Nach dem Terroranschlag in Barcelona – Was läuft schief in Spanien?

Bergbahn Predigtstuhl, Foto: Stefan Groß

Das entsetzliche Attentat in Barcelona hat – wie könnte es anders sein – eine Welle von Solidarität in der katalanischen Bevölkerung und in der ganzen Welt ausgelöst. Trauer und Schmerz angesichts der Opfer. Wut und Abscheu gegenüber den Tätern. Und trotzdem gibt es Aspekte – vor und nach diesem Verbrechen – die im Ausland weitgehend unbekannt sind und die -leider – mit dem Konflikt zwischen Katalonien und Spanien zu tun haben und nicht verschwiegen werden sollten.

Aktuell wird diskutiert – wie immer nach einem solchen Unglück – ob es möglich gewesen wäre, den Tätern frühzeitig auf die Spur zu kommen und das Attentat zu verhindern. Es wird nie hundertprozentige Sicherheit geben, und solche Verbrechen werden leider nie vollkommen auszuschließen sein. Doch sollte immer und überall alles Menschenmögliche getan werden, um Prävention soweit wie möglich zu gewährleisten. Und genau hier hat der spanischer Staat sich einiges vorzuwerfen.

Die katalanische autonome Polizei wird mit einem historischen Namen bezeichnet: „Mossos d’esquadra“, in etwa „Heimwehrjungs“. Und diesen „Jungs“ wird aus Madrid mit ziemlichen Misstrauen begegnet, eben weil Ordnungskräfte, die unter dem Befehl der katalanischen Regierung stehen, angeblich schon „per se“ suspekt sind. Vielleicht deswegen und unter Missachtung schon vor mehr als zehn Jahren getroffener Abmachungen, hat die Zentralregierung diese „Jungs“ aus mehreren wichtigen Sicherheitseinrichtungen ausgeschlossen. Zum einen aus der spanischen Behörde CITCO, das zentrale Koordinationszentrum für den Kampf gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen, mit dem sonst alle anderen autonomen Polizeikräfte Spaniens, seit kurzem sogar die „traditionell verdächtige“ baskische Polizei, vernetzt sind.  Nach den vor Jahren getroffenen Vereinbarungen sollte die katalanische Polizei 1.600 Agenten mehr als sie zur Zeit hat. Diese Aufstockung wurde aber ständig blockiert. Neulich, Anfang des Jahres wurde wieder die Anfrage Kataloniens an Madrid zur Genehmigung von 500 weiteren Polizeistellen abgelehnt (vgl. meinen Artikel „Schikanen und Drohungen“ aus Juni dieses Jahres).

Zum zweiten, und ebenfalls auf Geheiß der spanischen Zentralregierung, hat die katalanische Polizei kein Zugang zu den Datenbanken der europäischen Sicherheitsbehörden (Europol, Siena, Sirene), was jegliche Prävention erheblich erschwert. Dieses Verbot bleibt, wider aller Vernunft, wohl weiter bestehen. Man hat der spanischen Regierung in den vergangenen Monaten wiederholt vorgehalten, dass ihr politisches Ränkespiel bewusst oder unbewusst die Sicherheit der Bevölkerung auf Spiel setzt. Das Verbrechen vom 17. August ist eine traurige Bestätigung dieser Warnung.

Einige ausländische Zeitungen haben die „prompte“ Reaktion des spanischen Ministerpräsidenten Rajoy, sofort nach Barcelona zu reisen, gelobt. In Katalonien, aber, egal ob Unabhängigkeitsbefürworter oder -Gegner, haben viele Rajoy stark kritisiert. Denn es war die katalanische Regierung , die ab dem ersten Moment rasch und wirkungsvoll reagierte -wie es ihre Pflicht ist – während Rajoy lediglich ein kurzes Telefonat mit dem katalanischen Präsidenten Puigdemont führte jedoch sich mit ihm nicht traf. Dazu: den entscheidenden Anteil am schnellen Einsatz gegen die Terroristen schulterten die „Jungs“ der katalanischen Polizei, während die spanische Nationalpolizei und die Guardia Civil nur am Rande Hilfsdienste leisteten. Das soll kein Vorwurf sein, sondern lediglich die Feststellung, dass jeder getan hat, was nach der Gesetzeslage zu tun sollte. Rajoy, jedoch, hat sich nur mit Mitgliedern der spanischen Ordnungskräfte, nicht aber mit dem katalanischen, die das Ganze haben bewältigen müssen, getroffen. Das ist auch als kleinlich registriert worden.

Noch ein sehr trauriger Umstand soll vermerkt werden. Vor einem Jahr (Juli 2016) habe ich schon in zwei Artikeln von dem extremen Hass mancher Spanier gegen die Katalanen berichtet, der allzu oft durch spanische Politiker aus Wahlkalkül noch aufgeheizt wird. Wieder konnte man in den sozialen Medien Muster dieser Katalanen-Phobie feststellen, wie folgende drei Zitate zeigen:

-Hätte dieser Maure nicht noch mehr Katalanen töten können?

-Wolltet ihr nicht weniger Touristen? Bitte schön…

-Gut dass ihr die Nachricht aus Barcelona verbreitet, aber man braucht sich nicht aufzuregen. Es sind Katalanen gestorben. Nicht Menschen..

Darüber zeigen sich verständlicherweise viele Katalanen entsetzt. Mich macht so etwas nur unendlich traurig. Diese Stimmung, die jahrzehntelang von kurzsichtigen und verantwortungslosen Politikern geschaffen worden ist, hilft keinem und macht es nur noch schwieriger eine vernünftige Lösung der gegenwärtigen Krise zu finden.

Dabei waren diese namenslosen Katalanen, wo immer ihr Geburtsort sei, die nach dem Attentat in Barcelona fremde Menschen in ihre Wohnungen gelassen, die stundenlang im Verkehrstau um die Metropole in ihren Autos Feststeckende mit Getränken und Essen versorgt haben, unter ihnen die Taxifahrer, die Touristen kostenlos zu ihren Hotels brachten. Und auch die Katalanen. wo immer ihr Geburtsort sei, die schon wenige stunden nach dem Attentat lange Schlangen vor den Blutspendenstellen der Krankenhäuser bildeten.

Manche mögen solche Äußerungen als Ausrutscher einiger Unverbesserlichen abtun. Noch schwerer wiegen auf jedem Fall vermeintliche „Ratschläge“ am Tag nach den Attentaten in Barcelona und Cambrils, u.a. in Leitartikeln großer spanischer Zeitungen wie El País und El Mundo, in denen leichtfertig und ebenso mutwillig Zusammenhänge zwischen der terroristischen Bedrohung in Katalonien und der Unabhängigkeitsbewegung geknüpft werden.

Dort heißt es das Katalonien die Region mit der höchsten Zahl fundamental geprägter islamischen gemeinden sei und man riet „Dies sollte die katalanischen Machthaber ihre Willkommenspolitik überdenken lassen, da manches Mal der Blick auf die nationale Sicherheit zugunsten von Wahlinteressen im Hinblick auf die Unabhängigkeit in den Hintergrund getreten sei“. Man vergisst oder will vergessen, dass die katalanische Regierung gar keinen Einfluss auf die Immigrationspolitik Spaniens hat, denn, wie alles was mit den Aussengrenzen zu tun hat, ist dies allein Vorrecht der Zentralregierung in Madrid, der bewiesenermaßen oft Einwanderer aus arabischer oder maghrebinischen Staaten mit Bussen vom Ankunftsort direkt nach Katalonien transportiert hat, um anderen Regionen Spaniens zu schonen. Man vergisst oder will vergessen, dass die hohe Zahl von festnahmen möglicher Gefährder durch die katalanische Polizei vor allem der Aufklärungsarbeit derselben zu verdanken ist, was bei der Polizeikräfte in  anderen Länder Europas zu hoher Anerkennung führte und möglicherweise frühere Attentate verhindern half.

Leider sind auch deutsche Medien, wie oft auf den Madrider Zug aufgesprungen, wenn auch nicht alle. Es wäre wünschenswert, wenn journalistische Recherche sich nicht unbesehen auf in dubioser weise interpretierenden Quellen, sondern auf Fakten stützen würde, auch wenn solche Ereignisse eine schnelle Umsetzung erfordern.

Pere Grau Rovira

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