Freude am und im christlichen Glauben – Neue Jahresausstellung von „Kolumba – Kunstmuseum des Erzbistums Köln

Rot. Rote Ölfarbe. Auf 2,30 mal 2,60 Metern. Gleichbleibend im Rhythmus der Pinselstriche. Im Januar 1989 schuf der 1954 geborene Künstler Paul Tollens das „Gemälde40/1989“, dessen intensiver Farbaufstrich es ist, der bei den Besuchern die unterschiedlichsten Analogien auszulösen vermag. In Korrespondenz mit der gegenübergestellten Lindenholzskulptur des Heiligen Michael aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts liegt die Verbindung zum Blut des getöteten Drachens nahe. Doch zwischen beiden Objekten ist als weiteres Gemälde von Tollens das Bild „Rot Rot/Schwarz“ angebracht, das der Künstler knapp 20 Jahre später schuf und das die Farbe Rot in deutlich veränderter Handhabung inszeniert. Die Betrachter werden geradezu herausgefordert, sich über dieses Spektrum ihre individuellen Gedanken zu machen und Schlüsse zu ziehen. Ob sie dabei die Intention des zeitgenössischen Künstlers oder gar die des spätmittelalterlichen Meisters treffen, spielt dabei – wenn überhaupt in dieser Ausstellung – nur eine untergeordnete Rolle. Denn so emotional war wohl noch keine der vorangegangenen Ausstellungen in „Kolumba“, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln. „Wir wollen ein Haus sein, in dem mit den Inhalten des Glaubens visuell ästhetisch umgegangen wird“, sagt Museumsdirektor Stefan Kraus. Schon beim Eintritt in die aus dem eigenen Bestand neu konzipierte Ausstellung wird das sichtbar: Die wunderbare Muttergottes mit Kind – die Jeremias Geisselbrunn um 1650 aus Alabaster geschaffen hat -, die vertraute Besucher des Museums seit Jahren am Ende des Treppenaufgangs in den zweiten Stock verortet wissen, grüßt nun im Foyer. Oder ist die innerhalb des Hauses verrückte Skulptur eine augenzwinkernde Ermahnung, doch bitteschön zu bedenken, dass es sich hier um ein Haus der Kirche mit christlicher Kunst aus zwei Jahrtausenden handelt?
Augenzwinkern, ja Heiterkeit, und vor allem Freude ist es, die die Schau immer wieder auslöst. So beispielsweise bei der Betrachtung der Andachtsbildchen aus der Barockzeit, die dann im 19. Jahrhundert weiterentwickelt wurden. Sie erzählen vom Einzug des Christuskindes in das menschliche Herz – der göttliche Gärtner im Garten der menschlichen Seele. Einige Vitrinen weiter zeigen die „Leipziger Buchkinder“ – das Museum sammelt diese Werke von Kindern zwischen vier und 18 Jahren – Geschichten vom Waldorkester, vom deprimierenden Leben einer Karotte, den fiesen i-Pods oder etwa von der Schneeflocke. Doch nicht nur in solch aktuellen Kinderwerken sowie in den von tieffrommer Herzensangelegenheit geprägten Andachtsbildern brechen sich Freude und Hoffnung, Glück, Liebe und Glaube ihre Bahn. Ein Stockwerk höher befindet sich die Madonna mit der Traube (Ende 15. Jahrhundert) eingerahmt in die von lebensfroher Farbe strotzende „Vogelwelt“ des Künstlers Hartmut Neumann (geboren 1954).
Das Dialogische, Überraschende, Entgegengesetzte, mitunter auch Verstörende gehört zum Konzept, mit dem sich Kraus und sein Team um eine nachhaltige Museumsarbeit bemühen. Weil es dieses Mal vor allem um Emotion, respektive um die wahrhaft mitunter zu Herzen gehende subjektive Erfahrung beim Durchwandern des wunderbaren Hauses und seiner Objekte geht. „Mit Jesus Christus kommt immer – und immer wieder – die Freude“, schreibt Papst Franziskus zu Beginn seines Apostolischen Schreibens „Evangelii Gaudium“. Da schließt sich der Kreis eines halben Jahrhunderts: „Gaudium et Spes“ (Freude und Hoffnung) war das Abschlussdokuments des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 1965 überschrieben. „Kolumba“ nimmt dies bewusst auf und ist Auftakt eines bundesweiten Ausstellungsprojekts der Deutschen Bischofskonferenz.
Mit zeitgemäßen Bildern aus den letzten Jahrhunderten soll die Ausstellung auch Gegenbilder des Schmerzes zeigen, denn, so Kraus: „Wir reagieren damit auf eine weitgehend einseitige Aktualisierung christlicher Inhalte mit den Themen der Passion, wie sie in der Kunst seit der Klassischen Moderne bis heute stattfindet.“ Im Kurzführer, den die Besucher als Eintrittskarte erhalten und sich damit auf den Rundgang begeben, liest sich das so: „Die Ausstellung möchte der im christlichen Glauben verankerten Freude an der Gegenwart und der Hoffnung auf die Zukunft einen alle Sinne ansprechenden Ausdruck verleihen“. Daher auch der Titel „playing by heart“? Auch hier besteht viel Freiheit zur Interpretation, denn die etwas apodiktisch vorgegebene Übersetzung „auswendig spielen“ ist nur eine von mehreren Übersetzungsvarianten.
Doch ist es gerade diese Offenheit, die konstitutiv zum Rundgang gehört, bei dem das spielerische, lebendige, schöpferische Element der Kunst beispielsweise in der Licht- und Luftmaschine von Manos Tsangaris (geboren 1956) oder den PVC-Schläuchen mit 48 Lautsprechern in der „Serpentinata“ von Bernhard Leitner (geboren 1938) sicht-, hör- und fühlbar werden. Gleiches gilt beim Betrachten des mittelalterlichen Kruzifixes aus Elfenbein, das an seinem festen Platz im größten Ausstellungssaal wie ein Glaubens- und Hoffnungszeichen gleichermaßen zu schweben scheint.
Wer dann in den Raum mit Stefan Lochners berühmter „Madonna mit dem Veilchen“ tritt (1450), wird feststellen, dass die Vitrinen links und rechts des Fensters mit dem wunderbaren Blick auf den Kölner Dom nochmals der im christlichen Glauben verankerten Freude an der Gegenwart und Hoffnung auf die Zukunft in besonderer Weise Ausdruck verleihen: mit den verschwenderisch gestalteten liturgischen Geräten aus dem 12. Jahrhundert einerseits und mit einer Kette von Annamaria Zanella (geboren 1966), die die aktuelle Flüchtlingsproblematik mit dem Titel „Boats from Afrika“ aufgreift, andererseits. Mit Blick auf die Jünger Christi lässt sich, um nochmals „Gaudium et Spes“ zu zitieren, sagen: „Es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“

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