Immobilienprojektentwickler – Höhepunkt der Insolvenzwelle noch nicht erreicht

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Höhepunkt der Insolvenzwelle noch nicht erreicht

• Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung finden zunehmend stärkere Akzeptanz
• Fertigstellung von Objekten auch während der Insolvenz möglich – aber abhängig vom Einzelfall
• Verluste bei Senior-Finanzierungen eher gering
• Mezzanine-Kapitalgeber müssen Verluste hinnehmen

Immobilienprojektentwickler erleben derzeit eine Insolvenzwelle. Der Höhepunkt der Welle ist, Experten zufolge, noch nicht erreicht, wird aber in den nächsten sechs Monaten erwartet. Für Developer hat sich die Insolvenz in Eigenverwaltung zunehmend als eine geeignete Verfahrensform etabliert, da es dem Geschäft angemessen ist. Immobilien können auch im Insolvenzfall zu Ende gebaut werden. Die Erfolgsaussichten hängen von der genauen Situation der Immobilie ab. Von Verlusten betroffen sind primär das Eigenkapital der Entwickler und häufig auch die Gelder der Mezzanin-Kapital-Investoren. Senior-Finanzierungen sind in der Regel nicht von Verlusten betroffen.

Das sind die Kernergebnisse der Online-Pressekonferenz „Finanzielle Restrukturierung von Projektentwicklungen: Welche Spielräume gibt es und welche Ergebnisse sind erreichbar?“, an der heute Prof. Dr. Steffen Sebastian, Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung (Real Estate Finance), IREBS Institut für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg, Dr. Gordon Geiser, Geschäftsführer der Nova Fides GmbH und Torsten Hollstein, Geschäftsführer der CR Investment Management, teilnahmen.
Prof. Dr. Steffen Sebastian begann zunächst mit einer Einordnung der Makro-Situation: „Wir haben einen Superzyklus hinter uns, der sowohl in der Höhe als auch der Länge einzigartig war. Seit 2010 stiegen alle Immobilienpreise im Schnitt laut Destatis/OECD um 66 Prozent. Das war deutlich stärker als in den Zyklen davor. Nun allerdings befinden wir uns auf dem absteigenden Ast des Zyklus. Mittlerweile dauert die Krise knapp zwei Jahre, und die Erkenntnis setzt sich durch, dass der Umschwung langfristiger Natur ist. Meiner Meinung nach ist der Höhepunkt der krisenhaften Entwicklung noch nicht erreicht. Ich schätze, dass es mindestens noch ein halbes Jahr dauert, bis wir den Höhepunkt sehen werden. Ich erwarte zwar keinen Flächenbrand an Insolvenzen. Aber es wird weitere Marktbereinigungen geben.“

Anschließend ging Dr. Gordon Geiser auf das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ein: „Es gibt im Gegensatz zum klassischen Insolvenzverfahren keinen gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter, auf den die gesamte Verfügungsbefugnis übergeht. Diese Funktion bleibt bei der Geschäftsführung des Unternehmens. Das Gericht bestellt statt dessen eine beaufsichtigende Person – den Sachwalter. Ein großer Vorteil des Verfahrens liegt in der Außenwahrnehmung: Dort wird es mit Sanierung verbunden nicht mit Zerschlagung.“

Geiser weiter: „Das Verfahren ist in den vergangenen Jahren modernisiert worden, um Vorbehalte abzubauen, was gelungen ist. Wie die derzeitige Situation zeigt, findet das Verfahren eine große Akzeptanz. Überhaupt hat der Insolvenzbereich im Immobiliensektor eine starke Professionalisierung erfahren. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Akteuren mit der für diesen Sektor erforderlichen Expertise und Erfahrung.“

Danach geht Torsten Hollstein auf die Situation der Immobilien von insolventen Projektentwicklern ein: „Objekte können auch während einer Insolvenz zu Ende gebaut werden – insbesondere solche, bei denen ein Einzelmieter oder ein hoher Vorvermietungsgrad vorliegt und ggf. bereits ein Forward-Verkauf stattgefunden hat. Hier muss nur geklärt werden, wer in diesem Szenario wieviel verliert. Allerdings hängt es auch immer von der individuellen Situation ab. Besonders schwierig hingegen ist es, wenn es sich um Eigentumswohnungen handelt, das Objekt bereits im Bau ist und ca. die Hälfte verkauft ist und dann die Insolvenz eintritt. Bei einer solchen Gemengelage kann es schwierig und langwierig sein, neues Kapital zu mobilisieren. Ein anderer Fall sind Grundstücke, für die noch kein Baurecht vorliegt. Diese sind oft unbelastet und können veräußert werden, um mit dem Erlös andere Projekte eines Entwicklers zu kapitalisieren.“

Schließlich rückten die Gläubiger in den Fokus. Geiser dazu: „Der Senior-Bereich von Finanzierungen ist in der Praxis zumeist nicht betroffen. Anders sieht es im Mezzanine-Segment aus. Mezzanine-Kapital ist häufig von Ausfällen betroffen. Einen kompletten Ausfall müssen diese Investoren nur hinnehmen, wenn es zu starken Wertkorrekturen kommt. Ein ebenfalls hohes Ausfallrisiko haben unbesicherte Gläubiger. Diese können nur aus der freien Insolvenzmasse befriedigt werden, die bei Immobilieninsolvenzverfahren häufig weniger groß ist, da der überwiegende Teil der Vermögenswerte regelmäßig mit Sicherheiten belastet ist.

c/o RUECKERCONSULT GmbH

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