Wahrheit und Dogma – Das Leben des Antony Flew

Gott kann ohne Universum existieren, das Universum nicht ohne Gott (Kabbala).

  Antony Flew begann im Alter von 30 Jahren seine Karriere als atheistischer Philosoph, die ein halbes Jahrhundert andauern sollte. Im Alter von 80 Jahren verfasste er das Buch „There Is A God“. Antony Flew starb am 8. April 2010 im Alter von 87 Jahren.
Flew war der geistige Mentor der „Neuen Atheisten“, wie Richard Dawkins und Daniel Dennett. Der „Neue Atheismus“, der evolutionäre Humanismus und der postkommunistische Sozialismus ernähren sich von und leben aus seinen Erkenntnissen.
Anfänglich war Flew ein Positivist. Er war der Meinung, dass derjenige, der etwas behauptet, es beweisen muss, und nicht derjenige es zu widerlegen hat, der es bezweifelt. Nicht die Nicht-Existenz Gottes, sondern die Existenz Gottes muss bewiesen werden!
Flew war kein Dogmatiker. Er schrieb und sprach in einfachen, klaren Worten. Er war vonWahrheit besessen, auch wenn sie seinem bisherigen Denken widersprach. We must follow the argument wherever it leads (Plato: Der Staat)“, war sein Bekenntnis. Er verließ den Positivismus. „Wenn wir denken, so setzen wir das Universum, den Zufall, uns, unser Bewusstsein, die Vergangenheit voraus. All diese Voraussetzungen können nicht bewiesen werden. Diese Annahmen sind notwendig und somit wahr. Gott und Universum haben dieselbe Qualität. Wer das Universum fraglos als gegeben annimmt, kann es genauso gut mit Gott tun.“
Er gab sein bisheriges Dogma auf, dass alleine der Deist die Existenz Gottes belegen muss und der Atheist darauf warten darf, die Theorie des Deisten zu widerlegen. Nun war der Atheist gezwungen, die Existenz Gottes zu widerlegen, wenn er behauptete, dass es keinen Gott gäbe. Antony Flew erkannte, dass weder der Deist, noch der Atheist einen gültigen Beweis Ihrer Anschauung beibringen können.
Das beweist oder widerlegt weder die Existenz, noch die Nicht-Existenz Gottes. Flew hätte sich zum Agnostiker entwickeln und dort verbleiben können. Doch als Philosoph, der mehr als ein halbes Jahrhundert nach Gott forschte, war er damit nicht zufrieden.
Ein Schlüsselerlebnis hatte Antony Flew zu Anfang des II. Weltkrieges. Er war Kommunist und Mitglied der Britischen Kommunistischen Partei. Als Hitlerdeutschland 1939 mit Stalins Sowjetunion einen Pakt abschloss, erließ die Britische Kommunistische Partei ihren Mitgliedern die Glaubenswahrheit, dass ein Krieg gegen Deutschland imperialistisch wäre, auch wenn sich Großbritannien von Deutschland bedroht fühlte. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion war es eine progressive Wahrheit, gegen Deutschland zu kämpfen. Antony Flew war kein Wendehals und erkannte die Lügen. Seine postkommunistischen sozialistischen Anhänger verraten ihn bis heute.
Flew erkannte, dass Wahrheit und Wahrheitsfindung von persönlichen Interessen dominiert werden. Um sich selber davon zu befreien, beschloss er, die Motive der Atheisten zu erforschen. Seine 50 Jahre währende Forschung über den Atheismus gab ihm die Möglichkeit, die Beweggründe der Atheisten zu erkennen.
Im Jahr 2006 erblickte der „Neue Atheismus“ das Licht der Welt. Er versteht sich als evolutionärer Humanismus. Das bedeutet zweierlei. Erstens begründet er sich auf die Evolution, wie sie Darwin beschrieben hat. Zweitens stellt der „Neue Atheismus“ eine Ethik vor, die den menschlichen Bedürfnissen angepasst ist und von keiner Transzendenz getrübt und abhängig ist.
Hier werden einige Begriffe erklärt, die vielen Akademikern allzu selbstverständlich erscheinen mögen.
Evolution heißt, dass jede Lebensform sich aus einer vorherigen Lebensform entwickelt. Ist sie gut ihrer Umgebung angepasst, so vermehrt sie sich auf Kosten anderer Arten und überlebt.
Ethik befasst sich mit dem richtigen menschlichen Handeln, um den Menschen vor Schaden zu bewahren und ihm zu nützen: dem einzelnen Menschen und der menschlichen Gesellschaft.
Transzendenz ist das, was unser irdisches Denken, welches wir logisches Denken nennen, überfordert.
Da der „Neue Atheismus“ die Transzendenz nicht kennt und nicht anerkennt, beruht seine menschliche Ethik allein auf menschliches logisches Denken und nicht auf Gottes Gebote. Diese Philosophie bezeichnet man als Utilitarismus, die Nützlichkeitslehre des Menschen. Antony Flew sah darin die Wurzel allen Übels. Darwins Evolutionstheorie wurde von ihm mit Einschränkungen akzeptiert. Flew sah in der natürlichen Selektion keine Produktion von Vorteilen, sondern die Eliminierung von Nachteilen. Er stellte sich die philosophische Frage nach der Notwendigkeit der Evolution und des Lebens, die er nicht beantworten konnte. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass das Universum nicht alt und nicht groß genug sei, um zufällig Leben zu erzeugen.
Wissenschaftler glauben fest an die Naturgesetze. Flew fragte, warum im gesamten Universum dieselben Naturgesetze herrschen, Gesetze, die einen „Gesetzgeber“ verlangen. Und wer hat die Naturgesetze für das Leben verfasst?
Dies waren seine Schritte zum Deismus hin. Doch es waren die Lehren des „Neuen Atheismus“, die ihn veranlassten, nach Gott zu suchen.
Der „Neue Atheismus“ verlangt die Nicht-Existenz Gottes. In kurzer Zeit wurden Glaubenswahrheiten festgesetzt, deren Nichtbefolgung als Häresie und Apostasie verstanden und geahndet wurden. Die „Ketzerverfolgung“ ist im Vergleich zur real existenten Ketzerverfolgung der katholischen Kirche ein Sonntagsausflug, dennoch reell. Folgende Glaubenswahrheiten brachte der „Neue Atheismus“ in weniger als einem Jahr heraus:

Das Universum hat keinen zeitlichen Anfang.Jede Ursache hat eine Wirkung, jede Wirkung hat eine Ursache.Es gibt keinen freien Willen.Es gibt keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier, keinen Unterschied zwischen belebter und unbelebter Materie.
Im Einzelnen:

Das Universum hat keinen zeitlichen Anfang.

Hätte das Universum einen zeitlichen Anfang, so könnte man nach dessen Ursache fragen. Diese wäre notwendigerweise transzendent, da zeitlich vor und somit nicht von dieser Welt. Da es keine Transzendenz gibt, hat das Universum keinen zeitlichen Anfang. Problematisch ist die derzeitige wissenschaftlich allgemeine Anerkennung des „Big Bang“, des Urknalles. Der „Neue Atheist“ weicht deshalb auf das Multiversum aus, in dem unendlich viele Universen existieren. Flew sah im Multiversum ein Ausweichmanöver: „Wer das Universumnicht erklären kann, kann auch das Multiversum nicht erklären.“
Wenn das Universum keinen zeitlichen Anfang hat, dann liegt es nahe, dass es auch kein zeitliches Ende hat. Das Universum wäre unvergänglich. Der Erhaltungssatz von Energie und Masse käme zur Geltung. Das Universum wäre Gott und wir Menschen als Teil des Universums wären göttlich, im Abbild Gottes erschaffen (Genesis 1,26).

Jede Ursache hat eine Wirkung, jede Wirkung hat eine Ursache.

Die Wirkung einer Ursache wird selbst zur Ursache und Glied einer unendlichen Kette. Die atheistische Beziehungsfolge von Ursache und Wirkung beruht auf die Verneinung der ersten Ursache, die keine Wirkung ist und somit keine Ursache hat. Ursache und Wirkung sind nachvollziehbar und können wissenschaftlich erklärt werden. Alles im Universum ist erklärlich. Und kann etwas dennoch nicht erklärt werden, dann fehlen wichtige Fakten, die noch nicht bekannt sind. Würden alle Fakten detailliert vorliegen, so könnte alles erklärt werden.
Im Widerspruch zum atheistischen Dogma gibt es wirkungslose Ursachen und ursachenlose Wirkungen. Die Erkenntnisse der Chaostheorie, die nun ihren 70. Geburtstag feiert, haben im „Neuen Atheismus“ bisher keinen Eingang gefunden. Die Chaostheorie selber ist für viele „Neue Atheisten“ eine Blasphemie.

Es gibt keinen freien Willen.

Warum gibt es keinen freien Willen, wenn man Atheist ist? Weil jede Handlung eine Ursache hat. Die Wirkung ist somit determiniert, nicht zwangsläufig vorhersehbar, auf jeden Fall nicht frei.
Selbst unter den „Neuen Atheisten“ wird der fehlende freie Wille nicht von allen angenommen. Michael Schmidt-Salomon, der Vorstand der neu-atheistischen giordano bruno stiftung, hat das Buch geschrieben: „Jenseits von Gut und Böse: Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind.“ Seine kurzgefasste These lautet:
Im Universum gibt es keine Wirkung ohne Ursache. Deshalb gibt es keinen freien Willen.
Möchte man dem freien Willen anhängen, so verbietet es sich, Atheist zu sein, behaupten viele der „Neuen Atheisten“.
Bisher herrschte die Meinung, dass nur fundamentalistische Theisten den freien Willen ablehnen, da alles „Gottes Wille“ sei. Die dargebrachten Argumente beweisen keinesfalls, dass es den freien Willen gibt oder nicht gibt, auch wenn Antony Flew sich zum freien Willen bekannte. Die Probleme, die Flew mit der Negation des freien Willens verband, entsprangen seinen Erfahrungen während des II. Weltkrieges. Ohne freien Willen lässt sich jegliche Barbarei beschönigen. Ohne freien Willen gibt es keine Zivilisation. Ohne freien Willen gibt es keinen Grund zu leben.

Es gibt keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier.

Nach Auffassung der „Neuen Atheisten“ ist der Mensch ein Zufallsprodukt. Er verfügt über gewisse Fähigkeiten, die ihn von den übrigen Tieren unterscheiden, jedoch gibt es genügend andere Tierarten, die über Fähigkeiten verfügen, die keinem anderen Lebewesen zugänglich sind. Somit ist der Mensch ein Tier. Das Besondere an diesem Tier ist, dass wir (Schreiber, Leser) Mitglieder dieser Tierart sind. Kein anderes Tier interessiert sich für diesen Artikel.
Wenn nun aber der Mensch ein Tier ist, dann ist die menschliche Ethik eine tierische. Wertvorstellungen dürfen nicht auf den Menschen beschränkt bleiben, alle Tiere müssen einbezogen werden.
Menschliche Vegetarier sind gute Tiere. Doch darf man einen Hühnerstall mit einem KZ vergleichen? Ist das Töten eines Tieres genauso moralisch verwerflich wie der Mord an einem Menschen? Gibt es überhaupt den Mord? Die hebräische Bibel bejaht es, die christliche Bibel nicht. „Du sollst nicht morden!“ im hebräischen Original entspricht dem christlichen Gebot: „Du sollst nicht töten!“ (Exodus 20,13).
Wenn wir das Töten eines Tieres mit dem Morden eines Menschen gleichstellen, dann wird keinem Tier geholfen werden. Lediglich das Morden von Menschen wird erleichtert. Während Mao Tse-Tung Millionen seiner Landsleute auf jede erdenkliche Art umbringen ließ, sinnierte er darüber, wie Tiere, er hatte Kühe im Visier, vom Sozialismus profitieren könnten.

Es gibt keinen Unterschied zwischen belebter und unbelebter Materie.

Die unbelebte Materie ist das primäre. Somit ist die belebte Materie aus der unbelebten Materie entstanden. Die Wirkung „belebte Materie“ hat die „unbelebte Materie“ als Ursache. Der Übergang von unbelebter zur belebten Materie vollzog und vollzieht sich langsam und zufällig über Äonen. Es gibt unendlich viele Versuche und Irrtümer, unendlich viele Zwischenstufen zwischen der unbelebten und der belebten Materie, die auch in diesem Augenblick existieren. Belebte und unbelebte Materie unterscheiden sich, wenn überhaupt, nur graduell. Nach Ansicht der „Neuen Atheisten“ ist die Unterscheidung zwischen unbelebter und belebter Materie künstlich, nicht natürlich, transzendent.
Der Sozialist Flew assoziierte diese Ansicht der „Neuen Atheisten“ mit dem (frühen) Kapitalismus: Ware und Arbeit, Produkt und Arbeiter sind gleichwertig.
Waren es die neuen atheistischen Glaubenswahrheiten, die Antony Flew vom Pfad des Atheismus ablenkten?
Nein.
Es waren die Konsequenzen aus den neuen atheistischen Glaubenswahrheiten, für die Antony Flew nicht verantwortlich sein wollte.
Während seines Lebens änderte Antony Flew seine philosophischen Ansichten: vom Atheisten zum logischen Positivisten, vom Positivisten zum rationalen Theisten. Er folgte der Wahrheit auf Kosten des Dogmas. Da er zuletzt kaum mehr schrieb, darf über seinen letzten Schritt zum Deisten spekuliert werden. Er war nicht überzeugt, dass Gott existiert. Ob er an Gott glaubte, ist nicht sicher. Sicher ist, dass er sich von den Konsequenzen einer gottlosen Gesellschaft fürchtete.Er war davon überzeugt, dass der Mensch zu seinem Wohlergehen Gott braucht.

Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.

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