Nachlese: Scheinheiligkeit und Moral

Es vergeht kein Tag, an dem einem nicht die Galle hochsteigt ob der Nachricht aus deutschen Landen.
Herr Zollitsch, der Oberhirte der deutschen Bischofskonferenz, erschien zum Rapport beim Papst Benedikt XVI, um unter anderem (und am Rande) auch über die Unregelmäßigkeiten sprich: sexuellen Übergriffe und Kindesmisshandlungen zu berichten. Die Jungen (und Mädchen) wurden katholischen Institutionen, Erziehungsheimen und Internaten anheim gegeben, in der Hoffnung auf eine menschliche und intellektuelle Erziehung und eine gottgefällige allzumal! Der Glaube an die moralischeUnbestechlichkeit kirchlicher Gottesdiener war so tief verwurzelt, dass mir ein Internatsjunge der damaligen Zeit (Anfang 1960) noch vor kurzem gesagt hatte: „Wenn ich so etwas je meinen Eltern erzählt hätte, hätte ich obendrein noch Prügel gekriegt.“ Auch das scheintmir ein Grund, warum diese schmierige Wahrheit so spät ans Licht kommt.
Das hohe moralischeRoss, auf dem die Kirchenvertreter immer noch sitzen, wird nun von Zollitsch plötzlich abgezäumt, wenn er sagt, dass etwa 75% der Missbrauchsfälle außerhalb der Kirche vorkommen, (damit also die Kirche doch eher eine lässliche Sünderin sei?). Ja, was ist nun? Die Kirche, die so einen hehren moralischen Anspruch hat und in allen Angelegenheiten mitreden will, fängt plötzlich an, ihre Moral auf Mittelmaß herunter zu banalisieren, um nicht an ihren Ansprüchen gemessen zu werden! Es ist ein erbärmliches Schauspiel, das der Bischof liefert. Es wäre sicher hilfreicher für eine realistische Einschätzung, wenn man den prozentualen Anteil der Kinderschänder außerhalb der Kirche und den der Kirchenherren in Beziehung setzen würde. Dann wären die Verhältnisse geklärt.
Auch der Papst gerät noch ins Zwielicht, weil unter seiner Ägide im Erzbistum München-Freising ein priesterliche Kinderschänder an einen anderen Sprengel weitergereicht wurde, wo er wieder rückfällig wurde. Ratzinger, der damals als Erzbischof mit in dem Kuratorium saß, hat sein Placet dazu gegeben. Seine unterwürfigen Apologeten beteuern lauthals, er habe nichts davon gewusst: „Er hat nichts damit zu tun“. Das scheint auf alle höheren Chargen der Catholica zuzutreffen. Man findet, wie in diesem Falle auch, ein Bauernopfer, das alle Verantwortung auf sich nimmt.
Wir dürfen gespannt sein, was die Kirche für die Opfer zu tun gedenkt. Außer den lauwarmen Entschuldigungen und salbungsvollen Bedauernssprüchen, die jedem menschlichen Mitgefühl Hohn sprechen, scheint die Fürsorglichkeit sich eher auf die Täter zu richten, sie der Gerichtsbarkeit zu entziehen. Hat diese Kirche eigentlich kein Sensorium für menschlichen Anstand gegenüber jenen, die sie gedemütigt hat, deren Leben sie weitgehend zerstört hat, deren Vertrauen sie missbraucht hat und dann gewissenlos zurückgestoßen hat in ihre Gewissensqualen. Hier kann sich die Kirche nicht herauswinden, sich hinter dem Rücken irregeleiteterSchafe verstecken, hinter „Christen“, wie sie es so oft getan hat. Das ist die Kirche und ihre Vertreter! Das Jesuswort sollte auch hier gelten: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder (an)getan habt, das habt ihr mir (an)getan.“
Was weltliche Internate, insbesondere die Schulen der Reformpädagogik sich zuschulden kommen ließen, ist ebenso verdammenswürdig und empörend. Aber der Mut zur lückenlosen Aufdeckung der Untaten, die Offenheit und schonungslose Aufklärungsarbeit zeigt einen Grundzug der Ehrlichkeit, der der Kirche fehlt, sie ist zu feige, dafür gerade zu stehen. Und sie hat wohlAngst um die Schmälerung ihrer jährlichen 48 Milliarden-Einkünfte, (8 Milliarden Kirchensteuer, den Rest bezahlt der Staat von unser aller Steuereinkommen.) die sie allein in Deutschland einkassiert! (Vergleichen Sie hierzu Horst Herrmann: „Die Kirche und unser Geld“). In Deutschland ist sie nicht einmal bereit, die Therapiekosten für die missbrauchten Menschen zu bezahlen. Christliche Nächstenliebe aus Kirchenperspektive betrachtet!

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland!

Nie hätte ich gedacht, dass Paul Celans Todesfuge noch einmal auf Deutschland Anwendung finden könnte.
Zwar sind wir nicht Exportweltmeister bei den Waffenlieferungen, aber immerhin hinter den USA und Russland auf dem wehrolympischen Bronzeplätzchen! Für so eine kleine Krämer- und Händlernation doch schon recht beachtlich! Vielleicht können wir es in Zukunft ja noch besser! Unsere regierungsgesteuerten Exportgremien werden jedes Schlupfloch finden, um ein Mäntelchen der Philanthropie über unsere Waffenlieferungen zu decken.
Ich kann den Ärger nachvollziehen, den die Waffenhändler über diese Kritiker empfinden, die unsere friedenstiftenden Panzer, Jagdbomber und Unterseeboote, die wir zu Milliardenpreisen an unsere friedliebenden Natopartner, (vor allem an die verfeindeten Natoverbündeten Türkei und Griechenland oder nicht kriegführende Staaten (Israel) verkaufen, torpedieren und als Kriegsmaterial vermiesen und unserer friedensschaffenden Waffenindustrie die Butter vom Brot nehmen wollen. Dabei liefern die Deutschen erste Sahne!
Unser Außenminister betätigt sich ungeniert als Waffenlobbyist bei den Griechen, die ja pikanterweise die Euromilliarden, die sie von den Euroländern zugeschustert bekamen, in ihren korruptionsfreudigen Ministerien und Bürokratien versenkt haben, die EU hinters Licht geführt haben und nun kurz vor dem Staatsbankrott stehen. Er fordert sie unmissverständlich auf, ihre nicht mehr vorhandenen Milliarden in den Kauf von deutschen Kampfbombern zu stecken, weil das so abgemacht war. Krämerlogik! Hauptsache, wir kriegen unser Geld. Wie auch immer! Aber Frankreichs Sarkozy macht es ja mit seinen Fregatten ganz ähnlich und erwartet dafür von den Griechen auch einige Milliarden. Aber dalli!
Das zu den Waffenexporten an unsere Friedensstifter. Nun gelangen aber fatalerweise eine ganze Menge Kleinwaffen, Handfeuerwaffen vor allem, in Hände von kriegführenden Staaten: Sei’s drum: Mit einer Panzerfaust oder einem modernen Gewehr, mit Tretminen kann man ja nur kleine Mengen an Menschen töten. Aber es läppert sich! Die Technik ist hervorragend gut nur die Leute, die sie benutzen sind böse! Nicht wir, die Produzenten aus dem christlichen Abendland!
Deswegen betrifft uns auch das Wort: “Du sollst nicht töten“ in keiner Weise. Erstens töten wir ja nicht , wir lassen töten. Das ist ja schon mal was ganz anderes. Und dann muss man ja mal berücksichtigen wie viel Arbeitsplätze an einem erschossenen , zerbombten, von einer Panzerfaust zerfetzten Feind hängen!! (Werden Waffen eigentlich noch immer von der Kirche gesegnet?? In Hiroshima war’s ja noch der Fall)
Ja, und zweitens ist dieses Uraltwort aus der Bibel als fünftes Gebot des alten Testamentes nun wirklich nicht mehr up to date und außerdem auch dort nur in einem sehr eingegrenzten Sinne gültig. Denn Gott, der Herr lässt wenige Zeilen nach der menschenfreundlichen Verlautbarung der zehn Gebote sein Volk gegen die Feinde los, die das Pech hatten in der Gegend zu wohnen, die die Juden für sich beanspruchten. Und da ging es richtig zur Sache! Wollen Sie es nachlesen im „heiligen Buch“? Dann ergötzen Sie sich mal am Deuteronomium. Kurz nach der Verabreichung der zehn Gebote folgt der erste Genozid. Warum sollten da die Kirche in den folgenden Jahrtausenden zurückstehen, sie die legitimierte Vertreterin Gottes auf Erden? Und mit ihr das ganze christliche Abendland?

Wir warten, wir warten auf dievatikanische Stellungnahme zu den katholischen Missbrauchsdelikten in der Welt. Wir warten…
In der Zwischenzeit mag es schon einmal interessant sein, wie die Kirche in den letzten Jahrzehnten mit Schuldbekenntnissen umgegangen ist. Man kann daraus auf zukünftige Schuldbekenntnisse schließen:

Das vatikanische Jubeljahr hat Papst Johannes Paul II veranlasst, in einem Aufwasch die zweitausendjährige Schandherrschaft derKirch zu „bereuen“. Dazu hat er ein „mea culpa“ verfassen lassen, das, wie die Beichte in katholischen Kreisen, „sündenfrei“ machen sollte. Der heutige Papst, vormals Kardinal Ratzinger hat als Chef der Glaubenskongregation (früher hieß diese Institution „die heilige Inquisition“) unsäglich verniedlichende Termini für kirchliche Schandtaten gefunden. Er banalisiert, bagatellisiert und trivialisiert bei diesem „Reuegebet“, das mit großem Pomp von Johannes Paul in der Peterskirche zelebriert wurde, die Untaten der Kreuzzüge, der Inquisition, der Hexenverbrennungen, der millionenfachenErmordung von Indianern, der Versklavung von Millionen Afrikanern, der blutrünstigen Unterdrückung der Juden, und der orthodoxen Christen auf dem Balkan (1940!). Unter der Überschrift „Bekenntnis der Schuld im Dienste der Wahrheit“ (der kirchlichen „Wahrheit“?) formuliert er: „In manchen Zeiten der Geschichte haben die Christen bisweilen Methoden der Intoleranz zugelassen.“ Angesichts der menschenverachtenden mörderischen Untaten muss man sich das auf der Zunge zergehen lassen. Herr Ratzinger, heutiger Papst Benedikt XVI, haben Sie, ihre Kirche, kein Gespürfür Anstand, Ehrlichkeit, Scham und helfendes Mitleid gegenüber den „Mühseligen und Beladenen“? Sie vertrösten sie aufs Jenseits, dahin, wo sie die anderen schon hingemordet haben. Das von der Kirche heraufbeschworene und oftmals von ihr realisierte irdische Jammertal machten Sie und die Kirche zu einem Durchgangslager auf dem Weg zur ewigen „Seligkeit“. Den südamerikanischen Indios, die von katholischen Latifundien-, Bergwerks- und Fabrikbesitzern unterdrückt werden, verbieten Sie die Befreiungstheologie einer „Kirche von unten“, die ihnen einen Weg weisen könnte zu einem humanen, menschenwürdigen Leben! Sie und Ihre Kirche, deren oberster Repräsentant Sie sind, „Stellvertreter Gottes auf Erden“ (welch eine Hybris), Sie verhöhnen die Menschheit mit ihrer gnadenlosen „Menschlichkeit“.
Viele Katholiken werfen mir vor, dass ich mich mit blindem Hass über die Kirche hermache. Ist man „blind“ wenn man Augenscheinliches benennt? Ist es „Hass“, wenn man Dinge unbeschönigt nennt? Noch ist mir keiner mit Argumenten entgegengetreten, die mir Falsches nachweisen könnten. Aber es scheint sich einfach nicht zu gehören, gegen eine solch „geheiligte“ und mächtige Institution aufzustehen unddarzustellen, dass ihre Verbrechen in der Vergangenheit Verbrechen waren, und dass ihre Verbrechen in der Gegenwart Verbrechen sind. Ein Vorschlag: wagen Sie einmal die Ehrlichkeit vor sich selber, lesen Sie doch einmal aufmerksam die Bibel, nein, nicht das, was die Kirche Ihnen im Wort zum Tag oder Sonntags vorsäuselt, sondern auch das, was Gott im Alten Testament mit seinem auserwählten Volk an der Menschheit an Gräueltaten begeht, oder was auch Jesus, jenseits der Bergpredigt über Elternliebe,Geschwisterliebe etc erzählt. Wagen Sie einmal einen Blick in Karl Heinz Deschner, Horst Herrmann, Hubertus Mynarek, Michel Onfray, Alan Posener und, und, und. Ja und dann auch Benedikt XVI und seine verquasten Sprüche von der (kirchendogmatischen) Reinigung der Vernunft sowie seine Einstellung zur Kirchengeschichte. Wenn Ihre Intelligenz nicht völlig kirchendogmatisch umgepflügt ist, dann müssten Sie zu einem ähnlichen Schluss kommen, wie alle, die sich nicht (mehr) an der Nase herumführen lassen.
Mir ist klar, dass heilige Kühe, die sich über Jahrtausende an den fetten Kirchenauen und Pfründen, dem zusammengeschwindelten Besitz gemästet haben, nicht in wenigen Jahren geschlachtet werden können. Daran sind alle schuld, die sich traditionell denkfaul dem Status quo ergeben, ihre Kinder zur Taufe und frühkindlichen Indoktrination in kirchlichen Kindergärten frei geben. Ende des Exkurses.
Weiter oben habe ich gesagt, wir warten auf ein klärendes Wort aus dem Vatikan, der Kirche. Wir haben es bekommen: ganz im Sinne des oben angesprochenen Schuldbekenntnisses: Die Kirche predigt mit salbungsvollen Worten Umkehr und eine moralische Wende in der Welt (ob die Kirche damit auch gemeint ist, bleibt offen.) „Man solle Unzucht, Unsittlichkeit ausschweifendes Leben und ähnliches mehr“ wie „alte Gewänder.“ ablegen. Keinerlei Auseinandersetzung mit den kirchlichen Verfehlungen! Statt dessen ein Konter: Der Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano bezeichnet die weltweite Empörung als „Geschwätz des Augenblicks“. Bravo!! Es zeigt die Hochschätzung der Kirche für ihre Schäflein! Die Schafe lassen sich’s gefallen. sie sagen nicht mal mäh! Wenigsten in einigen nationalen Kirchen, wie in Irland, bitten katholische Bischöfe die Bevölkerung um Verzeihung. Ein Funken Hoffnung!

Über Gloker Notker 13 Artikel
Notker Gloker, Jahrg. 1937, Dr. phil. Er studierte Romanistik, Geschichte, Philosophie in Köln, Wien, Montpellier, Tübingen und Aix en Provence. Ab 1974 war Notker Gloker viele Jahre an westafrikanischen Hochschulen tätig, (Didaktik, Methodik, Lernpsychologie, Deutsch als Fremdsprache für Gymnasiallehrer), danach Aufbau und muttersprachliche Neuorientierung des Grundschulwesens in der fünften Region von Mali.

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