„Dem braven Kind“ – Ein neues Buch für Grafikliebhaber, Lehrer, Kinder und für viele andere

Bis zum 26. Oktober 2014 findet im Amtshaus des Klosterdorfes Windberg bei Bogen an der Donau eine sehenswerte Ausstellung statt. Das Thema „Ohne Fleiß kein Preis“ mit dem Untertitel „Fleißbildchen mach(t)en Freude“ wurde von Frater Raphael Sperber entworfen und widmet sich einer fast vergessenen schulischen Tradition, Fleiß und gutes Betragen der Kinder mit kleinen Bildern zu belohnen. Die Entwicklung, die große Vielfalt und Fülle der Fleißbildchen ist heute nur noch einigen Grafikliebhabern bekannt und hat den in Fachkreisen bekannten Schriftsteller und Hochschullehrer Dr. Hans Gärtner gereizt, mit vielen Glanzstücken seiner eigenen Sammlung die Ausstellung zu bereichern und ein eigenes Buch zu diesem ungewöhnlichen Thema zu verfassen.
Professor Hans Gärtner hat seinem „Begleitbuch“ den Titel „Dem braven Kind. Fleißbildchen. Ein fast vergessenes Stück Schulkultur“ gegeben. Entstanden ist keine bloße Beschreibung der Ausstellung, sondern „eine erste umfangreiche…Aufarbeitung der Thematik Fleißbildchen…die die Grenzen Bayerns, ja Deutschlands, nach Europa und Übersee hin, ausweitet“ (Zitat Gärtner).Schon das detaillierte Inhaltsverzeichnis verrät das Wissen und die Kennerschaft des Buchautors. Eingeleitet wird das Buch von einem sehr persönlich gehaltenen Geleitwort des Generalabtes des Prämonstratenserordens P. Thomas Handgrätinger aus Rom und von einem ebenso eindrucksvollen „Prolog“ des Verfassers Prof. Dr. Hans Gärtner aus Polling bei Mühldorf. Beide Artikel führen den Leser auf Thematik, Sinn und Absicht des Buches hin. In neun größeren mit 45 durchnummerierten Kapiteln beschreibt Hans Gärtner den Fleiß als christliche, bürgerliche und schulische Tugend. Der Begriff, der viele Pädagogen in Wort und Bild beschäftigt hat, wird von Gärtner in seiner Entwicklung beschrieben. U.a. widmet er der Ameise, der Biene und dem Hahn als Sinnbildern des Fleißes eine gründliche Analyse. Die Fleißbildchen schaffen ihren Empfängern, den Schülern, den Sammlern, auch den bildenden Künstlern und Dichtern, deren Kurzbiografien zu finden sind, Vergnügen. Gärtner bevorzugt dazu – wie auch sonst öfter – einen treffenden französischen Begriff, Plaisir, und bespricht „vergnüglich“ im Wechsel, wie schulische Belobungen generell ausgesehen haben und aus welchen Materialien solche Prämien bestanden. Dem Hauchbild und dessen Herstellungsverfahren ist dabei ein eigenes Kapitel gewidmet. Besonders ausführlich schildert der Verfasser die pädagogischen Gründe für den Gebrauch von „Fleißzetteln“ oder den so genannten „Billets“ sowie deren Wirkung auf die „braven Kinder“. Die Darstellungen auf den Bildern, besonders die religiösen Motive sind von unglaublicher Vielfalt. Ihre Entstehung und weitere Entwicklung werden ebenso wie die verschiedenen Qualitäten der Ausführung angesprochen. Unverkennbar versucht dabei Prof. Gärtner, Humorvolles, oft auch selbst Erlebtes und eigene Interpretationen an passender Stelle unterzubringen.
Fleißbildchen haben die Lehrer oft selbst hergestellt, gezeichnet, gestempelt oder/und beschrieben, meist haben sie gedruckte Vorlagen gebraucht, die in Material, Drucktechnik, Größe, Farbe, Darstellung und Texten sehr unterschiedlich waren. Es gab dementsprechend Unikate und „Allerweltsprodukte“. All dies führt Hans Gärtner anschaulich vor Augen. Den Druckerzeugnissen geht er in ihrer Herkunft nach, nennt Verlage, Orte, Daten, Künstler, Verfasser, Vorlagen und bewertet kritisch auch die Veränderungen, insbesondere der religiösen Gefühlswelt, die er unter dem Begriff „Pastorale“ zusammenfasst. In diesem Zusammenhang sieht Prof. Gärtner viele Texte auf Fleißbildchen als „wahrlich überholte, schon zur Zeit der Drucklegung als kitschig einzustufende Formulierungen“, die „heutzutage endgültig gelöscht“ seien. „Gott sei’s gedankt.“ – sagt er abschließend.
Hans Gärtner lässt im Abschnitt „Plaisir III“ drei Schriftsteller zu Wort kommen. In den komplett zitierten Erzählungen der deutschen Jugendbuchautorin Isabella Braun (1815-1886), der Schweizerin Elisabeth Müller (1885-1977) und des Amerikaners Mark Twain (1835-1910) werden die „Schulkindergeschenke“ in den großen Zusammenhang zum wirklichen Sinn des schulischen Fleißes gestellt.
Unter den „Protagonisten“ der kleinen Bilder finden – nach Hans Gärtner – neben (fast)unbekannten Künstlern auch „Große fürs Miniformat“ Platz, u.a. Franz Graf von Pocci, Oscar Pletsch, Rudolf Scheibenzuber, Ida Bohatta-Morpurgo, M. Innocentia Hummel und der für Windberg besonders wichtige Hans Huber-Sulzemoos: Eine Fundgrube für Freunde dieses Spezialgebietes!
Den „Petitessen“, dem „Nachschlag zum Kichern“ – wie Gärtner erklärt – und den „Prunkstücken“ der ausgestellten Fleißbildchen folgt ein „Postscriptum“, ein Personen- und Sach-Register. Aus der abschließenden Dankadresse wird noch einmal das weit reichende Netzwerk deutlich, das der Autor für seine Monographie verwendet hat.
Im gesamten Buch, in allen Abschnitten erkennt man die Souveränität des Autors, man spürt den begeisterten Pädagogen, der in Theorie und Praxis mit der Ausbildung von Lehrern zu tun hatte, und den Sammler, der noch immer nach Neuigkeiten sucht und sie gelegentlich auch findet. Und man erfährt, dass die Geschichte schulischer Belohnungen weit zurückführt und selbstverständlich auch durch politische Entwicklungen beeinflusst worden war. Über 180 Abbildungen – viele davon sind auch in der Ausstellung zu sehen – und eingestreute „Sammler-Erlebnisse“ lassen keine Langeweile aufkommen. Konzentriertes Lesen ist allerdings bei einigen längeren Satzperioden notwendig. Die zahlreichen biografischen Hinweise dürften für jeden Sammler der kleinen Bilder von Interesse sein. Bildunterschriften, Zitate und Anmerkungen entsprechen zuverlässig wissenschaftlichen Ansprüchen und ermöglichen sogar vertieftes Weiterforschen. Dieses Buch wird nach Überzeugung des Rezensenten jeden Grafiksammler, jeden Lehrer und vor allem alle ehemalige und heutige „brave Kinder“ erfreuen.

Hans Neueder, StD i.R. und Kreisheimatpfleger des LK Straubing-Bogen

Gärtner, Hans: Dem braven Kind. Fleißbildchen. Ein fast vergessenes Stück Schulkultur, POPPE-Verlag, Windberg 2014, ISBN 978-3-932931-84-0, 210 Seiten.
Preis: 12,90 €. Das Buch ist während der Ausstellungszeiten (Samstag, Sonn- und Feiertag von 13 bis 17.30 Uhr), im Klosterladen Windberg (Montag-Samstag 10-12 und 13-17.30 Uhr) und im Buchhandel zu erwerben.

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