Deutschland ohne Antisemiten

Als die Sowjetunion unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbricht, bejubeln einige voreilige Historiker das Ende der Geschichte. Doch nun ist es endlich soweit: Juden in Deutschland und in Europa fordern das Ende des Antisemitismus in Deutschland und in Europa. Das Ende der Geschichte wird jedoch nur unter der Bedingung kommen, wenn die Forderung der Juden in Deutschland und in Europa erfüllt wird. Dann wird der Messias auf dem Römerplatz in Frankfurt mit dem gebrauchten Kleinwagen des Papstes einfahren und das Ende aller Zeiten verkünden.
Lieber Leser, Sie brauchen keine Angst zu haben! Weder müssen Juden unvermittelt nach Jerusalem ausreisen, noch werden die Aktienkurse ins Bodenlose fallen, wenn der Messias kommt. Denn eher wird der Konflikt um die Ukraine im Sinne Putins friedlich beigelegt sein, als dass der Antisemitismus in Deutschland und in Europa seinen letzten Atem aushaucht. Wobei dieser Satz nach der semantischen Logik immer wahr ist, da bereits der vordere Teil zutrifft.
Gegen Antisemitismus wurde letzten Sonntag nicht nur in Frankfurt demonstriert, wo nach verschiedenen Aussagen wahrscheinlich 1.500 Juden und Judenfreunde, darunter zahlreiche Kurden, darunter Jesiden, teilnahmen. Nach Lautstärke und Auftreten bildeten die Kurden die Mehrheit der Demonstranten. Weitere Menschen demonstrierten am selben Sonntag gegen Judenhass in Stockholm, zusätzlich 1000 Menschen in London. Die Gesamtzahl wird den Messias nicht überzeugen.
Die Organisation ist perfekt. Viele Teilnehmer werden in von einer ungenannten Spenderin gesponserten Bussen nach Frankfurt gebracht. Diese Methode hat schon Erdoğan erfolgreich von seinem Vorgänger Atatürk übernommen, um Wahlen zu gewinnen, wobei die angekarrten männlichen Türken ein Trinkgeld, Kinder und Frauen ein billigeres Fress-Paket erhalten. Doch hier in Frankfurt geht es nicht um kurzfristige politische Erfolge. In Frankfurt treffen sich Juden und ihre Freunde, um das Ende des Antisemitismus in Deutschland und in Europa auszurufen, respektive einzufordern, damit der Messias …
Bevor ich auf die Sinnlosigkeit der Forderung eines Antisemitismus freien Deutschlands eingehe, erwähne ich die klugen Worte des Grünen Israelfreundes Volker Beck. Volker Beck mahnt Programme für den Schulunterricht, in denen Kindern von Migranten der Holocaust erklärt wird. Er fordert, dass jeder in diesem Land Respekt vor unterschiedlichen Religionen haben müsse.
Aus den Grünen Worten lässt sich unmittelbar schließen, dass bestimmten Migrantenkindern in der Schule der Holocaust nicht oder nur ungenügend erklärt wird. Ob eine ausreichende Erklärung des Holocausts zum Verschwinden des Antisemitismus aus Deutschland und aus Europa führen wird, mag dahingestellt sein. Das Problem beginnt damit, dass für große Teile bestimmter Migranten und ihrer Kindern die Worte „Holocaust“, „Völkermord“ und „Genozid“ tabuisiert werden, da diese Worte allzu sehr an den Armenischen Völkermord erinnern, der nach bestimmter Lesart auch in Deutschland niemals stattgefunden hat. Bereits unter den Indigenen Deutschlands ist der Respekt der Religionen kaum zu realisieren. Bestenfalls erreicht man Desinteresse. Der Werteverfall der Gesellschaft dem Christentum gegenüber, immerhin die vorherrschende Religion Deutschlands der letzten tausend Jahre, lässt sich ausgezeichnet an der fehlenden Reaktion erkennen, wenn Christen im Irak verfolgt, gefoltert und bestialisch ermordet werden, weil sie ihren Glauben nicht verleugnen. Wie sollen zum Pazifismus verdammte deutsche LehrerInnen Kindern mit bestimmtem Migrationshintergrund erfolgreich erklären, dass Christen genauso viel wert sind wie Muslime? Das Verhalten der indigenen Genozid verstehenden, meist christlichen Deutschen, spricht deutlich eine andere Sprache.
Kehren wir zurück zur sinnlosen Forderung eines Deutschlands und eines Europas ohne Antisemitismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der UdSSR leben Juden freiwillig in Deutschland und Europa. Wenn sie sich verfolgt fühlen oder verfolgt werden, haben sie die freie Wahl, nach Israel oder in die USA zu ziehen. Nur die deutschen Juden, die „Jeckes“, dürften Schwierigkeiten damit haben. Es ist eine europäisch-humanistische, keine jüdische Vorstellung, dass Juden das Recht haben, frei, gleich und furchtlos in Deutschland und Europa zu leben und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Diese europäisch-humanistische Vorstellung ist in Deutschland und Europa nie verwirklicht worden. Den nicht spürbaren, jedoch keineswegs fehlenden Antisemitismus in Deutschland und in Europa, haben die hier lebenden Juden ihren sechs Millionen toten Glaubensgenossen zu verdanken. Sieben Jahrzehnte nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg, in dessen Rahmen der Holocaust stattgefunden hat, ist die Zuneigung der Deutschen und der Europäern zu Juden aufgebraucht.
Der Antisemitismus in Deutschland und Europa hat sein Profil geändert. Im Zeitalter der Internet-Kommunikation haben rechtsextreme antisemitische Analphabeten ihre Notwendigkeit eingebüßt. Die Alt- und Neonazis werden von bürgerlichen Meinungsbildern ersetzt, die vorgeben, die Interessen Unterprivilegierter zu vertreten, von denen viele endemisch Antisemitismus aussondern. Jeder Krieg zwischen dem Judenstaat Israel und seinen muslimischen und arabischen Nachbarn zieht wüste Orgien des Antisemitismus auf Deutschlands und Europas Straßen, Plätze und Medien nach sich. Die Kriege sind nicht Anlass zum Antisemitismus, sondern Vorwand. Zwischenzeitlich haben sich die migrantischen Judenhasser von den bürgerlichen Deutschen abgesetzt und holen sich die notwendige Informationen aus eigenen Fernsehsendern, die jeder Ungeübte an der Ausrichtung der großen Satellitenschüsseln an Plattenbauten nach Süd-Osten erkennt.
Kurden und Jesiden machen sich große Hoffnungen, von den Deutschen geliebt und unterstützt zu werden, wenn sie für Juden und Israel sind. Es ist zu hoffen, dass sie diesen Irrtum nicht allzu teuer bezahlen werden.

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.

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