Armeen, Rüstung und Krieg: Eine verheerende Umweltbilanz

soldat der krieg die armee konflikt das militär, Quelle: tprzem, Pixabay License Frei zu verwenden unter der Pixabay-Lizenz Kein Bildnachweis nötig

Nach den neuesten Umfragen sinkt in Deutschland und anderen europäischen Ländern die Bereitschaft, die Ukraine im Kampf gegen Russland mit allem, was nötig ist und solange es nötig ist, zu unterstützen. Es geht dabei auch um private Hilfe und die Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen, aber vor allem um die bedingungslose Lieferung von Waffen und Munition. Für Letztere gehen offenbar auch die Reserven der Geberländer zur Neige, und die Waffenhersteller sind selbst in den USA nicht in der Lage, die benötigten Mengen für die eigene Verteidigung schnell genug aufzufüllen. In Deutschland ist die moralische Unterstützung nach wie vor hoch, im Westen offenbar höher als im Osten, und die deutschen Medien konstatieren mit Entrüstung, dass im Osten sogar ein Drittel an eine Mitschuld der NATO am russischen Angriff glaubt. Mehr in den Leserbriefspalten als in den Zeitungen selbst wird gelegentlich darauf hingewiesen, dass die politische Unterstützung der Ukraine-Hilfe gerade bei den Grünen besonders stark ist, die doch eigentlich lange Wurzeln in der inzwischen historischen deutschen Friedensbewegung hätten. Das ist Generationen her, aber auch bei den neuen Kernthemen der Grünen, der Umwelt und dem Klimawandel, sind ihre Politiker wie die Medien auffallend schweigsam, wenn es um die unmittelbaren und langfristigen Umweltschäden als Kriegsfolge angeht.

Kriege und langfristige Umweltschäden

Historische Umweltschäden, etwa durch die endlosen Kriege im alten Rom, sind auch nach 2000 Jahren noch sichtbar. Der in der Antike dicht bewaldete Mittelmeerraum ist durch den gewaltigen Flottenbau der Römer weiträumig entwaldet worden und hat durch die dadurch entstandene Verkarstung seine charakteristisch aride Fauna und Flora entwickelt. In deutschen Städten finden sich bei Bauarbeiten regelmäßig Blindgänger aus dem letzten Weltkrieg und erfordern oft weiträumige Evakuierungen der Anwohner bei ihrer Entschärfung. Da die Kriegsschäden inzwischen so weitgehend beseitigt sind und nur die ganz Alten sich noch an die Ruinenlandschaften erinnern können, schafft es das Thema Krieg und Umwelt offenbar nicht mehr auf die aktuelle Tagesordnung. Und auch der zukünftige Wiederaufbau der Ukraine wird eher unter finanziellen Aspekten diskutiert, jedenfalls liest man weniger über die sozialen und emotionalen Folgen für die Menschen dort und noch weniger über die verseuchte Umwelt.

In anderen Länder sind die Kriegsfolgen stärker in Erinnerung geblieben, weil sie immer wieder Menschen verstümmeln, die unerwartet auf eine Landmine treten. Die Verminung großer Flächen auch dünn besiedelter Gebiete Indochinas im Vietnamkrieg  oder die Missbildungen von Babys durch die weiträumige Besprühung von Waldgebieten mit Entlaubungsmitteln sind dort unvergessen. Internationale Aufmerksamkeit bekam im Januar ein Bericht über die Ratte Magawa, die fünf Jahre lang mit ihrem fabelhaften Geruchssinn beim Minenräumen geholfen hatte, mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde und kurz danach friedlich verstarb. Vermutlich galt die Aufmerksamkeit mehr dem niedlichen Nagetier als den gefährlichen Minen. Aber fast fünfzig Jahre nach dem Ende des Krieges, an dem Kambodscha gar nicht beteiligt war, sind  die materiellen Schäden längst nicht beseitigt. Die Regierung hat erst Anfang Dezember ein neues Programm aufgelegt, das wenigstens die restlichen Landminen bis Ende 2025 beseitigen soll. Gleichzeitig werden neue Land- und Seeminen in der Ukraine massenweise neu verlegt.

Vergebliche Warnungen?

Ökologisch verheerende Kriegsschäden sind vor allem im Mittleren Osten untersucht worden. 1991 brannten in Kuweit mehr als 700 Ölquellen, täglich wurden sechs Millionen Barrel Rohöl vernichtet, damals 9% des Weltverbrauchs. Freigesetzt wurden Millionen Tonnen Schwefel, Stickstoff, Ruß und Kohlenwasserstoff, eine Decke aus Ruß und Öl bedeckte 60% der Gesamtfläche Kuwaits. Kriegsmüll, und Blindgänger machen immer noch ganze Gebiete unzugänglich und die Strahlung der mit Uran gehärteten Munitionsreste bleibt eine unsichtbare Bedrohung für Generationen. Gerade die dramatischen Bilder der brennenden Ölquellen mögen zu Diskussionen über diese allzu sichtbaren Kriegsfolgen beigetragen haben. Aber erst am 5. November 2001 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 6. November eines jeden Jahres zum „Internationalen Tag für die Verhütung der Ausbeutung der Umwelt in Kriegen und bewaffneten Konflikten“ (RES 56/4).  Zum diesjährigen Internationalen Tag war das Echo in Deutschland fast unhörbar. Im Internet wird er wenigstens auf den Webseiten erwähnt, die in einem Kalender an solche Ereignisse erinnern, in den Leitmedien fand er nicht statt, entsprechende Stellungnahmen von den Grünen oder der gerade anderweitig so aktiven Letzten Generation fehlten ebenso. Immerhin gab es pünktlich am 6. November eine Stellungnahme der antimilitaristischen Initiative Marburger Bündnis „Nein zum Krieg“ und der Deutschen Koalition zur Ächtung von Uranwaffen (ICBUW Deutschland), insgesamt also, auch wenn es vielleicht einige mehr waren, eine verschwindende Minderheit.

Nach Jahrzehnten mit weit entfernten Schauplätzen und trotz teils gefährlicher Bundeswehr-Einsätze in Afrika und auf dem Balkan, die aber als Friedensmissionen klassifiziert wurden, ist das Inferno nun fast an die deutsche Haustür herangerückt und nimmt uns nicht nur emotional mit, sondern beteiligt uns auch ganz direkt mit den ukrainischen Flüchtlingen und der politischen Entscheidung, die Ukraine mit Waffen und Material zu unterstützen. Behagliche Gespräche über weit entfernte Kriege wie im Osterspaziergang in Goethes Faust sind nicht mehr möglich, ein Teil der Bevölkerung scheint sich auch selbst durch Russland militärisch bedroht zu fühlen. Insofern werden die kriegsbedingten Umweltprobleme erst einmal hintangestellt oder verdrängt. Sie sollten aber zumindest von der Politik stärker beachtet werden.

Umweltprobleme durch akute Konflikte und die progressive Hochrüstung

Was man in den Regionen Deutschlands mit Luftwaffenstandorten ohnehin vermuten kann, dass nämlich neben der zivilen Luftfahrt auch der militärische Luftverkehr eine erhebliche Umweltbelastung darstellt, wird durch entsprechende Forschungsberichte bestätigt. Eine kritische Studie vom Juni 2019 der Brown University bei Boston bezeichnet das US-Militär als größten Umweltsünder. Demnach hat das Militär seit 2001 insgesamt 1,8 Milliarden Tonnen Treibhausgase erzeugt, mehr als doppelt so viel, wie alle PKW des Landes zusammen in einem Jahr ausstoßen. Das Pentagon sei der weltweit größte institutionelle Verbraucher fossiler Energie und trage damit als einer der Hauptakteure maßgeblich zum Klimawandel bei. Präsident Biden und seine Energieministerin Jennifer M. Granholm haben inzwischen eine Reihe von Programmen zur Entkarbonisierung initiiert, die aber nur langfristig umgesetzt werden können. Die Forscher der Brown University haben ihre Zahlen übrigens von Granholms Ministerium bekommen, denn das Pentagon liefert selbst dem Kongress keine Verbrauchszahlen. Die genannte Studie kann unter www.costsofwar.org eingesehen werden. Weitere aktuelle Informationen veröffentlicht der Informationsdienst Umwelt und Militär (https://umwelt-militaer.org), der Ende 2018 aus der Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“ hervorgegangen ist.

Vergleichbare Daten sind naturgemäß weder für Russland und China zugänglich, lassen sich aber in etwa ahnen. Die neuesten Zahlen des Stockholmer Friedensforschungs-Instituts SIPRI sprechen wenigstens nicht für einen Rückgang. Demnach setzten die hundert größten Waffenkonzerne im vergangenen Jahr 592 Milliarden Dollar um, weit voraus die langjährigen Spitzenreiter Lockheed  Martin, Raytheon, Boeing, Northrop Grumman, General Dynamics und  die britische Firma BAE Systems sowie inzwischen auch vier chinesische Konzerne. Die Gesamtausgaben der USA für Militär und Sicherheit, einschließlich der Geheimdienste und der National Security Agency, die sich auch um die Cybersecurity kümmert, werden auf mehr als eine Billion Dollar  geschätzt. In den im April von Statista veröffentlichten Zahlen für 2021 liegen die USA mit 801 Mrd. direkten Militärausgaben an der Spitze, gefolgt vom aufholenden China mit 292 und Indien mit 76. Großbritannien gab mit 68,4 Mrd. noch rund 2,5 Mrd. mehr aus als Russland vor der Ukraine-Invasion, Frankreich und Deutschland liegen mit rund 56 Mrd. fast gleichauf, allerdings nicht mit vergleichbaren Ergebnissen.

Inzwischen finden sich im Internet „Träumer“, die die mutmaßlichen Welt-Militärausgaben theoretisch auf fabelhafte  Pro-Kopf-Einkommen für jeden der acht Milliarden Erdenbürger umrechnen wollen, was leider zu schön wäre, um jemals wahr zu werden. Auf der anderen Seite würde es der Welt und uns allen guttun, dem Thema Krieg und Umwelt die ihm gebührende Priorität einzuräumen.