Landtagswahl in Bayern: CSU: 37 Prozent sind nicht das Ende der Herrschaft

Bayerischer Ministerpräsident Markus Söder Foto: Dr. Dr. Stefan Groß

Wenn es so etwas wie Monarchie im freiheitlich-rechtlichen Demokratiesystem überhaupt noch gibt, hatte diese die CSU als Staathalter des Freistaates seit 1957 inne. Fast absolutistisch regierte zuerst Franz-Josef Strauß und dann die Reihe seiner Adepten und deklinierte das Erfolgsmodell des „Bayern first“ mantraartig durch. Doch der Absolutismus à la Ludwig XIV. ist in die Jahre gekommen. Nun folgte am 14. Oktober keine Bayerische Revolution wie einst 1789 in Frankreich. Dennoch: ein spürbarer Riss bleibt es schon auf der Überholspur der sonst so erfolgsverwöhnten und machtpotenten Männerpartei, die sich im Personenkult selbstgenügsam, kritik- und alternativlos feierte. Aber 37 Prozent sind eben auch nicht das Ende der Welt. Aber es bleibt eine magische Zahl, aber eben eine, von der alle Wahlgewinner des gestrigen Abends, seien es die Freien Wähler, die FDP, die Grünen oder die AfD nur träumen können. Selbst in Zeiten des Niedergangs zaubert die CSU noch Wahlergebnisse aus dem Hut, allein der Allmachtsanspruch ist dahin.

37 Prozent sind nicht das Ende der Herrschaft

Seit dem Wahldebakel raunt es vom Abgesang der CSU durch die mediale Welt. Vom Erdbeben, von tektonischer Verschiebung, vom Ende der Höflinge, vom Tod des Königs ist die Rede. Köpfe sollen rollen, zuerst natürlich von Horst Seehofer und dann von Markus Söder. Aber die Alleszertrümmerer der grünen Journalie übersehen geflissentlich die 37 Prozent, die schwach, aber deutlich für einen Regierungsauftrag steht. Aus Sicht der Grünen ist das Schafott bereits aufgestellt, die Henkersmalzeit angerichtet, ein Autodafé als grünes Happening wäre die Krönung. Doch personalpolitisch – sowohl mit Blick auf die Hessenwahl als auch den ohnehin porösen Burgfrieden in Berlin – wird sich die CSU derzeit davor hüten, dass Spitzenpersonal abzusäbeln.

Eine Kultur des Dialogs

Was die CSU allerdings lernen muss, ist eine Kultur des Dialoges. Herrschaftsfrei war dieser weder bei Strauß, Stoiber, Seehofer oder Söder; letztendlich waren und sind sie alle demokratische Autokraten, die jenseits idealer Diskursvorstellungen eines Jürgen Habermas Parteipolitik betreiben. Wie einst Erich Honecker, Helmut Kohl und die ewige Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die CSU-Spitze die Haftung zur Scholle, die Volksnähe, verloren. Für ihre Selbstzentrierung, Hybris und ihren absoluten Wahrheitsanspruch hat die Partei jetzt einen Denkzettel erhalten. Ob im Kanzleramt oder in der Bayerischen Staatskanzlei, die hybride hohe Ross-Politik hat an der Seele des Volksgeistes genagt und man übergibt den Staffelstab der Macht, zumindest zeitweise, an jene, die man für geneigter meint, Partei für die Bedürfnisse und Interessen einzunehmen. Der Bürger begreift sich längst nicht mehr als Vasall, sondern als Souverän. Und wenn den Wähler das Gefühl beschleicht, dass die Volksparteien ihn nicht mehr hofieren, zieht er eben die Notbremse und stoppt die politische Schleichfahrt. Aber die Schleichfahrt oder eben die ICE-Geschwindigkeit – beide gehören zum Wesen von Volksparteien, die eben auch mal am Abstellgleis – wie die Bayern-SPD und Bundes-SPD – landen kann oder an Fahrt einbüßt, wie derzeit die CSU.

Demut lernen

Während viele EVP-Europa-Politiker dezent Politik machen, die großen Schrauben der Macht leise verstellen, politische Reformen clare et distincte durchführen, herrschte in der Bayern-CSU in den letzten Monaten eine Selbstkultivierung wie auf dem Oktoberfest – ähnlich unintellektuell, aber mit Gebrüll, verfang sich die ganze CSU-Spitze in ihrer eigenen Bierseligkeit. Doch was der Partei, gerade nach dem 14. Oktober fehlt, hatte Ministerpräsident Markus Söder am Wahlabend gelassen ausgesprochen. Und ein bislang unbekanntes Wort entwickelte seine Zauberkraft im Sprachschatz der CSU-Granden: Demut. Markus Söder nimmt das Wahlergebnis „mit Demut“ an. Vom Begriff der Demut, dem neuen Zauberwort der Stunde, das Söder so gelassen aussprach als sei es eine pure Selbstverständlichkeit, wird auch die Zukunft der CSU abhängen. Gelingt es ihr nicht, die Arroganz abzuschütteln, den Selbstinszenierungshype aus Macho-Kultur und Überheblichkeit in ein seriöses Regierungen zu filtern, werden die 37 Prozent noch das beste Ergebnis sein, für das die CSU in jüngster Zeit stand. Die Partei war die letzten Jahre soweit von einer demütigen Haltung entfernt wie die Milchstraße von der Erde.

Die CSU kann wieder, wenn sie sich ändert

Aber wenn es der CSU gelingt, sich endlich aus ihrem fast religiösem Gottesgnadentum zu befreien, hätte sie gute Chancen, die Mehrheit der Wählerschaft in Bayern wieder hinter sich zu versammeln. Das es dem Freisaat so unumwunden gut geht, dass dieser wirtschaftlich gediegen und kraftvoll wie ein Rolls Roycs vor sich hinschnurrt, das hier die Integration vielerorts gelungen ist, die Arbeitslosigkeit so flächendeckend gering, die Wirtschaft sprichwörtlich brummt und die Ballungszentren in Zukunft neue Wachstums und Einwohnerrekorde verzeichnen werden. Verantwortlich für Bayern als das Silicon Valley der Lebenskultur, sozialer Absicherung und eines beneidenswerten Reichtums waren die Christsozialen, die seit Jahrzehnten die Soziale Marktwirtschaft mit einer wirtschaftsumsichtigen Politik zu verbinden wussten. Das in Bayern trotzdem nicht alles perfekt ist, gleichwohl der Himmel weiß-blau strahlt, dass die Mieten überteuert, der Wohnraum begrenzt, die digitale Infrastruktur auf dem Land selbst in afrikanischen Ländern besser funktioniert – daran sollten sich auch die erfolgsverwöhnten Bayern gewöhnen und ein wenig Langmut walten lassen. Ein bisschen Demut im Land täte den Bayern selbst gut und würde sie vor allem auch in der Bundesrepublik ein bisschen liebenswürdiger machen. Das „Mia san mia“ kann keiner mehr hören. Denn Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall, ein Sprichwort, das nicht nur die CSU einholt, sondern das auch der Bundesligarekordmeister, der FC-Bayern München, am eigenen Leib schmerzhaft verspürt.

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2124 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".