Hannah Coler: Cambridge 5

Fernrohr, Foto: Stefan Groß

Hannah Coler: Cambridge 5, Limes Verlag, München 2018, ISBN: 978-3-80902682-2, 19,99 EURO (D)

Unter ihrem Pseudonym Hannah Coler bringt Karina Urbach einen Spionagethriller an der altehrwürdigen Universität Cambridge heraus. Karina Urbach war selbst Stipendiatin in Cambridge und legte dort ihrer MPhil in Internationale Beziehungen ab und promovierte dort anschließend. Sie lehrte Geschichte an der Universität Bayreuth, was Research Fellow am Deutschen Historischen Institut London (2004-2009) und danach am Institut für Geschichtsforschung der Universität London. Bislang legte sie vor allem wissenschaftliche Werke vor, nun folgt ein Thriller mit historischem Hintergrund.

Sie nutzt ihre Erfahrungen an der Universität Cambridge und macht die Eliteuniversität in Ihrem Buch zu einem Tummelplatz für die Geheimdienste dieser Welt. In einem Interview mit dem Focus führt sie aus: „Im Moment tummeln sich dort vor allem amerikanische, chinesische und russische Geheimdienste, um an neueste Forschung ranzukommen. Ganz ähnlich wie in Silicon Valley. Da Cambridge eine Eliteuniversität ist, rekrutiert hier aber auch der britische Geheimdienst Studenten als zukünftige Mitarbeiter für MI5 und MI6. Und gleichzeitig werden natürlich die politischen Studentenclubs überwacht.“

Sie gewährt in ihrem Roman einen Einblick in die Geschichte der Universität und, der von Intrigen, Vetternwirtschaft und Beziehungsmanagement bestimmt ist. Dabei werden historische Fakten mit Fiktion vermischt. Die Handlung spielt auf drei verschiedenen Zeitebenen, was auf den ersten Seiten des Romans illustriert wird, die dann im Laufe der Zeit in der Gegenwart miteinander verbunden werden. Die erste ist die wahre Geschichte der Spionagegruppe Cambridge 5 aus den 1930er Jahren. Sie bestand aus einer Gruppe englischer Studenten, die vom russischen Geheimdienst angeworben wurden. Während ihres Studiums in Cambridge gaben sie brisante Geheimnisse aus Politik und Wirtschaft an das bolschewistische Russland weiter. Das berühmteste Mitglied war der sagenumwobene Spion und Doppelagent Kim Philby. Die zweite Zeitebene vertritt einer der Protagonisten des Buches, der Geschichtsprofessor Hunt, der in den 1970er Jahren in Cambridge studiert hat und wie andere Personen aus der Zeit an den linken Revolten dort beteiligt war, die ihren Höhepunkt in der Garden House Revolte (Februar 1970) hatten, an der auch Geheimdienste beteiligt waren. Heute hat der Revolutionsgeist nachgelassen und sie sie wichtige Positionen in Lehre, Forschung und Verwaltung an der Universität eingenommen. Hunt ist Doktorvater der Studentin Wera, die über die Gruppe Cambridge 5 promoviert. Sie und die beiden Studenten David und Jasper bilden die Zeitebene der Gegenwart.

Das Spionagethema steht im Mittelpunkt des Buches. Immer wieder lässt Urbach Auszüge aus Weras Dissertation über Cambridge 5 und den Mythos von damals in das Buch einfließen. In der Gegenwart steht aber die Spionage in Forschung und Wissenschaft im Mittelpunkt, nicht politische brisante Informationen. Die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Ungewissheit, wer damals und heute ein Agent, Doppelagent oder kein Agent ist, macht das Buch spannend.

Nach der Vorstellung der Zeitebenen und ihrer Protagonisten nimmt das Buch an Fahrt auf, als Geschichtsprofessor Hunt in einen Mordfall verwickelt wird. Dies weckt neben Weras Dissertation die Geister der Vergangenheit und garantiert Spannung bis zum Schluss.

Man merkt, dass die Autorin selbst an der Universität Cambridge studiert hat und Historikerin ist. Sie vermischt dabei Mythos und Realität mit dem Hintergrund einer altehrwürdigen Universität und seinem Leben. Dies ist jedoch kein trockenes wissenschaftliches Buch, sondern ein klug aufgebautes Werk mit verschiedenen Zeitebenen, die später zusammengewoben werden und ein sehr spannendes Buch bis zum Schluss.

 

Finanzen

Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.