Annegret Kramp-Karrenbauer – Sie ist Merkels Favoritin für den CDU-Parteivorsitz

Annegret Kramp-Karrenbauer, Foto: Peter Kerkrath

Die ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, sorgt seit Monaten für einen frischeren Wind in der CDU-Parteizentrale. Seit Jahren gilt die Politikerin als aussichtsreiche Nachfolgerin von Angela Merkel. Nach dem Vericht auf das Amt des Parteivorsitzes stehen die Chancen für sie nicht schlecht. Doch für was steht die charismatische Kramp-Karrenbauer eigentlich?

Es gibt in Deutschland Politiker, die machen ihre Aufgaben ganz ohne großen Lärm. Sie sind die leisen Regenten, die Probleme nicht bloss bereden, sondern eben lösen. Zu dieser Gattung Mensch zählt die ehemalige saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Der Name ist ein wenig sperrig, doch die Person, die dahintersteht, geht derzeit geradlinig und geschmeidig ihren Weg nach ganz oben. In der CDU fällt ihr Name immer häufiger, wenn es um die Frage geht, wer nach Angela Merkel eigentlich die Union der Zukunft verkörpert. Der stete Aufstieg von „AKK“, wie sie unter Unionisten gerne genannt wird, ist bemerkenswert, gerade weil er sich so leise vollzieht. Während viele Politiker fast sklavisch nach medialer Aufmerksamkeit gieren und sich geschickt in jeder Medienwelle inszenieren, pflegt AKK demonstrative Bescheidenheit.

Seit sie das Amt der CDU-Generalsekretärin in Berlin begleitet, schlägt die Politikerin aber auch mal härtere Töne an. Dennoch steht Kramp-Karrenbauer für den politischenen Ausgleich, strategische Vermittlung und damit als Brückenbauerin, die nicht mit Kritik an der eigenen Partei spart. Nun hat die enge Vertraute von Angela Merkel die Möglichkeit, in die Fußspuren der Kanzlerin selbst zu treten.

Die weise Politikerin

Vom Populismus eines Lafontaine war Kramp-Karrenbauer denkbar weit entfernt. Die studierte Rechts- und Politikwissenschaftlerin regiert auch in Berlin diskret und sachlich, mit weiblicher Vorausschau und weiser Hand, ja mit viel Geschick und dem nötigen Gespür für Bodenhaftung. Sie ist eine Politikerin vom ur-alten Schlag, die ihre Hausaufgaben macht, die bei sachpolitischen Themen sattelfest ist und dem gesunden Menschenverstand folgt. Kramp-Karrenbauer ist uneitel und pragmatisch und steht dabei noch immer mit voller Nummer im Telefonbuch. Im Saarland galt sie als bürgernah und hatte keine Berührungsängste. Vom Lärm, Selbstinszenierungswahn und einem damit verbundenen Herrschaftskult wie in Bayern hatte sie immer schon wenig gehalten. Lichtjahre trennen sie von den Söders, Seehofers und Scheuers. So gilt sie mit ihrer ausgewogenen Art für viele schon seit Jahren als eine junge Angela Merkel – nur eben westdeutsch sozialisiert und darüber hinaus einem konservativ-katholischen Milieu entstammend.

„Wahlkampf bei allen Windverhältnissen“

Lange Zeit war AKK aus dem beschaulichen Völklingen eine Art Nebendarstellerin am Rande der Republik. Ihr fehlte die Stahlkraft einer Julia Klöckner oder einer Ursula von der Leyen. Die Medien hatten sie kaum auf dem Schirm, für die höheren Weihen war sie zu weit weg im Westen. Doch inzwischen hat sie in der innerparteilichen Akzeptanz die beiden anderen eingeholt. Sie ist der Typ von Frau, der immer unterschätzt wird, hier Merkel nicht unähnlich. Doch Kramp-Karrenbauer kann auch anders – auch gegen Merkel, sie ist mutiger als die Kanzlerin, hat mehr Chupze. Spätestens 2012 war ihre Stunde gekommen und ihr Name in aller Munde. Gegen Merkels Rat hatte sie die Jamaika-Koalition an der Saar mit einem Federstrich aufgelöst und durch eine Große Koalition ersetzt. Und die ehemalige Nachfolgerin von Peter Müller war seitdem aus der CDU nicht mehr wegzudenken. Kramp-Karrenbauer macht „Wahlkampf bei allen Windverhältnissen“.

Die Netzwerkerin

2016 wurde sie als Merkel-Nachfolgerin und als neue Bundespräsidentin gehandelt, jetzt kandidiert sie für den Parteivorsitz. In ihrer Partei gilt sie als einflussreich und als gute Netzwerkerin. Sie genießt das höchste Vertrauen der Kanzlerin, die ihre politischen Tugenden schätzt, ihre Zielstrebigkeit und Gelassenheit. Kramp-Karrenbauer zählt zum liberalen Kreis ihrer Partei und kann sich auf den Arbeitnehmerflügel verlassen. Das macht sie auch für SPD und Grüne wählbar. Darüberhinaus hat sie eine hohe Reputation in der Frauen-Union und unter den deutschen Katholiken. Seit Jahren ist sie Mitglied des Zentralkomitees und setzt sich dort verstärkt für eine Lockerung des Zölibates, für die Weihung weiblicher Diakone und für die Verteidigung der klassischen Ehe ein. Dafür musste sie sich den Vorwurf von SPD und Grünen gefallen lassen, dass sie Homo-Ehe mit Inzest und Polygamie vergleiche. Doch Kramp-Karrenbauer ist weder homophob oder gar reaktionär. Eine Ehe für alle geht ihr aber deutlich zu weit.

Die Vita von AKK liest sich wie eine zielstrebige Karriereplanung: mit 19 Jahren CDU-Mitglied, später Stadträtin, mit 36 Jahren Bundestagsabgeordnete, dann Landtagsmitglied und Ministerin. Dabei hatte sie ihre Karriere keineswegs geplant. Hebamme oder Lehrerin waren erstmal ihre Ziele. Doch nach dem Marsch durch die politischen Institutionen, von der Lokal- in die Landespolitik, blickt das politische Talent auf eine traumhafte Karriere zurück, gekrönt mit den Ämtern der Ministerpräsidentin 2011 und der CDU-Generalsekretärin 2018.

Die Getreue der Kanzlerin

Beim Poker um das mögliche Kanzleramt ist Kramp-Karrenbauer eine weitere Prinzessin im Karussell, mit der zu rechnen – und mit der seit dem 29. Oktober 2018 immer mehr zu rechnen ist. Das müssen auch ehemalige Kronprinzessinnen wie Ursula von der Leyen oder Julia Klöckner anerkennen. Und das weiß auch die Kanzlerin, die sich der Loyalität Kramp-Karrenbauers sicher ist.

Die Saarländerin hielt Merkel in der Flüchtlingskrise unverbrüchlich die Treue, bezeichnete Sigmar Gabriels Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik als perfide und attackierte den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehhofer und dessen notorische Verbalattacken gegen Berlin. Statt destruktivem Dissens klagt Kramp-Karrenbauer mehr Harmonie von der Schwester ein, die „CSU ist eine Partei, die gerne mal lautere Töne anschlägt“, bemerkt sie lakonisch.

Mit Kramp-Karrenbauer als Parteichefin wäre nicht nur die Verjüngung der Partei eingeläutet, mit ihr würde auch eine Politikerin den Raum der Macht betreten, die näher mit dem Ohr an der Stimme des Volkes ist und die sich in den Landtags-Grabenkämpfen stets unter Beweis stellen musste. Ein stoisches Weiter-so wie unter Angela Merkel wird es mit ihr nicht geben, dazu ist sie schon als Persönlichkeit zu breit aufgestellt.

Finanzen

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2126 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".