Der chinesische Widerspruch, antike Philosophie der Gelassenheit bis hin zum Fatalismus, – gegenüber staatlich unbegrenzter Machtgier

„ Alle Dinge sind die Plünderer des Menschen, und der Mensch ist auch der Plünderer aller Dinge.“

Bildquelle: Michael Gallmeister

Auch wenn die Chinesen uns in den letzten hundert Jahren nicht gerade als der Glücksbringer über den Weg kamen, sondern einige Krisen und Probleme mit verursacht haben, die totale Überwachung praktizieren und eine ungezügelte Wegwerfstrategie, durch billige qualitativ minderwertige Produkte die immer schneller erneuert werden müssen, propagieren, um ihre Wirtschaft und ihre übergrosse Bevölkerung am Leben zu erhalten, – so lohnt sich dennoch ein Blick in die philosophische Frühgeschichte dieses Landes.

 

Völlig unterschiedliche philosophische Traditionen

Wir im Westen, ob nun christlich katholisch, protestantisch oder orthodox, wurden durch jahrtausendelange Religion im freien Denken unterdrückt, da diese die religiöse, auf die weltliche Macht übertragen, anstrebte und besass, somit gewaltig Zensur betrieb in der Geistesgeschichte und nur die Bücher und Gedanken zuliess, die ihrer religiösen Machtstruktur entsprachen.

Mittlerweile befreien wir uns zwar etwas davon, aber die vorsokratischen geistesgeschichtlichen Fundamente wurden durch die christliche Religion vergiftet und verfremdet.

All das trifft leider auch heute! auf China zu, nicht wegen einer alten traditionellen Religion, welche es einheitlich und mit entsprechenden Machtinstrumenten nie dort gab, im Gegensatz zu uns in Europa, denn heute ist die geistige Freiheit in China beschränkt durch die Staatsstruktur, welche eine Mischung aus Kommunismus und Kapitalismus darstellt und in der Zensur und Gängelung des einzelnen Individuums keine Grenzen kennt.

Wo wir uns in Europa gerade ein wenig vom religiösen Wahn und Terror verabschieden konnten, kamen die nächsten grossen Probleme einer staatlich- somit leider auch medien- verordneten Moral (Corona) und (Ukrainekrieg) mit wieder beginnender Zensur.

Dies alles erzeugt erstmal Panik und Ängste, das eigene kurze Leben und das der Familienmitglieder und das der Freunde könnte in Gefahr geraten.

 

Versorgungsengpässe, Arbeitsplatzverlust, Überteuerung, Waffengewalt bis zu atomarer Bedrohung schaffen eine Atmosphäre der Orientierungslosigkeit, des Ausgeliefertsein.

 

All diese Ängste beziehen sich genau genommen NUR auf die Gefahr das der bisher gewohnte Lebenstandard, das bisher gewohnte Lebensumfeld sich drastisch verändern könnte.

Für Menschen die nur ihre kurze Lebensspanne im Blick haben und diese egozentrisch in ihrer Wichtigkeit überhöhen sind das bedenkliche Katastrophen, da sie ihre eigene Sterblichkeit dabei aus den Augen verlieren.

Die alte Geschichte mit der Religion zieht psychologisch, praktisch auch nicht mehr, d.h. wenn man ein guter Mensch sei, keine Sünden begehe, dann kommt man nach dem Tod in den Himmel, wird belohnt und ähnlicher Klamauk, all dies bleibt als Fassade noch zu Weihnachten , Ostern und in der Kinderstube mühsam erhalten, aber hohl, ohne eigenen wirklichen Anteil.

 

Vielleicht wird es deshalb wieder Zeit das Denken in die Weite der Zeit und des Universums zu richten, wie es die alten Griechen (Vorsokratiker), Anaximander, Heraklit, Parmenides um 500 vor Christus taten, und vor allem die Chinesen in der alten Zeit.

Wir kennen im besten Falle eigentlich nur Laotse und Konfuzius (Zeitgenossen der Vorsokratiker), hier möchte ich mal einen kleinen Überblick geben, was die Chinesen in früher Zeit unter Leben, Zeit und Individuum verstanden, damit wir wieder ein wenig Abstand von unseren pragmatisch übersteigerten Ängsten, Phobien und Psychosen gewinnen können.

 

Die folgenden Texte sind eine Sammlung welche demnächst in meiner sich weiter entwickelnden Enzyklopädie der Geschichte des Gedankens des unendlichen Formenwandels (https://www.amazon.de/unendliche-Geschichte-ewigen-Wiederkehr-asiatisch-orientalischen-ebook/dp/B07KXTM6DG) eingearbeitet werden.

 

Bei im frühen philosophischen Denkens entnommenen Textstellen des Schiking spielt der Begriff des Himmels in der chinesischen Philosophie eine wesentliche Bedeutung. Er ist verantwortlich für allen Wechsel und alle Veränderungen welche sich im Kosmos zutragen.

 

„Unendlich ist der hohe Himmel, doch seine Güte ist dem nicht gleich ,er sendet Hungersnot und sterben, Vernichtung in das ganze Reich. Der hohe Himmel, grimmig zürnend, beachtet schonet keinen mehr. Ich schweige des der sich verschuldet. Für seine Frevel büsset er, doch die auch die sich nicht verschuldet, sie stürzen alle ringsumher.“

Schiking II. 4,10

 

Zu den wesentlichen Grundkräften gehören das Yin und Yang.

Sie sind sozusagen der Inbegriff der Polarität und somit der Garant für den ewigen Formenwandel.

 

„In demselben Maße, wie das eine Element zunimmt, nimmt das andere ab. Nachdem ein Element seinen Höhepunkt erreicht hat, während das andere auf ein ganz geringes Maß zusammengeschrumpft ist, nimmt es wieder ab und das andere beginnt zu wachsen, bis es in gleicher Weise seine größte Ausdehnung erlangt. Dadurch herrscht in der Natur beständig Bewegung und Veränderung.“

Alfred Forke, Geschichte der alten chinesischen Philosophie, Seite 48

 

Die beiden Hauptströmungen der chinesischen Philosophie sind bekanntlicherweise die Konfuzianer und die Taoisten wobei es noch verschiedene Richtungen gibt welche sich aber immer im Prinzip auf eine der beiden Hauptströmungen zurückführen lassen. Die Bedeutung der Konfuzianer liegt hauptsächlich in der Ausbildung einer spezifisch chinesischen Ethik, einer Moral die im Wesentlichen auf die Bedeutung der Familie verweist. Die Ehre und Achtung der alten Familienmitglieder ist der Dreh- und Angelpunkt dieser moralischen Ethik. Die Taoisten wiederum beschäftigen sich ausgehend von kosmologischen Fragen viel mit der Metaphysik, sprich mit der Deutung des menschlichen Lebens im kosmischen Zusammenhang und überhaupt jeglicher Bewegung und Veränderung im Universum.

Einer der älteren Staatsphilosophen, Kuan-tse, sagt bezüglich der Ethik sehr einleuchtend:

 

„Sind Scheuern und Speicher gefüllt, dann kennen die Leute die Vorschriften der Sitte, und ist für ihre Kleidung und Nahrung genügend gesorgt, dann wissen sie, was Ehre und was Schande macht.“

Kuan-tse I, 1r

 

Die Moral ist somit nur ein Kulturprodukt der Gesättigten.

Schon vor Laotse hat man sich in China über kosmologische Gedanken den Kopf zerbrochen

Aus dem Yin fu tching (Vorgänger des Tao te king), frei übersetzt:

 

„Die produktiven und destruktiven Attribute des Himmels bilden ein leitendes Prinzip des TAO. Himmel und Erde sind die Plünderer aller Dinge; Alle Dinge sind die Plünderer des Menschen, und der Mensch ist auch der Plünderer aller Dinge. Wenn die drei Plünderer in gegenseitigem Einvernehmen sind, werden die drei Mächte in Frieden ruhen. Alle Menschen betrachten den Himmel, die Erde und alle Dinge als zur gegenseitigen Produktion oder Unterstützung geschaffen; aber der Weise betrachtet sie als im Hinblick auf die gegenseitige Zerstörung errichtet. In Bezug auf die produktiven Eigenschaften von Himmel und Erde: Was sie heute produzieren, zerstören sie später. Jetzt dem, was sie einmal zerstört haben, wieder Leben einzuhauchen, macht diese Zerstörung zwecklos und das Leben selbst so, als wäre es nie verliehen worden; aus diesem Grund sind Himmel und Erde die Plünderer aller Dinge. Der Mensch wird von Allen Dingen unterstützt oder genährt und erleidet dennoch eine tatsächliche Gefahr durch sie; Aus diesem Grund sind alle Dinge die Plünderer des Menschen. Der Mensch stellt alle Dinge her und stellt sie dann als Beitrag für seine Nahrung und Kleidung zur Verfügung; und somit ist er der Plünderer aller Dinge. Diese Plünderer sind aufgrund ihrer Unwissenheit so, dass das, was sie tun, Plünderung ist. Wenn jeder nur den lebensspendenden Prozess und nicht den Zerstörungsprozess sieht, werden die drei Plünderer jeder in seiner eigenen Sphäre sein [quoad die anderen beiden], und die drei Mächte werden befähigt, dauerhaft zu herrschen.

 

Gerade der Schaden, der Menschen und Dingen zugefügt wird, ist eine Quelle des Nutzens für sie. Gerade der Tod, der sie heimgesucht hat, führt zu ihrer Wiederbelebung. Diejenigen, die dieses Gesetz verstehen, sind in der Lage, sowohl sich selbst als auch andere zu regieren.

 

Individualität kann kein Faktor der Gleichheit sein; was einer an sich verliert, kann ein anderer nicht wiedergutmachen.

 

Das Leben ist die Wurzel des Todes; Der Tod ist die Wurzel des Lebens. Wohltätigkeit entsteht aus Verletzung und Verletzung aus Wohltätigkeit.

 

Aus diesen Textteilen ergibt sich eindeutig das polare Grundprinzip aller Existenzen.

Sie sind beschränkt in ihrer Zeit, nehmen zu durch Raub, und verschwinden nach einer kurzen Zeitspanne, indem ihre Verluste dem Aufbau neuer Existenzen dienen.

Auch Tschuangtse hat diesen alten Text im Hinterkopf wenn er folgendes sagt:

 

Jede Ursache hat ihre Wirkung

Wenn Heilige geboren werden so erheben sich die grossen Räuber.

Macht man Scheffel und Eimer, das die Leute damit messen, so macht man gleichzeitig mit diesen Scheffeln und Eimern die Leute zu Dieben.

Macht man Siegel und Stempel, das die Leute Urkunden bekommen, so macht man gleichzeitig mit Siegeln und Stempeln sie zu Dieben.

Wenn einer eine Spange stielt, so wird er hingerichtet. Wenn einer ein Reich stiehlt so wird er Landesfürst.

Darum verbrennt die Stempel und zerstört die Siegel, und die Leute werden einfältig und ehrlich!

 Vernichtet die Scheffel und zerbrecht die Waagen, und die Leute hören auf zu streiten.

Wenn erst einmal die ganze Kultur auf Erden ausgerottet ist, dann erst kann man mit den Leuten vernünftig reden.“

aus: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland

 

Auch hier taucht wieder der Aspekt des Räubers/Plünderers auf, übertragend gemeint, – umso moralisch „besser“ die Menschen werden, umsomehr sie durch Regeln ihr Zusammenleben kanalisieren und einschränken, umso mehr wird auch die Gegenseite, die Banditen, Räuber sich entwickeln, indem sie immer wieder neue Lücken in der angeblich perfekt geregelten menschlichen Gesellschaft finden und ausnutzen. Deshalb hier der etwas Rousseausche Ansatz „Zurück zur Natur“.

 

Eine interessante Person ist Yang Tschu (gelebt um 300 v.C.) eigentlich einer der Ersten der aufgrund seiner etwas pessimistischen Haltung in Bezug auf den Kosmos ebenfalls den ewigen Wandel und die Wiederholungen annimmt und als frühester Vorbereiter anarchistischer Gedanken[1] zu gelten hat.

 

„Durch Strafen und Belohnungen werden die Menschen gehemmt und angefeuert, durch Ruhm und Gesetze angetrieben und zurückgehalten, so das sie in beständiger Erregung sind. Indem sie sich um den eitlen Ruhm einer Stunde abmühen und für den Glanz, der ihren Tod überdauern soll, Sorge tragen, gehen sie einsam ihres Weges. Dabei aber verlieren sie die glücklichsten Augenblicke der Gegenwart und vermögen sich nicht einmal eine Stunde frei ihren Gefühlen hinzugeben. Wie unterscheiden sie sich von kettenbeladenen Sträflingen?“

Lieh -tse VII,1v

„Auf die Frage seines Schülers Meng Sun Yang, ob die Menschen durch Pflege ihres Körpers Unsterblichkeit oder wenigstens eine Verlängerung ihres Lebens erlangen könnten, antwortet der Philosoph, dass man nach den Naturgesetzen den Tod nicht entgehen und das Leben auch nicht verlängern könne. Eine Verlängerung sei nicht einmal wünschenswert, denn, da sich alles im Leben wiederhole, so würde man schon nach 100 Jahren mehr als genug davon haben und nicht noch nach mehr verlangen.“

Forke, alte chinesische Philosophie S. 363

„Nachdem du einmal ins Leben gelangt bist, achte es gering und ertrage es, prüfe seine Wünsche und erwarte so den Tod, und, sobald der Tod kommt, achte ihn gering und ertrage ihn, prüfe wohin er dich führt, und überlasse dich der Vernichtung. Wenn du Leben und Tod gering achtest und sie erträgst, brauchst du dich nicht wegen des früheren oder späteren Eintritts des Endes zu sorgen.“

Lieh -tse VII,7r

 

Hier ist der kleine Hinweis nicht zu übersehen:

Prüfe, wohin der Tod dich führt, eine vorsichtige Anspielung auf den ewigen Wandel, das heisst der Tod bedeutet Vernichtung deiner kurzen individuellen Zeitspanne, führt dann aber eventuell weiter zu neuen Existenzen, Formen.

Es ist ein gewisser Nihilismus der das Denken von Yang Tschu durchzieht, ohne in Verzweiflung zu münden aktzeptiert er den Formenwandel und kann somit auch das eigene kurze Leben im Gesamtwandel gelassen betrachten.

 

„Recht und Moral sind etwas Äusserliches, womit sich ein Staat höchstens eine Zeitlang regieren lässt, aber sie stehen im Gegensatz zu den inneren Gesetzen der Persönlichkeit, die darunter leidet, daher fort mit diesen äusseren Eingriffen in die Menschennatur.“

Lieh -tse VII,5

Vier Chimären sind es denen die Menschen nachjagen und sie nicht zum ruhigen Lebensgenuss kommen lassen: das Verlangen nach langem Leben, nach Ruhm, Ehre und Reichtum.“

Lieh -tse VII,10r

 

„Der Mensch ist nur ein Teil des Universums. Nichts in der Welt gehört ihm, nicht einmal sein eigener Körper. Was er sich unrechtmäßiger Weise aneignet, besitzt er nur kurze Zeit, denn bei seinem Tode fällt alles wieder an das All zurück.“

Lieh -tse VII,9v

 

Später (um 300 n. C.) greift Ko Hung nochmal diese Thema der Absichtslosigkeit des Weltgeschehens in einem anschaulichen Beispiel auf:

 

„Wenngleich Himmel und Erde alle Dinge in sich schließen, so sind diese doch nicht von Himmel und Erde hervorgebracht, ebenso wie Bäume und Pflanzen auf Bergen und in Wäldern wachsen und blühen, ohne dass Berge und Wälder dies herbeiführen. Fische und Schildkröten entwickeln sich im Wasser und in Teichen, aber Wasser und Teiche entfalten keine darauf gerichtete Tätigkeit. Wenn gewöhnliche Menschen die Größe von Himmel und Erde sehen und daneben die Kleinheit aller Wesen, so sagen sie, dass Himmel und Erde Vater und Mutter aller Wesen seien, und betrachten diese als ihre Kinder und Nachkommen. Es kann eine Laus auf mir leben, aber habe ich sie hervorgebracht? Ohne mich würde sie nicht leben, trotzdem bin ich nicht ihr Vater oder ihre Mutter, und die Laus ist nicht mein Sohn oder Enkel.“

Nei p ein II,1b

Wang Tschu, gelebt ungefähr zur Zeit Christus:

„Fortschritt und Gedeihen, sagt er, werde nicht durch Tüchtigkeit bewirkt, und ebensowenig lassen sich Rückschritt und Verfall als Misserfolg der Tüchtigkeit erklären. Fortschritt und Gedeihen, Rückschritt und Verfall hängen nur ab vom Himmel und von der Zeit.“
Lun heng,XVII,10a

 

Das ist in der Konsequenz aus dem vorher zitierten logisch, und einer der schärfsten Angriffe gegen die hegelianische Hybris einer zivilisatorischen Entwicklung hin zu einem „Weltgeist“ auf welcher Theorie beginnend vom Absolutismus bis heute alle Staatswesen gründen, ein fataler Irrtum, welcher die Menschen verwirrt und die Umgebung zerstört. Aber eben auch diese Situation ist nur eine von unzähligen im unendlichen Formenwandel, es gibt keinen Richter der zu entscheiden hätte ob etwas einen richtigen oder falschen Verlauf gehabt hat.

Liu Tschou um 550 n.C. gelebt, fasst die Frage der Polarität und des ewigen Wandels nochmal sehr schön zusammen:

 

„Wenn Yang seinen Höhepunkt erreicht hat, kommt Ying herab, und wenn Ying seine höchste Vollendung erlangt hat, steigt Yang empor. Sobald die Sonne im Zenit angekommen ist, sinkt sie herab, und auf jeden Vollmond folgt der abnehmende Mond. Das ist der ewige Weg des Himmels. Nachdem die Kräfte konzentriert sind, nehmen sie wieder ab, und nachdem die Erzeugnisse gesammelt sind, werden sie wieder zerstreut. Auf die Blütezeit folgt der Verfall, und die höchste Freude verwandelt sich wieder in Trauer. Das ist das ewige Gesetz der Menschheit.“

Liu tse II,10a

 

Den Menschen als Produkt, Resultat der Verwesung schildert Han Yü um 800 n.C., allerdings auch reziprok, den Menschen als Vernichter, ja auch als Umweltverderber:

 

„Wenn Früchte, Getränke und Speisen verderben, so entstehen Würmer darin. Wenn das Blutfluidum des Menschen sich zersetzt und verstopft, so führt das zu Geschwüren, Geschwülsten und Hämorrhoiden, und es entstehen ebenfalls Würmer darin. Aus faulendem Holz kommen Holzwürmer hervor, und von verrotteten Pflanzen fliegen Leuchtfliegen auf. Verdanken sie ihre Entstehung nicht dem Zerfall? Wenn irgendetwas verdirbt, so entstehen Würmer daraus. Wenn das Urfluidum und Yin und Yang verderben, so wird der Mensch daraus geboren.

 

Sobald die Würmer hervor gekommen sind, zerfällt der Gegenstand nur umso schneller. Dadurch dass sie ihn zerfressen und durchlöchern, verderben sie ihn vollends. Wenn das Verderben soweit fortgeschritten ist, macht sich der um den Gegenstand verdient, der imstande ist die Würmer zu vertreiben. Wer ihre Zahl noch vermehrt, ist ein Feind des Gegenstands.

Der Mensch bringt dem Urfluidum und Yin und Yang ebenfalls im höchsten Grade Verderben, denn er zegräbt den Acker in der Ebene und fällt die Bäume auf den Bergen, er bohrt Quellen, um aus Brunnen zu trinken, und macht Gräber, um die Toten zu bestatten. Außerdem durchbohrt er den Erdboden, baut Deich an Wasserläufen, errichtet Mauern, Stadtwälle, Pavillons, Kioske, Aussichtstürme, leitet Flüsse, Gräben, Kanäle und künstliche Teiche ab, zündet Holz an und verbrennt es, schmilzt und gießt Metalle, brennt Ziegel und schleift Steine. Er quält sich ab und lässt die Dinge der Welt nicht leben, wie es ihnen gefällt. Ohne Recht dringt er gewaltsam vor,  zerstört und vernichtet ohne Aufhören. Ist das Verderben, welches er aus dem Urfluidum, Yin und Yang bereitet, nicht schlimmer als das, welches die Würmer anrichten?“

Liu hsien scheng tchi B XVI 1 fg. Und Liu Meng te wen tchi B XII,15

[1] Als noch deutlicher sich äussernder Nachfolger kann man Pao Tching – yen (lebte um 290 n. C.) betrachten der den auch in China geläufigen absolutistischen Tendenzen eine klare Absage erteilt:

„Die Konfuzianer behaupten, der Himmel habe das Volk geschaffen und Fürsten dafür eingesetzt. Wie wäre wohl der erlauchte Himmel speziell dafür eingetreten und hätte seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht? Da die Starken die Schwachen vergewaltigen, so unterwarfen sich diese ihnen, und da die Klugen die Einfältigen betörten, so dienten sie ihnen. Aus dieser Unterwerfung entstand das Verhältnis von Fürst und Beamten, und infolge der Dienstverhältnisse wurde das schwache Volk beherrscht. Dass die Abhängigen Frondienste leisten mussten kam vom Streit zwischen Starken und Schwachen und von dem Gegensatz zwischen Klugen und Einfältigen. Der Himmel kam dabei gar nicht infrage.“ Wai p ein IV,22b

„Die Kostbarkeiten, welche die Fürsten sich zu verschaffen suchen, sind schwer zu erlangen. Sie sammeln seltene Dinge, lassen sich prunkvolle aber nutzlose Gegenstände anfertigen und quälen sich mit nie endenden Wünschen.“

ebenda 27a

„Kann es der Wille des Himmels sein, dass die Fürsten 3000 Paläste und Frauen haben? Weil sie Lebensmittel und Stoffe anhäufen muss das Volk hungern und frieren.“         ebenda 27b

„Kann es der Wille des Himmels sein, dass die Fürsten 3000 Paläste und Frauen haben? Weil sie Lebensmittel und Stoffe anhäufen muss das Volk hungern und frieren.“         ebenda 27b