Das Interview des Bundeskanzlers bei „Caren Miosga“ (https://www.ardmediathek.de/…/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL…) erwies sich als unerwartet aufschlussreich, weil es einen der seltenen Einblicke in die politische Persönlichkeit von Olaf Scholz gewährte, über den es bemerkenswerterweise selbst nach drei Jahren kein wirklich tiefer gehendes geschriebenes politisch persönliches Porträt gibt.
Es ist ein dem Bundeskanzler von der deutschen Verfassung gewährtes besonderes Privileg, als einziger den Anstoss für die Auflösung des Bundestages geben zu dürfen. Daher entscheidet er über den Termin natürlich nach seinen Interessen und denen seiner Partei. So war es auch bei Helmut Kohl, als er sich seinen Sturz von Helmut Schmidt durch die Wähler legitimieren liess. Gerhard Schröder scheiterte dabei knapp, sich so eine festere Mehrheit zu verschaffen. In Grossbritannien ist es selbstverständlich, dass der Premier den Wahltermin auf einen für ihn günstigen Termin legt. Daher war zumindest die moralische Erregung der letzten Tage einfach nur aufgeblasen.
Denn Scholz hatte versucht, seine Bereitschaft, die Neuwahlen vorzuziehen, mit der Verabschiedung für ihn und seinen Wahlkampf wichtiger Gesetze wie die Rentenreform und eine Steuerentlastung zu verbinden und den Wahltag dafür auf den März zu schieben. In völliger Verkennung der deutschen Stimmungslage hatte er versucht, sein Vorhaben der Union aufzuzwingen. Das ist nicht unmoralisch, wenn die Bedingungen dafür gegeben sind.
Doch Scholzens Drohung, noch bis zum regulären Wahltermin zu regieren, beeindruckte CDU Chef Friedrich Merz nicht. Ganz offensichtlich hatten Scholz und die Seinen diese Idee und die zu erwartenden Reaktion der Opposition nicht bis zu Ende gedacht und ernteten nun eine mehrtägige Debatte über den Wahltermin, die der SPD Stimmen kostete und seinen Einstieg in den Wahlkampf belastet. So zerstörte Scholz selbst die Chancen, die vorgezogenen Neuwahlen der SPD geboten hätten.
Bei Caren Miosga blieb ihm nur noch die Möglichkeit, seine Forderungen bedingungslos einzuziehen. Er tat einfach so, als hätte es durch ihn gar keine Verknüpfung von Termin und Forderungen gegeben. Als hätten ihn Politiker, Medien und vor allem Bürger falsch verstanden. Das ist unglaubwürdig und skurril. Dieser Politiker hat bis heute nicht begriffen, dass es eine Stärke ist, auch eigene Fehler einzugestehen zu können, so lange es nicht so inflationär wie bei Robert Habeck geschieht.
Sein grosses Privileg, Neuwahlen anstossen zu können, übergab er dem SPD-Fraktionschef Ralf Mützenich. Scholz werde sich nach dem richten, was dieser mit Merz aushandle. Eine Kapitulation. Denn Mützenich und Merz vertrauen einander bei allem harten Streit, eine demokratische Stärke. Es gibt keinen Politiker, schon gar nicht von konkurrierenden Parteien, die über ein vertrauensvolles Verhältnis mit Olaf Scholz sprechen. Die einzige Ausnahme – und das ist schon bemerkenswert genug – bildete Christian Lindner, bis vor einigen Tagen.
Noch könnte die SPD ihren Spitzenkandidaten für die Neuwahl austauschen. Sie wird es nicht tun.