Christine Nöstlingers erstes Kinderbuch hieß „Die feuerrote Friederike“. Es kam 1970 heraus und wird noch immer von Großen vorgelesen und von Kleinen selber gelesen. Mehrere Illustratorinnen haben das arme, wegen seines auffallenden Haarschopfs verlachte dicke Mäderl, das bei seiner Annatante wohnt, für die Folge-Auflagen des Buches gemalt. Das erste Konterfei stammt noch von der Schriftstellerin selbst.
Eigentlich müsste schon vor 55 Jahren die gerade aktuelle Ausstellung mit dem Titel „Was ist da los auf dem Kopf?“ gestartet worden sein. Denn da ging es mit der neuen Sicht auf „das Kind“ so richtig los: Autoritäre Erziehung wurde in Frage gestellt. Die Anti-Autoritären hatten bald das Sagen. Christine Nöstlinger als bekennende „Linke“ war im Vormarsch und ließ bald weitere „antiautoritäre“ Kinderbuch-Figuren wie den Gurkenkönig oder den Vranek folgen. Mit „Pippi Langstrumpf“ war schon 25 Jahre vor der haarsträubend roten Friederike ein allen schon wegen ihrer Frisur auffälliges Gör auf dem Kinderbuchmarkt und in vielen Medien tätig geworden. Pippis stets steif abstehenden Zöpfe zeigten allein schon an: ihre Trägerin begehrt auf. Im Gegensatz zu beispielsweise Barbie, die Kult-Puppe, die immer fein herausgeputzt war und mit Gel frisiertem Haar piekfein daherkam.
Keine Frage: Haartracht zeigt Persönlichkeit. Beispiele dazu fand Ines Galling, die Kuratorin der Ausstellung im Märchenschloss Blutenburg in München-Obermenzing, zur Genüge. Sie ging von der Märchenfigur Rapunzel mit dem ellenlangen Blondhaar über Lindgrens Pippi und Nöstlingers Friederike bis in unsere Tage mit Erfolg durch die (keineswegs nur deutschsprachige) Kinderliteratur, stets mit der kulturgeschichtlich für sie wesentlichen Frage, was Haare in Büchern für junge Leserinnen und Leser zu erzählen haben. Galling behauptet nicht nur, dass Haare und deren handwerkliches Styling in den Händen von einfallsreichen und (geschäfts-)tüchtigen Frisörinnen politische Bedeutung haben, sondern zeigt das auch auf amüsante Weise an einer Mixtur aus Märchen-, Umwelt- und Geschichtenbüchern.
Ob es für Kinder interessant ist zu wissen, wie lang man sich eigentlich Rapunzels Zopf vorstellen müsse, bleibt dahingestellt. Viel mehr gibt doch wohl der eine oder andere direkte Blick in das erste „haarige“ Kinderbuch überhaupt her: „Der Struwwelpeter“ (erste gedruckte Fassung: 1845). Der Frankfurter Arzt und spätere „Irrenanstalt“-Leiter Heinrich Hoffmann arbeitete die Haarpracht seines Helden – zuerst sind es wie toupiert weich übers Gesicht fallende Strähnen, aus der dann eine pelzig-dichte, bis auf den Boden fallende lange Mähne wursde – mehrmals um. Endgültig fest stand Struwwelpeters Frisur erst 1860: Er bekam da, wie Inka Friese erforschte, „seinen gleichmäßig rund um den Kopf stehenden Haarkranz“, der wie Stroh aussah. „An den Händen beiden / Ließ er sich nicht schneiden / Seine Nägel fast ein Jahr; / Kämmen ließ er nicht sein Haar. / Pfui, ruft da ein Jeder: / Garst`ger Struwwelpeter!“
Aus dem Lesen und Lachen kommt man in dieser Ausstellung nicht heraus. Bis 18 Jahre kann man kostenlos rein, lustig wär`s gewesen, diese Regelung auch für Glatzköpfe gelten zu lassen. Bis 3. Februar.