der Philosophie selbst kategorisch. Soll nämlich Philosophie als schlechthin freie Wissenschaft sein, so ist der Geist als schlechthin freier immer schon beansprucht. Damit trägt Schelling dem Sachverhalt Rechnung, daß es keine Externperspektive auf den Geist geben kann, sondern vielmehr die Struktur des Geistes sich nur der Thematisierung der internen Perspektive des Vollzuges von Philosophie erschließt. Die Differenz von Faktum und Reflexion wird damit hineingenommen in die Explikation des Geistes als schlechthiniger Freiheit, und zwar derart, daß das durch die Reflexion erschlossene Faktum der Philosophie die Wirklichkeit des Geistes erweist. In diesem Sinne bemerkt auch Schelling: „Der Beweis dieses Geistes kann nicht von der Philosophie, sondern nur durch die Philosophie gegeben werden.“ (UF, 69, Herv. C.D.) Diese Differenz von Faktum und Reflexion geht in den Geist als Differenz von Vollzugsmoment und Bestimmtheitsmoment derart ein, daß der Geist als die Totalität seiner Momente gedacht werden muß, oder anders formuliert, daß der absolute Vollzug nur als die Bestimmtheit seiner drei Bestimmungen ist, ohne in diesen aufzugehen, da beide Relate des Differenzverhältnisses nicht zur Deckung kommen. Der Geist ist nicht als der an sich Seiende zu denken, sondern, sofern der Geist gedacht werden soll, nur als die Totalität seiner drei Bestimmungen: als an sich seiender, als für sich seiender und als bei sich seiender Geist.

Beim Aufbau der Struktur des Geistes durch die triplizitäre Struktur des Weges zum Geist ergab sich eine interne Abgeschlossenheit des Geistes, da alle externen Relationen in dessen interne Struktur aufgenommen wurden. Der von Schelling geforderte Begriff des Geistes ist daher als eine gehaltvolle Beziehungslosigkeit zu begreifen oder als absolute Freiheit.

Dieser Begriff des Geistes, wie er sich der Selbstthematisierung der Philosophie bei der Suche nach ihrem freien Anfang ergab, wird von Schelling mit dem Gottesbegriff identifiziert und damit in einer lebensweltlichen Sphäre verortet. „Gott ist ein bloßes Wort, und nur der Sprachgebrauch kann entscheiden, auf welchen Begriff es eigentlich anwendbar sei. […] Über die richtige Anwendung dieses Wortes gibt es wohl keine urkundlichere Erklärung, als die Gott selbst dem Gesetzgeber Israels erteilt hat. Moses fragt: 'Wie soll ich dich dem Volke nennen?' – und es wird geantwortet: `Nenne mich: Ich werde sein, der ich sein werde: dies ist mein Name.“ (UF, 88)

Die lebensweltliche Bestimmung Gottes „Ich werde sein, der ich sein werde“ setzt Gott als Freiheit voraus, und zwar derart, daß Gottes Selbstsein im Vollzug seiner Selbstbestimmung identisch bleibt, oder mit anderen Worten, daß die Differenz von Gottes Selbstsein und seiner Bestimmung auf Grund seiner Freiheit identisch bleiben.[5] Damit ist im lebensweltlichen Kontext der vollzogenen Religion eine Annahme gemacht, die eine Identifizierung mit der philosophischen Theorie des Geistes erlaubt, insofern nämlich der Geist gerade als die absolute Freiheit begriffen wurde, der es völlig gleichgültig ist, so oder anders zu sein.

Dieser Begriff Gottes, wie er bisher skizziert wurde, bildet den Ausgangspunkt und das erste Moment für die Rekonstruktion des trinitarischen Gottesgedankens, nämlich die „Tautousie, d.i., der Moment der wesentlichen Einheit, indem die Einheit, die nachher als Persönlichkeit gesetzt wird, dem Wesen nach behauptet wird.“ (UF, 195) Dieses Moment in der Explikation des trinitarischen Begriffes Gottes entspricht dogmen- und theologiegeschichtlich dem Sabellianismus, worauf Schelling in diesem Zusammenhang auch hinweist.6 Der bislang explizierte Gottesbegriff als absolute Freiheit, der theologiegeschichtlich den Gehalt des Sabellianismus rekonstruiert, trägt an sich selbst jedoch den Makel der Unbestimmtheit, insofern er sich bisher nur als bestimmte Unbestimmtheit explizieren ließ. Gleichwohl markiert dieser Moment einen notwendigen Schritt zur Rekonstruktion des trinitarischen Gottesgedankens, da, wie Schelling immer wieder betont, wir den Geist gar nicht anders denken können als in der Totalität seiner Momente und wir ihn andererseits denken müssen, sofern wir der Forderung: „]Freiheit ist unser und der Gottheit Höchstes“ (UF, 79) genügen wollen. Aber eben auch auf Grund dieser Forderung können wir nicht bei dem bislang explizierten Gottesbegriff stehen bleiben, sofern dieser zwar eine absolute Freiheit namhaft macht, diese sich jedoch nur um den Preis eines Widerspruches behaupten läßt. Folgende Überlegung soll dies verdeutlichen. „Der Gott, in cujus potestate omnia sunt, ist der ganze Gott – nicht eine Gestalt Gottes, sondern Gott in absoluter, vollkommener Persönlichkeit, bei der alles steht, penes quam omnia sunt, die allein was anfangen kann […]. Diese absolute Persönlichkeit können wir, eben weil sie das alles Anhebende, Urhebende ist, den Vater auch philosophisch nennen.“ (UF, 156)[7]

Mit dem Begriff Vater wird von Schelling der Selbstvollzug Gottes im Hinblick auf die Totalität seiner Momente in den Blick genommen, und d.h. in Bezug auf das Selbstsein Gottes als Einheit und die sich aus diesem Selbstvollzug ergebende Binnendifferenzierung seiner Momente. Denn die Tathandlung, in der sich Gott zur Selbstbestimmung bestimmt, läßt sich nur so denken, daß das an sich Sein seines Wesens zum für sich Sein erhoben wird, womit die Struktur der bestimmten Unbestimmtheit aufgehoben ist. Im Hinblick auf die zweite Gestalt, die durch diesen Vollzug unmittelbar negiert wird, spricht Schelling von Zeugung.8 Zwei Aspekte sind für diesen Begriff konstitutiv. Zunächst, daß durch die Zeugung eine Asymmetrie in die bisherige Struktur kommt und daß zum anderen diese Asymmetrie als in sich gegenläufig verstanden werden muß. Der Selbstvollzug, in dem sich Gott Schelling zufolge als Vater begreifen läßt, setzt eine Asymmetrie, welche für den Gedanken des trinitarischen Gottes ruinös wäre, als er diesen Gedanken über ein einliniges Bedingungsverhältnis aufbaut. Damit wäre jedoch die geforderte Gleichheit der trinitarischen Personen aufgehoben und ein Subordinatianismus etabliert.9 Sollen jedoch die trinitarischen Personen eigenständig und ein Subordinatianismus ausgeschlossen sein, so darf diese Asymmetrie nicht bleiben. Zum anderen läßt sich der Gedanke eines einseitigen Bedingungsverhältnisses nur um den Preis eines Widerspruches denken, da die unbedingte Aktivität zur Darstellung ihrer Aktivität einer Passivität bedarf. Damit gerät jedoch die unbedingte Aktivität in Dependenz von der bedingten Passivität, woraus erhellt, daß die Aktivität als an sich selbst doppelsinnig verstanden werden muß, nämlich als Duplizität von Aktivität und Passivität. Folgt man diesen Überlegungen, dann läßt sich ein Verständnis von Schellings Begriff Zeugung gewinnen, der genau die Funktion hat, die sich durch den Selbstvollzug Gottes einstellende momentane Asymmetrie zu überführen in eine neue Symmetrie.

In diesem Sinne schreibt Schelling, „so muß man anerkennen, daß auch hier schon der ]Sohn notwendig ist zur Gottheit des Vaters, zu seiner Freiheit und Herrlichkeit, so daß die Gottheit des Vaters ohne den Sohn nicht möglich wäre; ferner, daß die absolute Freiheit des Vaters ohne den Sohn nicht möglich wäre“ (UF, 161).

Dem Vollzug, in dem sich Gott zum Vater bestimmt, korrespondiert damit der Vollzug, indem sich die zweite Gestalt zum Sohn bestimmt. Beide Vollzüge können jedoch nur als wechselseitige Bestimmung gedacht werden, sollen die trinitarischen Personen als eigenständige und in einem Gleichgewicht gedacht werden, in dem eine Unterordnung der einen unter die anderen ausgeschlossen ist.

Der mit Zeugung namhaft gemachte Moment im Aufbau des trinitarischen Gottesgedankens wird von Schelling Heterousie genannt und rekonstruiert unter theologiegeschichtlichem Aspekt Arianismus und Tritheismus.[10] So sehr die hier namhaft gemachte momentane Asymmetrie isoliert betrachtet auch den trinitarischen Gottesgedanken zersetzen würde, so wichtig ist sie jedoch für die Genese der Bestimmtheiten des trinitarischen Gottesgedankens selbst. Ermöglicht doch dieser Gedanke die Gestalten des absoluten Geistes als für sich seiende und damit als selbständige zu denken. Nach Schelling besteht gerade hierin die Pointe des Begriffes der Zeugung.11 Durch die Zeugung wird der Sohn nicht als unmittelbar wirklich gesetzt, sondern lediglich in die Möglichkeit, sich als Sohn zu verwirklichen. Denn bisher haben wir es, so Schelling, noch gar nicht mit Personen im trinitarischen Gott zu tun, sondern nur mit der Potenz des Vaters, des Sohnes und des Geistes, die durch den Selbstvollzug Gottes als Potenzen gesetzt wurden.

Die Selbstverwirklichung der zweiten Gestalt, so der Tenor von Schellings Aussagen, ist zu verstehen als die Selbstbestimmung des Sohnes zum Sohn. Da dies von Schelling in dem komplexen Gefüge der Potenzen gedacht wird, so daß bei der Thematisierung jeder Potenz die anderen mitgedacht werden müssen, stellt die Verwirklichung des Sohnes als Sohn zugleich die Verwirklichung des Vaters als Vater und des Geistes als Geist dar. Denn die Verwirklichung der zweiten Gestalt ist zu begreifen als Negation ihrer Negation, die durch die Erhebung der ersten Gestalt ins für sich Sein resultierte. Vermittels dieses Vollzuges der Negation wird die erste Gestalt wieder als an sich Sein gesetzt, jedoch so, daß in dieses Setzen die Selbstständigkeit der Gestalten mit eingeht. Damit ist die momentane Asymmetrie aufgehoben in eine Symmetrie der drei Gestalten, da die Verwirklichung des Vaters als Vater von der Selbstverwirklichung des Sohnes als Sohn abhängt. Der Vater ist damit nicht wirklich ohne den Sohn, denn, so Schelling, „der Begriff des Vaters ist ein korrelativer Begriff – er ist erst wirklicher Vater im wirklichen Sohne“ (UF, 183).

Schelling bezeichnet diesen Moment in der Rekonstruktion des trinitarischen Gottesgedankens als „Homousie“, insofern wir es hier mit drei Personen zu tun haben, die als jeweils eigenständige in keinem Unterordnungsverhältnis begriffen sind, da die Verwirklichung der Einen von der Verwirklichung der Anderen abhängt und umgekehrt. Da Schelling den Aufbau der Bestimmtheiten des trinitarischen Gottes an der Forderung der Freiheit orientiert hatte, ist das Verhältnis von Einheit und Dreiheit im Gottesbegriff als Realisierung des Begriffs der Freiheit zu begreifen. Der Begriff des trinitarischen Gottes stellt Begriff und Vollzug der Freiheit dar, insofern die Freiheit nur im Vollzug wirklich, jedoch ohne Bestimmtheit nicht zu verstehen ist. Freilich ist die Trinität als bestimmter Begriff der Realisierung der Freiheit nicht so zu verstehen, als würde die Freiheit dadurch hypostasiert. Vielmehr gilt auch hier, wie für den Begriff des Monotheismus, daß die Einheit Gottes keine unmittelbare Vernunftwahrheit darstellt und sich demzufolge nur behaupten läßt.12

Zusammenfassung

Abschließend möchte ich das Resultat meiner Überlegungen kurz zusammenfassen und darauf eingehen, wie die eingangs von Schelling selbst konstatierte Übereinstimmung mit Athanasius zu verstehen ist. Schelling, so zeigte sich, beruft sich auf einen zentralen Gedanken von Athanasius, den er in der Philosophie der Offenbarung von 1844/45 so wiedergibt: „]ÎœF ›œOí O+/- [13] Der Gedanke des Homousios beansprucht eine Identität von Verschiedenen, und insofern sind Vater und Sohn nur dann dasselbe, wenn sie nicht dieselben sind. Vater und Sohn müssen mithin als unterschiedene und selbständige Personen gedacht werden können, soll der Gedanke des trinitarischen Gottes gedacht werden. Athanasius brachte diesen Gedanken auf die Formel, der Vater ist nicht Vater ohne den Sohn, und Schelling folgt ihm hierin, indem das Resultat seiner Rekonstruktion des trinitarischen Gottes genau auf diesen Gedanken hinausläuft.14 Wenn Schelling jedoch im Anschluß an die eben zitierte Stelle bemerkt: „]Dieß ist durch unsere Entwicklung erreicht“ (XIV, 71), so ist dies nicht nur als Bestätigung der athanasianischen Formel zu verstehen, sondern darüber hinaus, ebenso als Kritik an Athanasius. Denn sosehr Athanasius auch betont, daß der Vater nicht wirklich ist ohne den Sohn, und damit implizit eine substantielle Differenz beider voraussetzen muß, sowenig kommt dies bei ihm auf Grund seiner Option für die Sache des ìHÎÎÔnÇÎÑ und seiner Frontstellung gegenüber dem Arianismus explizit zur Darstellung. Zwar versteht er das Theorem von der ewigen Zeugung des Sohnes von der korrelativen Begründung des trinitarischen Gottesgedankens aus, jedoch steht diese korrelative Begründung ohne den expliziten Gedanken einer substantiellen Differenz tendenziell in der Gefahr, von der These der ewigen Zeugung aufgehoben zu werden.[15] Damit ist aber, so Schelling, der Begriff der Zeugung selbst aufgehoben, da „jene Zeugung per necessitatem, jene bloß notwendige Zeugung, keine eigentliche Zeugung“ ist (UF, 168), weil das Gezeugte „außer dem Zeugenden sein“ (ebd.) muß, sofern der Begriff der Zeugung erfüllt werden soll. Nur eine substantielle Differenz, und d.h. ein für sich Sein des Gezeugten, ermöglicht ein Verständnis der Zeugung als einem freien Geschehen, da nämlich eine einsinnige Bedingung des Gezeugten durch das Zeugende die Freiheit aufheben würde.

Schellings Bemerkung gegenüber der athanasianischen Gestalt der Trinitätslehre `dies ist durch unsere Entwicklung erreicht' und die von ihm konstatierte Übereinstimmung mit Athanasius ist daher im Sinne einer kritischen Rekonstruktion zu verstehen. Athanasius' These, daß der Vater nicht wirklich ist ohne den Sohn, ist, so Schelling, nur dann konsistent zu explizieren, wenn man momentaner Häretiker ist, nämlich Sabellianer und Arianer. Eine erfolgversprechende Theorie der Trinität läßt sich demnach nur als `Ketzergeschichte' rekonstruieren. Dies scheint auch die Meinung Schellings zu sein, wenn er bemerkt: „Das wahre System enthält die falschen Systeme als Momente in sich. Keines der verschiedenen Systeme war an sich absolut falsch; jedes ist nur dadurch falsch, daß es mehr als bloßer Moment sein will – es ist wahr, solange es den Moment nicht überschreitet.“ (UF, 179)]

1F.W.J. Schelling, Urfassung der Philosophie der Offenbarung. Hrsg. v. W.E. Ehrhardt, Hamburg 1992 (im Folgenden zitiert als UF und Seitenangabe). Schellings Werke werden im Folgenden nach der von K.F.A. Schelling veranstalteten Gesamtausgabe in 14 (XIV) Bänden, Stuttgart 1856-1861, zitiert.

2Vgl. auch XIV, 70f.

3Vgl. hierzu UF, 57 u. 69.

4Vgl. UF, 62: „Denn es ist gefaßt, und es ist nicht gefaßt.“

5Angemerkt sei hier, daß damit ein wesentlich praktischer Sinn von Identität beansprucht ist. Vgl. hierzu die Untersuchung von S. Peetz, Die Freiheit im Wissen. Eine Untersuchung zu Schellings Konzept der Rationalität, Frankfurt a.M. 1995.

6Vgl. UF, 195f.

7Daß der trinitätstheologische Begriff `Vater' hier als philosophischer Begriff erscheint, hat seine Vorlage in Platon, Timaios 28c, wo Platon vom Urheber und Vater spricht. Angemerkt sei hier nur, daß diese Stelle für die Theoriebildungen der Kirchenväter von großer Bedeutung war.

8Vgl. UF, 157.

9Eben dies kritisiert auch Schleiermacher an dem Begriff Zeugung und seiner Verwendung zur Konstitution der immanenten Unterschiede der trinitarischen Personen. Vgl. F. Schleiermacher, Der christliche Glaube (1820/21), KGA I/7,2, S. 368 (=[[section]] 190, 1) und [[section]] 171, 2 der Glaubenslehre 1830.

10Vgl. hierzu UF, 196ff.

11″Nun kann aber die Handlung, in welcher ein Wesen ein anderes Wesen sich homogen außer sich, unabhängig von sich so setzt, daß das gesetzte nicht unmittelbar wirkt, sondern so, daß es in einem notwendigen und unablaßbaren actus sich selbst zu verwirklichen genötigt ist – eine Handlung solcher Art kann mit keinem andern Ausdruck, als mit dem Begriff `Zeugung' bezeichnet werden.“ UF, 157

12Vgl. UF, 146.

13In dieser Form läßt sich die von Schelling angegebene Formulierung jedoch bei Athanasius nicht verifizieren. Vgl. jedoch Ps.-Athanasius, De Trinitate, PG 28, 1133.

14Wenn W. Pannenberg in seiner Dogmatik bemerkt, daß der Begriff der Selbstunterscheidung in der Trinitätstheologie seit dem 19. Jahrhundert zwar verwendet wird, jedoch „fast durchweg einseitig im Sinne der Hervorbringung einer zweiten und dritten Person der Gottheit durch den Vater“, so mag dies für die Theologie zutreffen, philosophischerseits ist ihm jedoch von Schelling her, wie sich gezeigt hat, zu widersprechen. Vgl. hierzu W. Pannenberg (1988), S. 340 Anm. 170. Daß Schellings Trinitätskonzeption oft in dem von Pannenberg kritisierten Sinne verstanden wurde, kann nach den hier ausgeführten Überlegungen nur als eine einseitige Interpretation verstanden werden. Zu solch einseitigen Interpretationen vgl. etwa W. Kasper, Das Absolute in der Geschichte. Philosophie und Theologie der Geschichte in der Spätphilosophie Schellings, Mainz 1965, S. 271ff. und H. Holz, Spekulation und Faktizität. Zum Freiheitsbegriff des mittleren und späten Schelling, Bonn 1970, S. 395ff.

15Vgl. hierzu die Diskussion des Axioms `gignere est naturae, creare voluntatis' UF,

167f. und XIII, 327f.

Über Danz Christian 21 Artikel
Prof. Dr. Christian Danz, geboren 1962 in Thüringen, hat seit 2002 eine Professor für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien inne. Seit 2006 ist er Vorsitzender der Deutschen Paul-Tillich-Gesellschaft.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.