Der schwere Angriff auf die Pressefreiheit wird mit dem Zivilrecht geführt

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien im Justizpalast (Bild: Bundeskanzleramt/Aigner)

In Österreich wird seit einigen Tagen über Pressefreiheit debattiert. Doch der Angriff auf die Publizistin Alexandra Bader wird dabei verschwiegen. Sie wird bis jetzt von der österreichischen Justiz verfolgt. Mit totaler Vermögenskonfiskation. Von Johannes Schütz.

Diese Vorgangsweise der Behörden war noch harmlos. Betroffen war der Betreiber von Mediapartizan.  Die Staatsanwaltschaft in Klagenfurt wollte Mobiltelefon und Computer des Bloggers überprüfen.  Auf der Grundlage einer Strafanzeige. Mit Hinweis auf das Strafrecht. Die österreichischen Medien reagierten mit Empörung.

Doch ist bekannt, dass Journalisten in Österreich bereits wesentlich drastischer angegriffen wurden. Auf medienrechtliche Grundlagen wird dabei verzichtet. Strafrechtlich können keine Argumente genannt werden.  Es wird mit dem Zivilrecht vorgegangen. Mit totalen Vermögensübernahmen.

Der Angriff mit dem Zivilrecht wird von Laien unterschätzt. Es ist das Geheimwissen einer Gruppe von Rechtsgelehrten und Juristen, die das Konzept dafür entwickelten und tradierten. Tatsächlich geraten die Richter dabei völlig außer Kontrolle. Selbstgewählter Rechtsanwalt wird dem Betroffenen untersagt. Rekurs beim Obersten Gerichtshof wird abgelehnt, es erfolgt eine Blockade bereits beim Landesgericht für Zivilrechtssachen. Weisung des Generalprokurators oder des Justizministers ist nicht möglich. Gesellschaftliche Kontrolle wird negiert, mit einem Mythos von der „Unabhängigkeit des Richtertums“.

Mit zivilrechtlichen Methoden können Journalisten ernsthaft blockiert und ausgeschaltet werden. Sie verlieren ihre Wohn- und Arbeitsräume, ihre Konten werden beschlagnahmt, alle Vermögenswerte übernommen, die Arbeitsunterlagen und Notizen konfisziert. Es gibt bei solchen Fällen keine Unterstützung und keine Möglichkeit, wirkungsvoll dagegen vorzugehen.  Tatsächlich sind bereits mehrere Journalisten in Österreich von zivilrechtlichen Angriffen schwer getroffen. Auch die Medienlöwin des Jahres 2007.

Zivilrechtlicher Angriff auf Medienlöwin

Von Alexandra Bader konnte man noch 2007 gut geschriebene Beiträge lesen. Etwa auf Hagalil, dem Magazin für Jüdisches Leben.  Themen von Alexandra Bader auf Hagalil waren beispielsweise Women in the Holocaust, Äthiopische Juden in Israel, der jüdische Friedhof in Währing:

„In Währing an der Grenze zu Döbling kann man einen Park durchqueren und plötzlich einen Friedhof sehen, der von Wohnhäusern umgeben ist“, begann sie den Essay (Alexandra Bader, Jüdischer Friedhof Währing, Hagalil, 27. 6. 2007).

Der österreichische Journalistinnenkongress zeichnete deshalb, berechtigterweise, Alexandra Bader mit dem Preis der Medienlöwin 2007 aus, für mutigen Journalismus. Sie recherchierte dann über Korruption in einem österreichischen Ministerium.

Offenbar wurde im Ministerium mit einer unangenehmen Aufdeckung gerechnet, denn es wurde ein Sachwalter bestellt, der die Arbeit der Publizistin Bader unter Kontrolle bringen sollte, nur ein Jahr nach der  Verleihung der Medienlöwin.

Der Sachwalter sollte alle ihre Einkünfte und ihr Vermögen übernehmen. Auch ihre Eigentumswohnung, die verkauft wurde, wobei der Erlös auf Konten des Sachwalters verschwand. Dabei gingen auch die Unterlagen und Notizen von Alexandra Bader verloren, die der Sachwalter beschlagnahmte.

Über diesen Vorfall wurde bereits auf Tabula Rasa berichtet:

Medienlöwin Alexandra Bader
Tabula Rasa, 5. 12. 2017
www.tabularasamagazin.de/32444-2

Doch bis jetzt gibt es keine Unterstützung für Alexandra Bader in Österreich. Trotz der Aufregung um den Medienpartizan Franz Miklautz.

Proteste nur für Mediapartizan

Es wäre verständlich, wenn die Beiträge von Alexandra Bader, nach all den Schwierigkeiten, die die österreichische Justiz verursachte, nicht mehr  in derselben Güte geschrieben werden können, die ihre Arbeiten im Jahr 2007 noch auszeichneten. Dennoch sollte die journalistische  Qualität der Beiträge von Alexandra Bader höher bewertet werden, als die Texte des Bloggers Miklautz.

Franz Miklautz bekundete auf Twitter: „Am Montag dachte ich: Scheiß auf den Journalismus. Heute denke ich: Never give up! Jetzt erst recht. Ich bin unzähligen Personen unendlich dankbar“ (Twitter, 22. 6. 2023)

Für Mediapartizan Miklautz gab es Proteste von Reporter ohne Grenzen Austria (ROG): „Einem Journalisten Laptop und Mobiltelefon wegzunehmen kommt einer Existenzvernichtung gleich“, befand Susanne Scholl, Vorstandsmitglied von ROG Austria.

Auch der Presseclub Concordia, die österreichische Journalistengewerkschaft, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker formulierten deutliche Kritik. Schließlich forderte noch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, dass Justizministerin Zadić die Pressefreiheit schützen solle,  denn „Journalisten müssten hierzulande frei und ohne Angst vor Verfolgung arbeiten können“ (Klaudia Tanner zitiert nach APA, 22. 6. 2023).

Das Büro der Justizministerin erklärte unverzüglich, dass ein „dringender Berichtsauftrag“ über den Vorfall erteilt wurde. Tatsächlich wurden die Ermittlungen gegen Franz Miklautz rasch eingestellt. Nach zwei Tagen wurde das Verfahren beendet. Die Oberstaatsanwaltschaft Graz erklärte am 22. Juni, dass im „Einvernehmen mit dem Justizministerium“ eine entsprechende Weisung an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt erteilt wurde.

Die Justizministerin gab noch ein bemerkenswertes Bekenntnis ab: „„Die Pressefreiheit ist ein unumstößliches Grundprinzip unserer Demokratie“.

Anfragen um Stellungnahme

Die Justizministerin wurde jetzt um eine Stellungnahme zum Fall der Publizistin Alexandra Bader angefragt. Auch Fritz Hausjell (Präsident ROG Austria), Daniela Kraus (Geschäftsführerin Presseclub Concordia), Eike-Clemens Kullmann  (Vorstand Journalistengewerkschaft).  Für die österreichische Tageszeitung DerStandard wurde noch einmal ein Beitrag zu Alexandra Bader angeboten.  Über die Ergebnisse wird in einem weiteren Beitrag berichtet.

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Über Johannes Schütz 100 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel