Eine erstklassige Botschaft braucht erstklassige Botschafter

Über das schwierige Verhältnis von Kirche und elektronischen Medien diskutierte ein Kolloquium des Instituts für Gesellschaftswissenschaften Walberberg

Ist das Verhältnis zwischen Medien und Kirche zerrüttet? Der mediale Umgang mit den Missbrauchsfällen in katholischen Einrichtungen legt eine Bejahung dieser Frage ebenso nahe wie beispielsweise die Berichterstattung über die Piusbruderschaft und den umstrittenen Bischof Richard Williamson. Während sich im ersteren Fall dann Medienvertreter gern als Vollstrecker und Propagandisten der Aufklärung definieren, stehen viele im zweiten Fall hilflos der Schwierigkeit gegenüber, sich in katholische – respektive kirchliche – Milieus einzufinden. Das Verhältnis von Kirche und Medien wird so schnell zur Konkurrenzsituation und in der Konsequenz zum Unverhältnis. Doch nicht nur diejenigen Medienvertreter, die sich nur allzu gern in der Rolle einer „Moralvermittlungsagentur“ gerieren, so der Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels, sondern auch viele Amtsträger der Kirche selbst tragen dazu bei, dass die Korrelation zwischen Kirche und Medien wechselseitig gestört wird.
Das kann zu weit reichenden Auswirkungen führen. Vor allem dann, wenn das – möglicherweise positive – wirklichkeitsnahe Eigenurteil medienbedingt in ein – möglicherweise negatives – wirklichkeitsfernes Urteil umschlägt und somit unweigerlich die Frage nach der Wirklichkeit als Ergebnis sozialer Kommunikationsprozesse einerseits sowie die nach denjenigen, die die Meinungsbildung beeinflussen, andererseits aufwirft. In dieser Gemengelage, die von Professor Wolfgang Bergsdorf bei einem Kolloquium des Instituts für Gesellschaftswissenschaften Walberberg in Bonn treffend diagnostiziert wurden, stünden letztlich Paradoxien der Mediengesellschaft, denen auch und gerade im Diskurs über das Verhältnis von Kirche und Medien zentrale Bedeutung zukommen müsse. Bergsdorf, Präsident der Görres Gesellschaft und Mitherausgeber der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“, zählte dazu etwa den Befund, dass es niemals zuvor eine solche Fülle an Informationsmöglichkeiten gegeben habe, es aber andererseits immer schwieriger werde, sich zurechtzufinden. Außerdem käme es im Zuge der wachsenden medialen Internationalisierung auf der anderen Seite zu einer stärkeren Ausprägung des regionalen und lokalen Bewusstseins. Schließlich würden immer mehr Entscheidungen durch Medien bedingt, obwohl viele von ihnen sich einer Simplifizierung von Themen bedienten. „Werden Einschaltquoten und Auflagenhöhen die neuen moralischen Werte der heraufkommenden Mediengesellschaft?“, fragte Bergsdorf und antwortete: „Die Aufklärung von heute heißt Befreiung aus der medienpolitischen Bevormundung.“ Und die wird allein schon beim Blick auf den Medienkonsum manifest. In den vergangenen Jahren ist die durchschnittliche Mediennutzung von 204 auf 600 Minuten täglich angewachsen – wir sind in der Mediengesellschaft angekommen.
Was das für die Kirche bedeutet, wurde schnell deutlich bei diesem erstmals durchgeführten neuen Veranstaltungsformat des renommierten Instituts: Die Unübersichtlichkeit im Mediendschungel bietet die Chance, Orientierung zu geben und klare Botschaften zu vermitteln. Die Medientauglichkeit zeige sich darin, dass nicht nur die Botschaft, sondern auch die Botschafter und medialen Multiplikatoren erstklassig sein müssten, so Bergsdorf. Dafür seinen neue Anstrengungen nötig, etwa mehr Präsenz durch kirchliche Vertreter oder auch klare Standpunkte wie es etwa durch das geplante Papier der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Sommer zum Thema Internet zu erwarten sei.
Der Austausch über Bergsdorfs Ausführungen zeigte zwar, dass die Kirche viel gewinnen, aber eben auch viel verlieren könne. Sind wirklich alle kirchlichen Medienmarken so hochwertig, bekannt und nachgefragt, wie es der Publizist darstellte? Natürlich, die Kirche beginnt nicht bei null mit ihren Kommunikationsinstrumenten – vom Pfarrbrief bis zum Internet ist alles abgedeckt. Doch in vielen Bereichen, etwa bei der Umsetzung crossmedialer Strategien oder der Stärkung elektronischer Medien wie etwa auch der Internetfähigkeit „wissen viele, auch in Rom, bis heute nicht, was das eigentlich ist“, wie Institutsleiter Wolfgang Ockenfels kritisch anmerkte.
Eine illustre Runde und eine ebenso erlesene Zuhörerschaft hatte der bekannte Trierer Sozialethiker für die Premiere des neuen Veranstaltungsformats zusammengestellt. Künftig soll es das Kolloquium über eine grundsätzliche Frage möglicherweise immer am 1. Mai geben. Dass die Auftaktveranstaltung mit dem Thema „Die Kirche und elektronische Medien“ durch die gegenwärtigen Entwicklungen und Debatten indes eine derartig aktuelle Brisanz bekommen würde, war bei der Planung der Veranstaltung mit vielen wohlwollenden, aber eben auch kritischen Beiträgen freilich nicht absehbar.
Noch kritischer wurden die Befunde beim Blick auf das elektronische Medium schlechthin, dem Fernsehen, in dem die Strecken der Verblödung beachtlich zugenommen haben, wie der bekannte Kulturjournalist Alexander Kissler mit berechtigtem Zynismus anmerkte. Denn Coaching, Casting und Doku-Soaps sind die Ingredienzien der Programmgestaltung bei den privaten Fernsehsendern. RTL ist mit einem Anteil von 14 Prozent mittlerweile Marktführer, und die RTL-Senderfamilie kommt insgesamt sogar auf einen Anteil von 40 Prozent. „Wenn Deutschland glotzt, dann privat“, spitzte Kissler zu. Da fällt es dann auch nicht mehr weiter ins Gewicht, dass viele Themen- und Problemstellungen eigens für die Programmschemen geschaffen, inszeniert, gefakt und geskriptet wurden und werden. „Das Leben ist hart, diese Show ist härter“, sagt der für seine verbalen Besudelungen und seine Niveaulosigkeit berüchtigte Moderator Dieter Bohlen so treffend über diesen zweifelhaften Wertekanon in diesem „endlosen Verwertungsmechanismus“, so Kissler. Das Postulat von Papst Benedikt XVI., dass die Medien nicht zum Sprachrohr eines ethischen Relativismus sowie ökonomischen Materialismus werden dürften, erweist sich als frommer Wunsch. „Sie sind es längst“, stellt Kissler nüchtern fest. Das Privatfernsehen sei ohnehin nur deshalb gegründet worden, um damit Geld zu verdienen.
Gefährlich flankiert wird dieser Befund des Journalisten auch noch durch seinen Hinweis auf die „Abwrackung der Nachrichtenkompetenz“ bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Das bei den Privaten auf Verwertung angelegte Menschenbild gewinne durch Infantilisierung und Boulevardisierung auch bei den Öffentlich-Rechtlichen an Kontur. Der Kirche und ihren Vertreter empfiehlt Alexander Kissler ein wesentlich selbstbewussteres Auftreten, eine genaues Absprechen der Spielregeln sowie die Fähigkeit, auch einmal Nein zu sagen oder jemand anderen experten als einen Bischof zu schicken.
Einen offensiveren Umgang empfiehlt Kissler auch beim Thema Internet. Gerade in den aktuellen Debatten käme diesem „gigantischem Fußnotenspeicher“ eine besondere Rolle zu. So ließen sich beispielsweise angeblich missverständliche Äußerungen oder Predigten eines kirchlichen Amtsträgers in ihren jeweiligen Zusammenhängen nachlesen und ergeben möglicherweise dann einen ganz anderen Sinnzusammenhang als den in den Medien verbreiteten, mitunter bewusst verkürzt dargestellten Kontext.
Eine schlüssige Antwort auf die Frage, wie Kirche und ihre Vertreter sich TV-medial verhalten, wird und kann es nicht geben. Kirche wird auch unabhängig von ihrer bewussten und oder aktiven Einflussnahme auf Berichterstattung ein Gegenstand von Berichterstattung sein. Was unweigerlich zu der Frage führt, in wie weit die Positionierung eines eigenen kirchlichen Senders erwogen werden sollte. Oder sollten einfach bestehende Angebote genutzt und ausgebaut werden? Mit Bibel-TV sowie Eternal World Television Network (EWTN) agieren ja bereits zwei bemerkenswerte kirchliche Sender auf dem deutschen Markt.
EWTN wurde 1981 von der US-amerikanischen Franziskanerin Mutter Angelica in der Garage ihres Klosters gegründet und ist heute weltweit der größte religiöse Fernsehsender. Er erreicht mit seinen deutschen, englischen, spanischen und französischen Programmen mehr als 150 Millionen Haushalte in 140 Ländern. Als „Ort, um sich glücklich glotzen zu können“, beschreibt EWTN-Deutschland Geschäftsführer Martin Rothweiler das Sendeangebot des professionell gemachten katholischen Fernsehsenders, der darüber hinaus sehr bewusst auf die Verzahnung von Fernsehen und Internet setzt. Nicht nur aufgrund der Rückmeldungen durch Zuschauer ist der Geschäftsführer vom Bedarf und auch der Verpflichtung eines katholischen Senders überzeugt: „Wir sind aufgerufen, alle Wege zu nutzen, um die christliche Botschaft und den Glauben weiterzugeben.“
Dazu zähle eben medial die Etablierung eigener Kanäle, aber auch als zweiter von kirchlicher Seite zu beeinflussende Klimafaktor die Frage nach dem Inhalt. Rothweilers pragmatischer Vorschlag: Bei Verhandlungen über Beiträge und Produktionen mit den großen Sendern auch Zweitverwertungsrechte für die kleineren christlichen Sender auszuhandeln oder auch umgekehrt den Austausch von Content zu befördern. Ähnliches gelte auch für die Platzierung von Bewegtbild-Inhalten im Internet. Auf amtskirchliche Hilfe allein setzt Rothweiler dabei nicht, vielmehr schlägt er so etwas wie eine Public Private Partnership zwischen amtskirchlichen sowie laien- und privatinitiativen Einrichtungen vor. Es gehe dabei nicht um organisatorische Verschmelzungen, sondern etwa um den Austausch bereits produzierter Angebote im Sinne eines stärkeren Aufeinanderzugehens. Zudem müssten aus seiner Sicht viele Einrichtungen der katholischen Medienarbeit stärker gebündelt und miteinander verzahnt werden. „Da läuft vieles einfach nebeneinander her.“ Sein Sender informiere alle Bischöfe der DBK über das jeweilige Programm. Trotz viel Zustimmung und Wohlwollen gebe es aber kein Kooperationsangebot von kirchlicher Seite.
Ähnliche Erfahrungen und Ansätze beschrieb auch der Chefredakteur von Bibel-TV. Henning Röhl, dessen Sender zwar einen protestantischen Schwerpunkt hat, sieht allein die Heilige Schrift als Richtschnur für den Inhalt seines Programms. Weil uns das Evangelium gemeinsam sei, gehe es eben um Zusammenarbeit. „In diesem Sinne ist Fernsehen auch eine missionarische Institution.“ Dass das ankomme und mit steigender Tendenz nachgefragt werde, lasse sich auch daran ablesen, dass die Zuschauerredaktion inzwischen die größte Redaktion des christlichen Senders mit Sitz in Hamburg sei.
Pater Ockenfels merkte zum Abschluss des Kolloquiums an, dass eine allzu enge Kooperation der kirchlichen Medienarbeit unweigerlich zu einer Beschneidung der kirchlichen Programme führen dürfte. Für das beschriebene PPP-Modell zeigte er jedoch große Sympathie. Denn den Betrieb eines kirchlichen Senders in Verantwortung der DBK sieht er äußerst skeptisch: „Sobald die DBK da ihre Hände im Spiel hat, ist es um Spontaneität und Glaubensfreude geschehen.“ Das scheitere schon allein an der Sprachbarriere und dem teilweise „akademischen Code“, mit dem gesprochen werde. Als Beispiel verwies der für seine offenen Worte bekannte Dominikaner auch auf die seiner Meinung nach „geschmirgelten und endlos lange abgestimmten Pressemitteilungen“ der DBK. „Warum werden beispielsweise bestimmte kirchliche Fachbegriffe in einer Pressemitteilung so erklärungslos verwendet, als wüsste jeder sofort was gemeint ist?“ Gerade in der vielgestaltigen Mediengesellschaft komme es im Sinne der Orientierung neben der klaren Botschaft und den überzeugenden Botschaftern eben auch darauf an, durch einfache Erklärungen den Zugang zur Botschaft zu orientieren. Das gilt wohl unabhängig für jedes einzelne Kommunikationsmedium.

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