Europäische Union bedauerte Hinrichtung in Singapur – Schweigen von Justiz-Commissioner McGrath

EU-Commissioner Michael McGrath am 3. März 2025 in Singapur (Foto: McGrath)

25 Stellungnahmen der Botschaft der Europäischen Union zu Todesurteilen in Singapur. Doch der zuständige Commissioner McGrath gibt keine Unterstützung. Er redet mit Geschäftsleuten in Singapur und schweigt zu den Übergriffen der Justiz. Von Johannes Schütz


Barbara Plinkert war vier Jahre die Botschafterin der Europäischen Union in Singapur. In Deutschland 1969 geboren, absolvierte Plinkert das Studium der Sinologie an der FU Berlin, leitete dann von 2017 bis 2021 die Delegation der EU in Singapur. Botschafterin Plinkert ersuchte die Behörden von Singapur am 16. September 2020, das Leben von Syed Suhail zu verschonen.

Die Hinrichtung von Syed Suhail war für den 18. September 2020 angesetzt worden. Für den Besitz von 38,84 Gramm Diamorphin.
Menschenrechtsanwalt  Ravi Madasamy übernahm am 15. September den Fall pro bono, also unentgeltlich, nachdem er an jenem Tag ein Schreiben von Syed Suhail erhielt.

Ravi absolvierte zuerst ein Studium der Soziologie und Politologie, bevor er ein Rechtsdiplom an der Cardiff University erwarb. Anwalt Ravi war bereits dafür bekannt, die Fälle von Todeskandidaten in Singapur zu übernehmen. Er erklärte dazu:
„Die Todesstrafe wird überproportional häufig gegen arme und benachteiligte Bevölkerungsgruppen verhängt. Kein Rechtssystem ist fool proof, daher ist die Todesstrafe nicht akzeptabel, denn sie ist unumkehrbar“.

Anwalt erreichte Aufschub der Hinrichtung

Anwalt Ravi erreichte mit seinem Antrag, dass ein Aufschub der Hinrichtung gewährt wurde, bis zu einer Anhörung beim Berufungsgericht. Doch er konnte Syed Suhail nicht vom Tod durch den Strang bewahren. Nach mehr als vier Jahren intensiver Bemühungen, sein Leben zu retten, wurde Syed Suhail im Changi Prison erhängt. Das Central Narcotics Bureau von Singapur informierte am 23. Januar 2025:
„The capital sentence of death imposed on Syed Suhail bin Syed Zin (“Syed Suhail”) was carried out on 23 January 2025“.
(www.cnb.gov.sg/NewsAndEvents/News/Index/execution-of-a-convicted-drug-trafficker—23-january-2025)

Die Delegation der Europäischen Union in Singapur erklärte dazu einen Tag später, am 24. Januar, dass die Hinrichtung von Herrn Syed Suhail bedauert wird:
„The EU Delegation (…) deplore the execution of Mr Syed Suhail bin Syed Zin, a Singaporean citizen, on 23 January 2025“.
(Delegation of the European Union in Singapore, „Joint Local Statement following the execution of Mr Syed Suhail bin Syed Zin“, 24.01.2025, www.eeas.europa.eu/delegations/singapore/joint-local-statement-following-execution-mr-syed-suhail-bin-syed-zin_en)

Gnadengesuche der EU blieben erfolglos

Die Delegation der Europäischen Union in Singapur veröffentlichte 25 Stellungnahmen zu Hinrichtungen in Singapur seit 16. September 2020, das war der Tag, an dem um Gnade für Syed Suhail gebeten wurde. In dreizehn Fällen versuchte die EU zu erreichen, dass auf die Hinrichtung verzichtet und in eine Strafe ohne Todesurteil umgewandelt wird („commute his sentence to a non-capital sentence“). In zwölf Fällen, seit 29. April 2024, wurde die vollstreckte Hinrichtung mit Mitgefühl betrachtet („deplore the execution“).

Zusätzlich formulierte Nabila Massrali, EU-Spokesperson for Foreign Affairs and Security Policy, vier Ermahnungen. Auch Peter Stano,
Lead Spokesperson for Foreign Affairs and Security Policy, brachte in einem Statement die Besorgnis der EU über die Hinrichtungen in Singapur zum Ausdruck. Dennoch konnte die Europäische Union die Verurteilten nicht aus der Death Row holen.

Nabila Massrali zeigte am 30. März 2022 deutlich, dass die Europäische Union eine Exekution für Drogendelikte ernsthaft bedauert:  deeply regrets the execution“. Schließlich erklärte Sprecherin Massrali, in ihrem vierten Schreiben am 5. August 2022, dass die EU die Hinrichtungen in Singapur ablehnend beurteilt. Innerhalb von zehn Tagen wurden fünf weitere Häftlinge für Drogendelikte exekutiert:

„In the past ten days, Singapore has executed five more prisoners
for drug related offences.
The last two executions took place today.
The European Union is concerned  by the large number and rapid pace of executions carried out by Singapore.“
(Nabila Massrali, Spokesperson for Foreign Affairs and Security Policy
„Singapore: Statement by the Spokesperson on recent executions“, 5. 8. 2022, www.eeas.europa.eu/eeas/singapore-statement-spokesperson-recent-executions_en)

Justiz-Commissioner McGrath schweigt

Michael McGrath ist der Commissioner für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit der Europäischen Union. Er entschied sich für Singapur, für seine erste Reise in dieser Funktion. Dort traf er Geschäftsleute am 2. und 3. März 2025. Es ginge um ein Handelsvolumen von 130 Milliarden Euro, so sprach McGrath. Mit dem Finanzplatz Singapur ist McGrath vertraut, war er doch zuvor der Finanzminister Irlands. Singapur wird als „Financial Hub“ und Gate nach Südostasien betrachtet, für Banken und Unternehmen aus Irland.

It has been a pleasure to visit Singapore – the first visit by a Commissioner in the new European Commission mandate (…) trade in goods and services exceeds €130 billion per annum„, schrieb McGrath auf Facebook.
(Michael McGrath EU Commissioner, Facebook, 7. 3. 2025, www.facebook.com/Michael.McGrath.EU)

Von einem Justiz-Commissioner der Europäischen Union wird erwartet, dass er bei einer solchen Reise sich informiert über das Rechtssystem des Landes, das er besucht. Es ist seine Aufgabe, als Repräsentant für Demokratie und Justiz, entsprechende Anmerkungen und Forderungen vorzutragen, wenn Verbesserungen aus Sicht der Europäischen Union erforderlich sind. Das  erklärt auch der Mission Letter, der seine Aufgaben als Commissioner für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit detailliert bestimmt.

Die Problematik der Todesstrafen in Singapur sollte McGrath  bekannt sein, nachdem die Delegation der Europäischen Union dazu 25 Stellungnahmen vortrug. Doch Commissioner McGrath redet über Geschäfte in Singapur und schweigt über die dubiose Justiz des Landes.

Presseanfrage an Spokesperson Markus Lammert

Markus Lammert ist Spokesperson der EU für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit. Er wurde in einer ausführlichen Presseanfrage am 5. Juni um eine Stellungnahme zur Problematik zahlreicher Hinrichtungen in Singapur ersucht.

Dazu die folgenden Fragen:
1. Nach 25 Stellungnahmen zu vollstreckten Hinrichtungen in Singapur seit Februar 2020. Welche Maßnahmen wird die Europäische Kommission setzen, damit solche Hinrichtungen in Singapur beendet werden?
2. Wird die Europäische Kommission eine Stellungnahme zum Fall des malaysischen Dichters Pannir Selvam Pranthaman abgeben. Oder das Vorgehen der Justiz von Singapur erst nach der Hinrichtung bedauern?

Die Presseanfrage wurde am 8. Juni veröffentlicht. In einem weiteren Schreiben wurde EU-Sprecher Markus Lammert am 17. Juni über die Veröffentlichung der Presseanfrage informiert:

Subject: Presseanfrage vom 5. Juni 2025
Sent: 2025/06/17
from: Johannes Schuetz <johannes.schuetz@journalist…>
to: Markus Lammert <markus.lammert@ec.europa…>

Herrn
Markus Lammert
Spokesperson
Democracy, Justice and the Rule of Law
Europäische Kommission


Sehr geehrter Herr Lammert,

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Presseanfrage veröffentlicht wurde:

Todesurteile in Singapur:
Pannir Selvam Pranthaman droht Hinrichtung –
Anfrage an den Sprecher für Demokratie und Justiz der Europäischen Union
Tabula Rasa Magazin, 8. 6. 2025
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-todesurteile-in-singapur-pannir-selvam-pranthaman-droht-hinrichtung-anfrage-an-den-sprecher-fuer-demokratie-und-justiz-der-europaeischen-union

Ich sendete Ihnen die Presseanfrage bereits am 5. 6. 2025. Ich bereite einen weiteren Beitrag zu diesem Thema vor. Ich ersuche um Mitteilung, ob noch eine Antwort erfolgt oder der Sprecher der Europäischen Kommission keine Stellungnahme gibt.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Schütz

Mag. Johannes Schütz
Wien, Austria (derzeit  im Ausland im Exil)
Email: johannes.schuetz@journalist…
www.journalist.tel

EU-Spokesperson Lammert gibt keine Antwort

Die Beantwortung dieser Presseanfrage war eine einfache Aufgabe. Sprecher Lammert hätte nur die Aussagen der Delegation der Europäischen Union in Singapur abschreiben müssen, die in 25 Stellungnahmen bereits formuliert wurden, zuletzt am 26. Mai 2025.

In solchen Stellungnahmen wird die Hinrichtung des Betroffenen bedauert.  Demnach lehnt die Europäische Union die Todesstrafe in allen Fällen und unter allen Umständen ab. Es wird gefordert, dass Singapur ein Moratorium für alle Hinrichtungen durchführt, als ersten Schritt zur Abschaffung der Todesstrafe.
(Delegation of the European Union to Singapore, „Joint Local Statement following the execution of Muhammad Salleh bin Hamid on 23. 5. 2025“, 26. 5. 2025, www.eeas.europa.eu/delegations/singapore/joint-local-statement-following-execution-muhammad-salleh-bin-hamid-23-may-2025_en).

Spokesperson Lammert hätte nur noch den Mut finden müssen, auch eine Initiative zum Fall des malaysischen Dichters Pannir Selvam Pranthaman anzukündigen, noch vor dessen Hinrichtung. Doch Justiz-Commissioner Michael McGrath und sein Sprecher Markus Lammert gaben keine Antwort zum Singapore Gate.

Links:

Im Todestrakt von Singapur
Tabula Rasa, 17. Juni 2025
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-im-todestrakt-von-singapur


Todesurteile in Singapur:
Pannir Selvam Pranthaman droht Hinrichtung
Anfrage an den Sprecher für Demokratie und Justiz der Europäischen Union
Tabula Rasa, 8. 6. 2025
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-todesurteile-in-singapur-pannir-selvam-pranthaman-droht-hinrichtung-anfrage-an-den-sprecher-fuer-demokratie-und-justiz-der-europaeischen-union

 

Was ist der Auftrag von McGrath
Die Reise von EU-Commissioner McGrath nach Singapur (3)
Tabula Rasa, 17. Mai 2025
Der Commissioner für Justiz soll die Rechtsstaatlichkeit in den Ländern der EU prüfen. In Moldawien könnte er den notwendigen Beitritt stärken. Doch McGrath trifft Geschäftsleute in Singapur.
www.tabularasamagazin.de/was-ist-der-auftrag-von-mcgrath-die-reise-von-eu-commissioner-mcgrath-nach-singapur-3

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Über Johannes Schütz 119 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel