Die Natur im Stundenglas der Zeit. Poussins Landschaften

Lausbergs Buchtipp

Bild von lee seonghak auf Pixabay.

Willibald Sauerländer: Die Natur im Stundenglas der Zeit. Poussins Landschaften, C. H. Beck, München 2024, ISBN: 978-3-406-81186-9, 58 EURO (D)

Nicolas Poussin (1594 – 1665) gilt als einer der bedeutendsten Maler des 17. Jahrhunderts. Seine klaren und gleichzeitig poetischen Bildkompositionen beeinflussten nachfolgende Künstlergenerationen maßgeblich.

In seinem letzten Buch nimmt Willibald Sauerländer Poussins vielschichtige Landschaften in den Blick, deckt ihre literarischen und kunsthistorischen Quellen auf und ermöglicht auf diese Weise eine neue und spannende Lesart dieser Bilder. So sind diese Texte, aus dem Nachlass herausgegeben von Reinhold Baumstark, ein spätes Geschenk an alle kunstinteressierten Leser*innen.

„So ist das vorliegende Buch auch eine Anstrengung, die poetische Vernunft der Poussinschen Landschaften gegen mystifizierende Deutungen zu schützen.“ (S. 15)

Sauerländer schreibt: „Das Vernünftige schließt das Poetische nicht aus, nur das Poussin verhaßte Verworrene.“ (Ebd.)

Dies wird im ausführlichen ersten Teil des Buches dargelegt. Wege als ein Schlüsselmotiv von Poussins Landschaftsbildern, Liebe und Tod, Selbstsucht, „Et in Arcadia Ego“, Orte der Erinnerung, die Phokion-Bilder, die Diogenes-Landschaft, Poussins Schlagenbild, das Bild von Orpheus und Eurydike, Poussins meteorologische Landschaften, die Landschaft mit Pyramus und Thisbe, Poussins Polyphem, Herkules und Cacus, die Landschaft mit dem blinden Orion.

Im zweiten Teil wird anhand von Poussins Jahreszeitenfolge die These untermauert, dass Poussin als „historienorientierter Landschaftsmaler nur die Vorfälle aus dem Alten Testament, getreu oder doch ziemlich getreu nach dem darin überlieferten Text“ gemalt hat. (S. 224) Damit will er einen mystifizierenden Abweg“ entgegentreten und seine ursprüngliche These  der poetische Vernunft bekräftigen.

Es geht sich also in diesem Alterswerk um eine Revision von Sauerländers eigenen früheren Thesen und letztlich um die Deutung von Poussins Landschaftsmalerei. Dabei handelt es sich nicht um eine revolutionäre Deutung, sondern um eine Art Realpolitik ohne schwärmerische, symbolhafte Ausschweifungen.

Die These wird anhand der Analyse von Poussins Werken mit 71 farbigen Abbildungen detailliert gezeigt und in die Forschungsgeschichte gut eingebettet. Das Werk ist logisch aufgebaut und stimmig. Die Abbildungen sind von exklusiver Qualität, vielleicht hätte das Format größer sein können.

Dies ist ein lebendiger Beitrag zur Poussin-Forschung, die dadurch neuen Schwung bekommen dürfte.

Über Michael Lausberg 613 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.