Ein ICE namens Anne Frank

Juedischer Armleuchter, Foto: Stefan Groß

Nach dem Willen der Deutschen Bahn wird ein neuer Hochgeschwindigkeitszug den Namen des von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Mädchens Anne Frank tragen. Nicht dieser Umstand ist das Ärgernis, sondern die schriftlichen Reaktionen vieler Leser, deren Meinung schon von vorneherein bekannt ist, was der anständige Mensch verdrängt, weil er es nicht mehr hören will.

Deshalb wird hier das Thema wissenschaftlich und rational und möglichst ohne Emotionen abgehandelt.

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Nicht nur Züge tragen Namen, auch Schulen, hohe Gebäude, Straßen, Flugzeuge, Schiffe, alle Menschen, bestimmte Tier und viele andere mehr. Die erste Frage, die sich auftut, lautet:

Wird die Schule, das hohe Gebäude, die Straße, das Flugzeug, das Schiff, der Mensch und das Tier mit dem gegebenen Namen geehrt oder umgekehrt die Person, deren Name verliehen wird?

Die allermeisten Namensgeber sind bereits tot. Ihnen ist es somit gleichgültig, was mit ihrem Namen postmortem passiert. Es gibt jedoch Ausnahmen: hohe Gebäude! Wenn das hohe Gebäude nach einem noch Lebenden benannt wird, dann darf man davon ausgehen, dass der Namensgeber an psychischen Problemen leidet oder damit geärgert werden soll. Während der Trump Tower in spätestens 20 Jahren umbenannt werden wird, heißt das Wahrzeichen von Paris seit mehr als 100 Jahren Eiffel-Turm. Dazu muss man wissen, dass Trump der Besitzer des Trump-Towers ist, während Gustave Eiffel der maßgebliche Ingenieur des Eiffel-Turms gewesen ist, der von seinen Gegnern zum Spott so genannt worden ist.

In Despotien werden sogar ganze Städte nach den politischen Führern benannt. Nach deren Sturz taucht der alte Name der Stadt wieder auf. Wenn hingegen Schulen und Eisenbahnzüge nach Verstorbenen benannt werden, so werden weniger die Namensgeber, sondern eher die Schulen und die Züge geehrt.

Eine Straße wird nach verstorbenen mehr oder weniger bekannten Personen benannt. Wozu? Fühle ich mich geehrt, wenn ich in der Konrad-Adenauer-Straße wohne, welche man in jeder Kleinststadt vorfindet? Sicherlich nicht. Hier geht es um die Erinnerungskultur! Schon heute weiß jeder zweite Bewohner Deutschlands nicht, was Konrad Adenauer geleistet hat. In 100 Jahren wird sein Andenken verfallen, weshalb mit Konrad-Adenauer-Straßen versucht wird, die Erinnerung an den großen Bundeskanzler so lange wie möglich zu erhalten. Bismarckstraßen gibt es zur Genüge. Doch wie lange noch? Das erklärt jedoch nicht, warum sich Frankfurt mit dem Attribut „Goethestadt“ ziert. Goethe wird auch dann noch berühmt sein, wenn sich kaum jemand noch an Konrad Adenauer und sicher niemand mehr an Angela Merkel erinnert. In konkretem Fall schmückt sich die Stadt Frankfurt mit dem bedeutenden Schriftsteller, um Touristen und Bücherleser des Geldes wegen anzulocken.

Es ist auch die Assoziation, die der Name hervorruft, weshalb er vergeben wird. Ein gutes Beispiel ist „Einstein“ als Hundename. Der Besitzer tut damit Kund, dass er ein besonders kluges Tier hat, von dessen Intelligenz etwas auf den Besitzer abfallen möge. Der Physiker Albert Einstein wird davon nicht tangiert. Ähnlich die Vergabe des Namens „Mohammed“ an muslimischen Jungen. Damit wird der Muslim stigmatisiert, zeitlebens als Muslim erkennbar gemacht, ähnlich einem beschnittenen Juden. Offiziell wird der Namensgeber geehrt, unabhängig davon, ob er existiert hat oder nicht. Der Mensch Mohammed müsste – falls er jemals konvertieren möchte – seinen Vornamen ablegen. Päpsten und Heiligen soll dies leicht fallen.

Welche Assoziation ruft der Name „Anne Frank“ hervor? Von einer Anne-Frank-Schule erwartet der Feinsinnige, dass kein jüdischer Schüler diese Schule verlassen muss, wenn er von muslimischen Klassenkameraden gemobbt und geschlagen wird. Das kann schlimmstenfalls dazu führen, dass eine Anne-Frank-Schule alles daransetzt, vorsichtshalber jüdische und/oder muslimische Kinder nicht anzunehmen. Ein Gymnasium ist hierbei im Vorteil, jedoch werden wegen der Schulreform viele Gymnasien in Gesamtschulen umgewidmet, sodass das Niveau des Klientels sinkt. Es ist nicht anzunehmen, dass antisemitisch sozialisierte muslimische Kinder und deren Erziehungsberechtigten den Besuch einer Anne-Frank-Gesamtschule ablehnen, da sie wahrscheinlich nichts über die Namenspatronin wissen.

Die Schüler einer Anne-Frank-Schule sind über Jahre mit dem Schicksal von Anne Frank konfrontiert, die Zugreisenden im Anne Frank-Intercity nur für eine begrenzte Zeit. Dafür ist die Zahl der Anne-Frank-Zugbenutzer bedeutend höher als die der Anne-Frank-Schüler. Doch zurück zur Frage:

Welche Assoziation ruft der Name „Anne Frank“ hervor?

Die meisten Bewohner Deutschlands können oder wollen nichts mit dem Namen „Anne Frank“ anfangen. Eine Minderheit, die politisch und moralisch rechts einzuordnen ist, lehnt jegliche Erinnerung an das jüdische Mädchen und ihrem Schicksal ab. Der Rest kann Anne Frank oft nicht richtig einordnen. Aus dem Wissen um Anne Frank kommen nur wenige zu dem Schluss, dass man keine Juden verfolgen oder morden darf. Das Bewusstsein der Welt über die Verfolgung der europäischen Juden schwindet wegen der vergangenen Zeitspanne und mit Absicht. Dass auch orientalische Juden bis heute verfolgt werden, wird als politisch inkorrekt nicht zur Kenntnis genommen. Ein nicht unerheblicher Teil der Anne-Frank-Kenner assoziieren mit „Anne Frank“ vorzugsweise die bösartigen jüdischen Kolonisten Israels, die arabische Kinder unterdrücken. Sie setzen dank Anne Frank Juden mit Nazis gleich, um sich vor jeder Verantwortung zu drücken und stattdessen selber glänzend dazustehen. Antisemitisch sozialisierte muslimische Schüler und erwachsene Flüchtlinge, denen aus Angst vor Aggressionen die Lehrer so wenig wie möglich über Juden in Deutschland und Israel berichten, bewundern hingegen sehr oft und nicht nur insgeheim die klugen Nationalsozialisten. Für sie ist eine Zugfahrt im „Anne Frank“ ein innerer Reichsparteitag.

Wir müssen anerkennen, dass nach über 70 Jahren Juden in Deutschland nicht mehr von Staat und Zivilgesellschaft verfolgt werden, dafür aber das Schicksal der Juden im Dritten Reich zum Nachteil von Juden und dem Judenstaat Israel uminterpretiert wird. Die geschichtliche Wahrheit wird zum angepassten Narrativ, um die eigene antisemitische Position zu stärken. Die Narrative werden nicht nur von ewig-Gestrigen und Judenhassern jeglicher Couleur verbreitet, sondern zunehmend von Parteien am linken Rand, von selbsternannten Pazifisten und leider auch von kirchlichen Gruppen.

Es bedeutet keinen Vorteil für Juden und für die Wahrheit, wenn ein Intercity-Zug der Deutschen Bahn auf den Namen „Anne Frank“ getauft (sic!) wird. Da – wie es der aufmerksame Leser nun weiß – es nicht darum geht, das Andenken an Anne Frank zu ehren, sondern den ICE- Hochgeschwindigkeitszug mit Anne Franks Namen aufzuwerten, wäre es von Vorteil, den Zug nach Martin Luther zu nennen.

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.

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