Interview mit Bertram Brossardt: „Wir brauchen eine Technologieneutralität“

Bertram Brossardt in vbw Foto: Dr. Dr. Stefan Groß

Stefan Groß: Was bedeutet der Brexit für die bayerische Wirtschaft

Die Produkte der Automobilindustrie sind der Haupt-Export-Faktor. Die UK ist einer unserer großen Handelspartner, immerhin 6,7% unserer Exporte gehen dorthin. Wir haben schon in den letzten Jahren, seit der Brexit beschlossen wurde, jährlich einen Rückgang der Exporte erlebt. Das wirkt sich auf unsere Industrien – nicht nur auf den automotiven Bereich, sondern auch auf kleine Bereiche wie etwa Lederwaren / Korbwaren negativ aus. Letztendlich führt es zu einem schwierigeren Handel und hemmt damit auch das Wachstum in Bayern.

Stefan Groß: Als einzige Alternative zum Verbrennungsmotor wird für den E-Antrieb dauernd geworben. Auch heute auf der Veranstaltung war es großes Thema, halten Sie das für richtig?

Die von der EU vorgelegte Quote zur E-Mobilität, mit dem Ziel, den C02-Ausstoß um 37,5%  bis 2030 einzusparen, wird in der bayerischen Automobilindustrie zu großen Problemen – auch mit Blick auf die Vielzahl der Beschäftigten. Daher wollen wir als vbw auch die EU nochmals auffordern über diese Quote nachzudenken, um auch die realen Wirkungen und die Beschäftigungsstrukturen nochmals kritisch in den Blick zu nehmen. Es geht nicht um die Frage, den klassischen Antriebsmotor mit alternativen Antriebsformen zu ersetzen, sondern darum, ob diese Vorgaben technisch machbar sind. Die 37,5% sind allein ein politischer Aushandlungsprozess. Und ich glaube nicht, dass wir die Strukturen einer unserer Leitindustrien an einem politischen Aushandlungsprozess binden dürfen. Wir müssen ihn an die Realitäten binden – und das ist bisher unterblieben. Wie das Thema Elektromobilität real umzusetzen ist, darüber gibt es noch keine Rahmenbedingungen Derzeit haben wir keine entsprechende Ladeinfrastruktur und die Kundennachfrage nach E-Autos ist in Deutschland ist gering. Also: die Forderung der EU und die Wirklichkeit klaffen gravierend auseinander. Daher mein Vorschlag nach Brüssel: Man muss hier noch einmal richtig nachjustieren.

Stefan Groß: Also macht man hier denn in Europa letztendlich nicht eine Politik über den einzelnen Menschen hinweg? 98% fahren ja weiterhin normale Autos und 2% E-Autos.

In Brüssel sollte man die Diskussionen mal mit der Meinungsbildung der Menschen abklopfen, also klären, was der Verbraucher will und wie es mit der Beschäftigung oder möglichen Arbeitslosigkeit dann steht. Ein Großteil der Wertschöpfung liegt in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Die werden von Entscheidungen aus Brüssel völlig überrannt und gar nicht einbezogen. Es ist also ein falscher Gesetzgebungsprozess, wie er nun vorliegt.

Stefan Groß: Wenn die E-Mobilität tatsächlich das großgesteckte Ziele der EU ist, sich die Automobilindustrie quasi völlig umstellt, dann sind neben den Autobauern auch – und mehr noch – die Zulieferer betroffen. Gibt es dort bereits Ängste, über die man reden muss?

Man muss die Ängste mitnehmen, man muss Entwicklungslinien mitnehmen, wie man in einer Übergangsphase das Ganze gestaltet. Das hat bisher niemand gemacht. Man hat das Klimaziel, was völlig in Ordnung ist, in den Mittelpunkt gerückt, aber die Wirkungen auf die Automobilindustrie völlig aus den Augen gelassen. Hier müssen die Zielkoordinaten besser zusammengebracht werden. Das ist bisher unterblieben.

Stefan Groß: Also wäre der Diesel, ein besserer Diesel dann die Alternative?

Wir brauchen eine Technologieneutralität. Wenn man Klimaziele erreichen will, müssen die verschiedenen Teilbereiche ihren entsprechenden Wert besitzen. Da haben wir auf der einen Seite die Optimierung des klassischen Antriebsstrangs, auf der anderen Seite die E-Mobilität, aber auch den Wasserstoffantrieb, also die Brennstoffzelle. Da muss man technologisch offen sein. Durch die jetzige Entscheidung der europäischen Union ist nur eine formale technologie-Offenheit vorhanden. In Wirklichkeit ist es die Festlegung auf die E-Mobilität, die von vielen Wissenschaftlern ja tatsächlich in Frage gestellt wird.

Stefan Groß: Wenn man jetzt nochmal für den Leser kurz prägnant zusammen bringen sollte, was macht die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft?

Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft und die Bayerische Metall und Elektroarbeitgeberverbände sind Teil des bayerischen Automobilforums, des Automobilpaktes. Wir müssen in dem Punkt die Interessen der Wirtschaft an dem Punkt zusammenbringen und wir werden Anforderungen stellen, Projekte bestimmen, wie man denn diese insgesamt gestalten kann. Das sind aber nicht die Interessen der Arbeitgeber allein, sondern das sind die Interessen der dort befindlichen Arbeitnehmer genauso. Und in diesem Prozess sind wir derzeit tätig.

Stefan Groß: Wie sehen sie die bayerische Wirtschaft für die Zukunft aufgestellt? Das ifo Institut hat einen Wachstums-Rückgang von 0,8 prognostiziert, trifft das Bayern oder ist Bayern sozusagen mit seinen starken Firmen besser als andere Wirtschaftsstandorte für Deutschland aufgestellt?

Was sind also die größten Herausforderungen für die bayerische Wirtschaft in Zukunft und welche Probleme oder welche Engfelder sehen Sie?

Die größte Herausforderung ist insgesamt die Digitalisierung. Das ist nicht alleine auf den Automobilbereich bezogen – sondern generell. Da ist die Frage nach neuen Geschäftsmodellen, da ist die Frage nach neuer Arbeitsorganisation, da ist die Frage nach neuen Produkten. Das sind die Kernfragen und sie entscheiden am Ende über unsere Wettbewerbsfähigkeit. Dafür brauchen wir mehr Geschwindigkeit und einen freieren Rechtsrahmen. Und wir brauchen an dem einen oder anderen Punkt auch große Infrastrukturmaßnahmen des Staates im Bereich Forschung  und Entwicklung. Das Themenportfolio ist definiert. Wir sehen dafür in Bayern durchaus einen guten Willen, dass das Ganze umgesetzt wird. In Berlin dagegen sehen wir, dass derzeit alle Projekte der Zukunft verzögert und nicht finanziert werden. Alle Projekte der Umverteilung werden finanziert, das lehnen wir grundsätzlich ab.

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