Das unnötige Scheitern der FDP

Christian Lindner, Quelle: Screenshot PHOENIX

FDP-Chef Christian Lindner ist mit seiner Taktik der letzten Monate gescheitert, seine Partei als letzten Hort der Bürgerlichen in einer Koalition von Linken zu inszenieren. Solche parteipolitische Versteifung wird von Wählerinnen und Wählern als unangemessen und auch unernsthaft in Zeiten des Krieges empfunden. Die „Zeit“ nannte das kürzlich in einem immer noch sehr aufschlussreichen Text „eine Art bürgerliche Identitätspolitik“ (https://epaper.zeit.de/…/fa9a373b99f6da6e5ad70f0c84bf18…).

Anstatt angesichts des von Lindner selbst beschworenen „Energiekrieges“ und des realen Krieges nach dem Gesetz noch einmal eine Notlage auzurufen, baut er grosse Schattenhaushalte auf, nur um sich dann als Bewahrer der Schuldenbremse präsentieren zu können. Das wirkt im Innern unglaubwürdig und verärgert die europäischen Nachbarn.

Das wirklich erfolgreiche Neun-Euro-Ticket der Ampelregierung denunziert Lindner als „Gratis-Mentalität“, anstatt digitale Flat-Rate-Modelle in die Debatte um die Fortsetzung einzubringen. Schliesslich stellt die FDP einen Minister für Digitales, der durch eigene Initiativen auf diesem Feld bislang nicht sonderlich aufgefallen ist. Deutschland und seine Verwaltungen zu digitalisieren, wäre ein grosses liberales Thema. Statt dessen inszeniert sich Lindner als Porsche Fan in einer Sylter Traditionskneipe des vergangenen Jahrhunderts. Dieser immer noch jung wirkende Mann steht irgendwie für die alte Welt.

Auch Robert Habeck nimmt auf die programmatischen Heiligtümer seiner grünen Partei Rücksicht. Aber es gelingt ihm zu zeigen, dass er bereit ist, sie eine Zeitlang schleifen zu lassen, um Deutschland durch die Energiekrise zu bringen. Dass er die Fehler aller macht, die in unübersichtlichen Zeiten regieren, wird ihm auf Dauer nicht schaden.

Bei der militärischen Unterstützung der Ukraine gegen die russische Invasion mussten die Grünen viele und lange geltende Grundvorstellungen ihrer Partei kippen. Ihre Bereitschaft sich diesem schmerzhaften Prozess offen auszusetzen, wird die Partei stärken. Das hat sich auch in Niedersachsen gezeigt, selbst wenn die Erwartungen auf Grund der Meinungsumfragen höher lagen.

Damit zeigen die Grünen die Flexibilität, die der FDP so schwer fällt. Sie konnte ihr wichtige Punkte im Koalitionspapier durchsetzen. Manches davon ist durch den Zeitenbruch in Frage gestellt. Sich trotzdem daran zu klammern, anstatt nach neuen Lösungen zu suchen, trägt zum Absturz der FDP bei.

Liberale und Grüne könnten sich ergänzen, so wie es zu Beginn der Koalitionsverhandlungen möglich schien. Statt dessen treibt Lindner die FDP mit seiner Linksphobie an die Seite der oppositionellen Union, obwohl eine christlich-liberale Mehrheit von der Union auf absehbare Zeit nicht als realistisch angesehen wird. Regierung oder Opposition – Christian Lindner und die FDP müssen sich entscheiden. Beides geht nicht.